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Laufberichte

An den Baldeneysee habe ich gute Erinnerungen. Als ich 1990 mit dem Laufen begann, war die Seerunde mit einer Länge von 14,1 km schon bald eine meiner Lieblingsstrecken. Unter dem 14.02.1990 findet sich im Lauftagebuch der erste Eintrag zur Baldeneysee-Runde, knapp 5 Wochen nach meinem Laufbeginn. Die damalige Zeit von 1h 25 min schaffe ich heute noch, meine Bestzeit von 1h 5 min aber lange nicht mehr. Der Baldeneysee war ideal gelegen, um sich nach stundenlangem Sitzen in der dicken Luft der Essener Uni-Hörsäle ein wenig zu bewegen und Frischluft zu tanken. Und manchmal auch anstatt in den Hörsälen zu sitzen…

Gestartet bin ich damals am Südufer nahe dem Essener Stadtteil Werden, gelaufen bin ich im Uhrzeigersinn. Noch heute beginne ich an der gleichen Stelle. Alle paar Jahre wechsele ich die Laufrichtung und hänge ein paar Kilometer dran, nämlich dann, wenn ich am Essen-Marathon rund um den Baldeneysee teilnehme. Kaum zu fassen, dass es dieses Jahr schon die 61. Ausgabe der Veranstaltung ist. Die erste Austragung war 1963, da war ich gerade 2 Jahre alt. Seitdem wird der Marathon ununterbrochen ausgetragen,  so auch trotz Corona am 13.10.2020. Auf Initiative von Westenergie und des TUSEM Essen startete damals unter strengen Auflagen die sogenannte Extrarunde, die offiziell als 58. Austragung des Marathons gilt. Damit blieb die Tradition des ältesten deutschen Marathons ungebrochen.

Dieses bin ich wieder dabei. Nach einer kurzen Anreise finden Susanne und ich uns rechtzeitig vor dem Start um 10 Uhr auf dem Regattagelände ein. Der See ist ein beliebtes Ausflugsziel nicht nur für Wanderer, Jogger und Radfahrer, sondern auch für Kanuten und Segler. Regatten finden hier seit Jahrzehnten statt und das Gelände rund um den Zielturm und der Tribüne der Regattabahn dient als Start-, Ziel- und Veranstaltungsgelände mit sehr kurzen Wegen. Startnummernabholung ohne Warteschlange, Kleiderbeutelabgabe nicht weit weg davon und für hinterher sind die Duschen im Regatta-Vereinshaus und der Bratwurststand gleich um die Ecke.

 

 

So bleibt mir noch Zeit, kurz dem Start der „Seerunde“ über 17,9 km um 9:45 Uhr zuzuschauen. Hier nehmen übrigens mit knapp 1.000 Läufern deutlich mehr teil als beim Marathon, dort sind es etwa 500. Ich wünschte mir mehr Teilnehmer für die Veranstaltung, aber die beengten Platzverhältnisse am Start-/Zielgelände und die engen Wege würden deutlich mehr gar nicht zulassen.

Warum eigentlich 17,9 und nicht 14,1 km? Nun, ich habe damals als Anfänger den kürzesten Weg um den See gesucht und das waren 14,1 km. Die Läufer der Seerunde heute müssen dagegen am Zu- und Abfluss des Sees noch ein wenig an der den See speisenden Ruhr entlanglaufen und kommen damit auf 17,9 Kilometer. Wir haben bekanntlich 42,195 Kilometer vor der Brust und daher das Vergnügen, zweimal die Seerunde gegen den Uhrzeigersinn zu laufen und, weil das für Marathon noch nicht langt, zusätzlich eine kleine Stichstrecke.

Ich sehe auf der Zeitnehmeruhr, die 09:55:38 anzeigt, dass es Zeit wird, sich in den Startbereich zu begeben.

