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Laufberichte

Shit Happens!

 

Fotos: Klaus und Margot Duwe

 

Wir wollen uns zum Jahresbeginn wieder den Leipziger Winter!Marathon vornehmen. Henny ist erneut die Antreiberin und sie nennt mir gleich den dritten Teilnehmer, Tanya Ostapenko. Ja, die Tanya ist eine fleißige Marathonsammlerin und hat in den letzten Monaten zehn Marathons heruntergerissen, alleine im Dezember nach Weihnachten eine Serie mit fünf Stück. Dadurch ist sie besser in Fahrt als wir.

Und damit kennt ihr schon das Procedere beim Winter!Marathon. Man muss zu dritt sein und motiviert, zu einer Jahreszeit, wo man eher die Füße hochlegt, gemeinsam 42 km zu laufen. Also nicht verwechseln mit einem Staffelmarathon. Was ist, wenn Läufer ausfallen, oder man kein komplettes zusammenbekommt? Da hilftder Veranstalter, die LG eXa Leipzig, und kümmert sich, dass über eine Teambörse solche Probleme gelöst werden. Auch Ausfälle werden so noch kurzfristig kompensiert. Und wenn während des Laufes einzelne Teammitglieder aussteigen müssen, können die „Restlichen“ das Rennen als Einzelläufer fortsetzen und bekommen Urkunde und Zeit auf einer vermessenen Strecke.

Die Teams werden gewertet als reine Männer- oder Frauenmannschaften oder gemischt. Zudem gibt es Spezialwertungen, wo das Lebensalter addiert wird (über 150 Jahre und unter 90 Jahre).

Leipzig ist mit öffentlichen Verkehrsmitteln hervorragend zu erreichen. Man ist auch nur ein wenig länger unterwegs als mit dem Auto. Und stressfreier ist es auch mit dem Zug. Zwar hakt es noch im Norden der Republik mit dem Fernverkehr nach dem stürmischen Donnerstag. Die Züge stehen halt nicht da, wo man sie braucht. Aber wir kommen aus dem Süden mit der Erfurter Bahn recht pünktlich in der Messestadt an. Die vorab gebuchte Unterkunft liegt in fußläufiger Entfernung zum Hauptbahnhof. Und zum Wettkampfort sind es fünf Stationen mit der Straßenbahn ab Hauptbahnhof.

Dieser Team Marathon wurde 31 Mal im Berliner Plänterwald ausgetragen, 1979 war die Premiere, damals noch von der EBT Berlin, anschließend vom SC Charlottenburg (SCC Berlin) unter Roland Winkler organisiert. Im Jahr 2009 zur 31. Ausgabe wurde dann die liebgewordene Tradition beendet. Doch die Idee als Teamwettbewerb wurde in Leipzig (immer Januar) und in Brandenburg (März) weiterverfolgt. 2019 wird man in Leipzig das zehnjährige Jubiläum feiern.

Die Absicht damals gilt auch noch heute: Für einen schnellen Marathon im Frühjahr brauchst du im Winter lange Einheiten, die du vielleicht einsam alleine durchführen musst. Hier in Leipzig beim Winter!Marathon ist es einfacher. Du überlässt die Logistik dem Veranstalter und kümmerst dich ums Laufen, hast jede Menge Abwechslung und Unterhaltung. Ein Long Jog wird so zum Vergnügen.

 

 

Als wir um 09.30 Uhr im Gesundheitszentrum des BSV AOK ankommen, ist alles gerichtet. In der Starttasche (keine Wartezeit bei der Ausgabe!) finden sich neben den drei Startnummern (Name aufgedruckt!) Gel, Traubenzucker, Zeitmesschips (für den Unterarm) und weitere Give-aways. Umkleidemöglichkeiten sind vorhanden, das Gepäck wird bewacht. Nach dem Lauf können wir uns massieren lassen und/oder die Sauna benützen. Für die Hungrigen ist bereits die Kuchentheke geöffnet. Gegen eine Spende kannst du dir da etwas aussuchen.

