65 A ls 1976 die Idee eines Rundweges um Plettenberg im Sauerland geboren wurde, ahnte man noch nicht, dass eine uralte Tradition wieder auflebt: der Schnadegang. Am Schnadegang (Schnade = Schneise, Gren- ze) nahmen schon mal mehr als 10.000 Bürger teil, die Anwesenheit wurde mit Speis und Trank schmackhaft gemacht. Karten gab es noch nicht, Grenzsteine erst ab dem 17. Jh., doch die wurden gerne versetzt. Eine wichtige Rolle bei den Grenzfestlegungen spielten Kinder und Jugendliche, die man als Zeugen der nächsten Generation hinzuzog. Damit sie sich die Grenzmarken ja gut merken, gab es für jede Markierung ein paar Ohrfei- gen. „Schreib dir das hinter die Ohren!“, sagt man heute noch. „Ich habe Durst“ 1817 verboten die Preußen den Schna- degang wegen „grober Exzesse“. Die Katastererfassung der Preußen erübrigte dann sowieso den Schnadegang. Nun wird wieder gekämpft. Nicht um die Gemeindegrenze, sondern auf dem Grenzweg – und der ist 73 Kilometern lang. Die Verpflegung ist gleich der im Mittelalter: Schmalzbrote, Kuchen, Hari- bo, Cola, Erdinger und Iso. Alle Einwoh- ner der Gemeinde Plettenberg sind wie damals in die Veranstaltung involviert und machen daraus ein atmosphärisch dichtes und bestens organisiertes Ult- raevent. Kurz vor 7 Uhr bin ich unter dem Startbogen, der erste Anstieg hoch zur Tanneneck ist nach 2 km geschafft. Der Sauerländer sagt nie: Ich habe Durst! Ein Sauerländer hat Brand wie ne Bergziege! Deswegen ist die Bergziege das Maskott- chen des P-Weges. In schnellem Tempo geht es nun hinunter zur Lenne. Vom Felsen oberhalb des Flusses stürzte sich einst ein Burgfräulein auf der Flucht vor dem wilden Ritter Dietrich in den Fluss, es ist der Jungfernsprung. Auch dort oben ist die Burg Schwar- zenberg. Zwei gefangene Raubritter gruben den Brunnen. Als sie auf Wasser stießen, durften sie wieder nach oben und fielen im Sonnenlicht tot um. Son- nenlicht wird es heute nicht geben, aber schaurig-schöne Nebelbilder. 10. September 2016 ➜ Der Autor außer Atem