 

Einmal Zeche Funke und zurück

 

Der Essener Oberbürgermeister gibt den Startschuss und schickt uns pünktlich auf den Weg. Wir beginnen gleich mit zwei Rechtskurven und laufen zunächst im Uhrzeigersinn etwas mehr als 3 Kilometer. Wohl nur Ortsansässige erkennen, dass wir auf einer alten Bahntrasse laufen, einem stillgelegten Abschnitt der Ruhrtalbahn. Auf dem Abschnitt zwischen den Essener Stadtteilen Werden und Kupferdreh, die den westlichen und östlichen Wendepunkt der Seerunde darstellen, werden wir heute am See-Nordufer der ehemaligen Bahntrasse folgen. Dabei diente die Bahn neben dem Personenverkehr auch der Anbindung zahlreicher Zechen wie Carl Funke in Essen-Heisingen, dem Ziel unserer Wendepunktstrecke.

Unweit von Essen wurden bei Witten die ersten Kohlevorkommen entdeckt. Die Flöze, so nennt man die Kohlelagen, ragten hier bis zur Tagesoberfläche. Ab dem 18. Jahrhundert entwickelten sich der Kohlebergbau und auch die kohleverarbeitenden Montanindustrien sehr dynamisch, so dass das Ruhrgebiet auch als „Kohlenpott“ bezeichnet wurde. Vom Reichtum der Unternehmerschaft zeugen noch zahlreiche Villen in Seenähe, u.a. die bekannte Villa Hügel der Industriellenfamilie Krupp.

Schnell überholen mich die ersten Brems- und Zugläufer, die hier Zielzeiten von 3:00 bis 4:45 anbieten. Rechter Hand macht sich eine Drumband bereit, uns auf dem Rückweg zu empfangen. Nach etwa 2 Kilometer verlassen wir den alten Bahndamm und laufen ein Stück direkt am See entlang. Auf dem parallelen Weg kommen uns schon die Spitzenläufer entgegen, kurz nach Kilometer 3 wird in Gegenrichtung voller, das Hauptfeld kommt, die Wende ist nicht mehr weit.

 

 

Direkt an der Wendestelle gibt es dann auch die erste Verpflegung. Eigenverpflegung, Iso, Wasser, Cola, Äpfel und Bananen werden uns gereicht. Insgesamt gibt es vier Verpflegungsstellen im Abstand von knapp 5 Kilometern auf der Runde, die wir zweimal bzw. die erste dreimal passieren. So ist eine angemessene Versorgung sichergestellt. Da das Thermometer jetzt im Oktober nur maximal 13 zeigt, sind zusätzliche Wasserstellen nicht erforderlich.

Auf dem Rückweg erreichen wir wieder die Drumband. Es handelt sich um die Münsteraner Gruppe Taka Tun, die sich mit Kinderb der Essener Antoniusschule verstärkt hat. Die Kinder sind mit Eifer dabei und haben offensichtlich Spaß, einmal richtig draufzuhauen. Musikalische Unterhaltung gibt es übrigens zuhauf an der Strecke, an knapp 10 Stellen werden wir durch flotte Rhythmen auf Trab gehalten. Ansonsten ist das Zuschauerinteresse eher zurückhaltend, außer den Angehörigen der Teilnehmer sind nur Spaziergänger unterwegs.

Es wird nun ruhiger auf der Strecke, die durchgehend asphaltiert ist. Eine starke Mauer rechts erinnert an die Zeit, an der hier noch Schienen lagen und das ansteigende Gelände abgestützt werden musste. Denn die Gegend hier ist keinesfalls flach, in den umliegenden Hügeln könnten einige trailige Höhenmeter erlaufen werden. Wir bleiben brav auf der fast topfebenen Strecke. Bald passieren wir das Start-Ziel-Gelände und starten in die erste Runde, zu deren Beginn wir wieder versorgt und von der nächste Percussion Band, Pentaton aus Wuppertal, unterhalten werden.