Und da ich nicht immer so viel schreiben muss und meine Holde eine Fähigkeit zum Verse schmieden hat, habe ich die Henny hierzu verpflichtet. Da ist der erste Teil von ihr:

„Nach Sturm Friederike pünktlich am Start
einstellig trainiert, also wird’s hart!
Winter plus Marathon, da kommt man in Fahrt!
Die Grippe zwingt nieder die stärksten Kollegen
andre verschwinden auf eigenen Wegen.“

Die vorgesehene Startzeit um 11.00 Uhr wird nur um wenige Minuten überschritten, dann geht die bereits scharrende Meute auf die Strecke. Wir wollen es gemächlich angehen lassen und orientieren uns gleich mal im hinteren Bereich und treiben die Meute vor uns her. Noch ist es bewölkt, die Sonne nicht zu sehen, aber die Temperatur, knapp über dem Gefrierpunkt, ist ideal zum Laufen im Januar, zumal es windstill ist. Größere Schäden durch den Sturm Friederike sind kaum zu sehen, nur einzelne Zweige und Äste liegen an der Seite. Das OK-Team hat die Wege am Tag zuvor noch in Schuss gebracht. Nach ein paar Metern am Sportheim der AOK biegen wir auf den Rad- und Fußweg der Anton-Bruckner-Allee ein. 2017 war es hier schnee- und teilweise eisglatt. Heute haben wir ein schnelles Geläuf.

Wir überqueren nun zum ersten Mal das Elsterflutbett auf der Sachsenbrücke, die den östlichen und westlichen Teil des Clara-Zetkin-Parks verbindet. Sie ist nur für Fußgänger und Radfahrer freigegeben, also auch für uns. Das Kulturdenkmal ist Treffpunkt vieler Leipziger und im Sommer sieht man hier viele Musiker und Künstler. Am Ende der Allee laufen wir um einen kleinen Teich.

Den ersten Kilometer haben wir auf der Karl-Tauchnitz-Straße geschafft. Diese Straße ist zwar nicht gesperrt, doch auf dem Rad- und Gehweg haben wir genug Platz. Eine Läuferin (in Jeans!) sagt „es reicht“ und dreht um. Erstaunt erkundige ich mich bei den anderen beiden Teammitgliedern, die sagen: „Sie ist furchtbar erkältet, wollte zumindest den Start erleben, kann aber nicht weitermachen. Sie geht jetzt shoppen.“

Bei einer Litfaßsäule biegen wir abermals rechts ab in den Rennbahnweg, der zur Galopprennbahn Scheibenholz führt. 1867 wurde die Rennbahn errichtet und vor einigen Jahren wurde der Betrieb eingestellt. Doch es hat sich mit dem Leipziger Reit- und Rennverein ein Betreiber gefunden, der wieder Pferderennen veranstaltet. Auf der Zufahrt zur Rennbahn, da könnte man doch mal einen Crosslauf durchführen, steht Kilometerschild 2.

Kurz vor dem Steg über das Elsterflutbett steht wieder ein bekannter Musiker. Der Wolfgang Wittig als früherer IT-Professor steht in einem Zelt und heizt uns bei jedem Vorbeilaufen ein. Er gehört wohl schon zum Inventar des Winter!Marathons. Gerade spielt er von Jean Michel Jarre „Oxygene“. Ja, von dem werden wir noch zur Genüge ge- und verbrauchen.

 

 

Wir überqueren das Elsterflutbett. Auf der anderen Uferseite wenden wir uns nach links und laufen ein Stück auf der Dammkrone. Im Gewässer spiegelt sich das jenseitig Ufer.  Mehrmals muss ich stehenbleiben und meiner Aufgabe als Fotograf nachzugehen, während die beiden Mädels weiterziehen. Kurz nach dem dritten Kilometer führt und die Strecke in den Wald, wo ein crossiges und morastiges Wegstück (nicht mehr als 200 Meter lang) auf uns wartet. Nur auf dem Stück bräuchte man Trailschuhe, für den Rest der Strecke reicht gutes Profil. Es geht am Ende zum Nonnenweg hoch, auf dem wir etwa einen Kilometer lang in Richtung Zielgelände laufen. Den Moderator hören wir eine ganze Weile. Kurz zuvor laufen wir eine kleine Schleife an die Elster und beenden die erste Runde nach gut 37 Minuten. Passt!

Eine Runde ist geschafft und kennt ihr jetzt. Die Schilderung der  restlichen sieben kann ich mir sparen. Nach ausgiebiger Verpflegung, es gibt Wasser, warmer Tee, Iso, Cola, RedBull Orange, Bananen, Cracker, Zopf, Honigkuchen und weiteres, laufen wir weiter. Es dauert nicht lange, dann überholen (überrunden) uns als Erste die Magdeburger Jungs.

Am Nonnenweg sind einige Waldarbeiter am Holz machen. Zwei versuchen sich am Spalten der breiten Holzrundlinge. „Da braucht ihr ein gescheites Irxn-Schmoiz!“. Kopfschütteln, meinen Rat versteht man nicht. Ist auch Bayerisch und wir sind in Sachsen. Trotzdem: Zum Spalten des Holzes kann man gehörigen Schwung, den man aus der Kraft der Schulter und der Achsel holt.  Irxn-Schmoiz halt.

Wir sind gerade beim zweiten Mal an der Tankstelle, da  überholen uns erneut die Magdeburger Jungs. Die haben einen Speed drauf und gehen schon in ihre fünfte Runde. Wir dagegen packen die dritte an. Zehn Kilometer geschafft, auf die Uhr schaue ich nicht.

Unsere vierte Runde: Wolfgang an der Trabrennbahn spielt von den Eagles „Hotel California“. Der Song handelt ja ein wenig von Drogen und dergleichen. “On a dark desert highway, cool wind in my hair.
Warm smell of colitas, rising up through the air”. Colitas nennt man in Mexiko Cannabisblüten. Da fällt mir ein, wie mir vor Jahren in Neapel an einer üblen Steigung einheimische Bauarbeiter „a little bit of hash“ angeboten haben: „ And you can fly high“. Dabei wäre ich ja schon zufrieden, wenn ich an der Tankstelle etwas Hopfenextrakt bekommen könnte.

Dann ist Halbzeit, wir sind jetzt gut 2.40 Stunden unterwegs, die Endzeit wird gleich oder besser sein als letztes Jahr, so meine Hochrechnung. Weiter geht es für Henny in Gedichtform so:

„Verschnupft zum Shoppen seilt sich ab die eine,
der Luber „schrittweise“ geführt an der Leine.
Sicher Brücken und Kurven meistert,
lockere Sieger im Finish begeistert,
fertig, wir verbuchen erst Halbzeit.
Schwere Beine, Horrorrunde,
die fünfte deckt auf das geteilte Leid.
Was im Vorjahr grad so klappte,
im Zetkin-Park ins Ziel ich schlappte.“

Den erwähnten Luber (Anton L. aus Nürnberg) kennen viele, man sieht den Sehbehinderten oft mit seinen Guides. Mich erkennt er an der Stimme. Wahnsinn, was er für Laufzeiten noch schafft. Die vier Stunden sind für ihn fast Routine und auf den 100 Kilometern in Biel habe ich ihn auch schon gesehen.

Mich überrascht, dass zunehmend einzelne Läufer oder Pärchen unterwegs sind. Da scheinen einige Teams Ausfallerscheinungen zu haben. Meine Erinnerung an 2017:  Wir hatten Sonne, aber es war kalt, die schneebedeckten Wege nicht einfach zu laufen. Der Jens Körner hatte aufgrund seiner lädierten Bandscheibe nur applaudieren können.  Heute ist er mit seiner „Bagage“ gut dabei.

 

 

Die fünfte Runde wird für Henny schwer, Minuten bleiben liegen. Ich bin mir sicher, dass wir es ins Ziel schaffen, noch nie hat sie ein Rennen aufgeben müssen. Sicher bin ich mir auch deshalb, weil ich mich nicht an ein Limit in der Ausschreibung erinnern kann. Tanya hat dagegen etwas gelesen, kann sich jedoch nicht an den genauen Wortlaut erinnern. Also einfach weiter, denn auch hier gilt, umkehren wäre blöd. Auf der Anton-Bruckner-Allee kommen uns die Sieger entgegen, die Magdeburger Jungs ziehen ihren Job in 2.48.32 Stunden durch. Nur wenige Minuten später sehe ich Another Day, das zweite Team. Nach Runde fünf werden gerade die schnellsten Mixed Mannschaften geehrt: „Das Schärfste, was der Marathon zu bieten hat“ und „Sachsens Mitte“. Und wir müssen noch drei Mal kreiseln.

Wir gehen in die sechste Runde. Die Hatscherei wird wieder etwas flüssiger. Du siehst zwar nicht viele Leute an der Strecke, doch die wenigen muntern dich auf. Einige Kinder wollen abklatschen. Anerkennung verdient jene Frau mit weißer Hose, die kurz vor dem Rundenende stundenlang jeden anspricht und Stimmung macht. Danke dir. Im Ziel hat man Jens und seinem Team die Medaillen umgehängt. Er hat sein Marathon-Elaborat beendet und entlässt uns auf die siebte Runde. Ich vergesse, auf die Uhr zu schauen. Jetzt wäre ein Powerdrink fällig. Aber RedBull Orange riecht extrem nach Gummibärchen. Bääh, nichts für mich.

Dann muss ich mein Team aufbauen. Bei Kilometerschild 3 sind die Restkilometer einstellig, nur mehr neun. Weiter. In der letzten Stunde sind vermehrt Spaziergänger unterwegs. Ich bedanke mich dann schon vorab bei den Helfern für ihre Absperrdienste. 15.58 Uhr. Die vorletzte Runde endet.

Und was ist das? Der Helfer weist uns in den Zielkanal ein und entlässt uns nicht mehr in die letzte Runde. Eine kurze Diskussion bringt uns auch nicht weiter. Ich verstehe nur „Dunkelheit“  und „bitte die Transponder“. Enttäuschung! Ich bin mir sicher, nicht langsamer als 2017 gewesen zu sein. Und nun? Henny hat das terffsicher so gedichtet:

„Anton ist sich gewiss,
Kriechtempo heuer kein Hindernis.
Mental langt's ja leicht,
leider nun doch das Limit verstreicht.
Der Dritten im Bunde
schmerzt „DNF“-Wunde.
Gehofft auf Gnade für lahme Wade,
die Ultradame sich nicht zu schade,
Teamtrauma statt Solopromenade.
Das tapfere Trio
„Allegro con Brio“ -
einer knipst, eine netzwerkt,
eine powert, zieht und ackert.
Die Liebe zu Leipzig kennt keine Frist,
drum ist das Ende kurz nur trist.
Analyse in Sauna und Schwatz unter Helden,
top in Schuss zum 10. wir melden!“

So wird es mein zweiter DNF, Tanyas erster. Doch das war's noch nicht. Meine Frage nach dem Limit bleibt ungelöst. Ich muss mich am Abend kundig machen. Jetzt haben wir wenigstens Zeit für Verpflegung, Massage, Dusche, Sauna. Jens liegt auf der Ruhebank nach dem Saunagang, tröstet uns, ein anderer in der heißen Kabine liefert mir gleich die Überschrift: Shit Happens!

 

 

Erst später mache ich mich kundig, es gibt tatsächlich ein Zeitlimit. Die letzte Fünf-Kilometer-Runde muss spätestens nach 4.40 Stunden Laufzeit begonnen werden. Und wir waren 15 Minuten drüber. Jetzt sind wir klüger. Abhaken und weitermachen!

Unser Tipp für das verlängerte Wochenende:

Ein Spaziergang durch die Altstadt, der Besuch der Thomaskirche und eine Einkehr auf dem Augustusplatz mit dem Leipziger Eistraum (mit Eisrutsche, Eisstockschießen, Eislauf. Apres-Ice-Party). Wer noch etwas zum Schauen braucht, der kann auf der Leipziger Notenspur (ist ausgeschildert, zwei Stunden) die Wirkungs- und Wohnstätten vieler berühmter Komponisten und Musiker erwandern. Und eine Regeneration ist so ein lockerer Walk auch noch. Na wie wäre es mit einem Besuch der Mitte Deutschlands, vielleicht zum Marathon in Leipzig am 22.04.2018.

Der Termin zum Winter!Marathon steht auch schon, es ist der 19.01.2019.

 

Antons Bildgalerie

 

 

 

Ergebnisse:
 

Männer:
1. Magdeburger Jungs (Robert Linz, Sven Schenk, Sebastian Anselm) 2.48.32
2. Die Another Day (André Fischer, André Fischer, Felix Dreisow) 2.51.03
3. Die Waldläufer (Sven Herder, Sören Schramm, Steffen Burkhardt) 3.03.35

Mixed:
1. Das Schärfste, was der Marathon zu bieten hat (Martin Max Werner, Dorothea Stepan, Daniel Tauber) 3.21.03
2. Sachsens Mitte (Hans-Dieter Jancker, Falk Sittner, Nina Dalitz) 3.22.08
3. Djed Moros und Snjegurotschkas (Thomas Ecke, Andrea Altmann, Antje Knobloch) 3.35.28

Frauen:
1. ACC to go (Antje Müller, Christine Fischer, Constanze Quenzel) 3.39.20
2. Dresdner Sonnernsterne (Catleen Frank, Sandra Bunk, Dominique Herrrmann-Buder) 4.00.09
3. 3 Brocken (Sandra Simon, Antje Reimer, Annette Hempel) 4.12.03

 

Informationen: Winter! Marathon
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