 

See-Südseite

 

Kaum sind die Töne von Pentaton verklungen, erwarten uns die nächsten Drummer an der Brücke über die Ruhr. Jetzt müssen wir etwa 1 km durch für den Verkehr abgesperrte Straßen von Essen-Werden laufen, eine Gruppe von Anwohner feuert uns lautstark an. Solche Abschnitte sind selten,  überwiegend folgen wir dem Seeuferweg. Bei km 10 sehen wir das Wehr, welches den Baldeneysee aufstaut. Von 1931-1933 wurde die Staumauer erbaut und aus dem Ruhrtal wurde so der Baldeneysee. Ein kurzer Anstieg am Wehr bleibt uns nicht erspart, schon haben wir das höhere Seeniveau erreicht.

Erneut eine Drumband, deren Musiker offensichtlich trotz des gerade etwas trüben Wetters gute Laune haben und wir erreichen bei Kilometer 12 die nächste Verpflegung. Erstaunlich gut bestückt ist der Tisch mit Eigenverpflegung, dabei ist die Veranstalterverpflegung wirklich gut und ausreichend. Etwas versteckt liegt kurz danach linker Hand Haus Scheppen, ein ehemaliger adliger Lehnshof, an ein Wasserschloss erinnernd. Hier dümpeln, geschützt etwas abseits des Sees, zahlreiche Segelboote. Nur wenige sind heute noch auf dem See zu sehen.

 

 

Nach Haus Scheppen folgen drei ruhige Kilometer, links der See, rechts der Wald, keine Ablenkung. Außer, wenn die Hespertalbahn fährt. Früher eine Zechenbahn, die die Zeche Pörtingsiepen nahe Haus Scheppen mit dem Essener Stadtteil Kupferdreh verband. Jetzt eine Museumsbahn, die heute sogar in Betrieb ist. Leider ist die Dampflokomotive nur zu hören, aber nicht zu sehen.

Linker Hand schippert das Fahrgastschiff „Stadt Essen“  – heute ist der letzte Tag der Saison und entsprechend viele Fahrgäste nutzen das Schiff. In Kupferdreh angekommen werden sie wie ich Zeuge, wie der führende Läufer mit Riesenschritten auf seiner zweiten Runde dem Ziel entgegenstrebt, er hat knapp 35 km hinter sich, ich gerade mal 17.

 

See-Nordseite

 

Nach der nächsten Verpflegung in Kupferdreh geht es über eine moderne Straßenbrücke wieder auf die Nordseite, dort laufen wir durch den Stadtteil Heisingen. Davon sehen wir aber nicht viel, weil wir wieder auf der alten Bahntrasse der Ruhrtalbahn unterwegs sind, die links und rechts dicht bewachsen ist, fast wie ein Tunnel.

 

 

Danach wird „Rabatz“ gemacht, so sagt man im Ruhrgebiet, wenn jemand Krach macht. „Rabatz“ macht aber keinen Krach, sondern ist eine Essener Brass-Band, die gekonnt aufspielt. Nicht mehr weit und wir erreichen bei der Halbmarathonmarke  wieder die anfangs gelaufene Wendepunktstrecke und folgen dieser bis zum Start-Zielgelände. Kurz zuvor werden die schnellen Läufer schon zum Ziel geleitet, ich habe noch eine Runde vor mir.

 

 

Zweite Runde

 

Es wird einsam am See, nur wenige Läufer sehe ich vor und hinter mir, dafür immer mehr Spaziergänger, denn die Sonne kommt gelegentlich raus und sorgt für angenehme Temperaturen.  Und es bleibt heute trocken, zeitweise war viel Regen vorhergesagt worden. Zum Teil hat es sich wohl schon in der Nacht abgeregnet, wie zahlreiche Pfützen noch zeigen. Auf der zweiten, nun langsameren, Runde ist mehr Zeit, sich der Umgebung zu widmen, wie den zahlreichen Segelanlegern, oder nochmals Haus Scheppen, diesmal schön von der Sonne angestrahlt.

 

 

Vor Kupferdreh überspannt die eindrucksvolle Fachwerk-Brücke der Ruhrtalbahn den See, auch hier wäre bereits eine Seeüberquerung möglich, aber nicht beim Baldeneysee Marathon. Ebenfalls aus Fachwerk ist das Bahnstellwerk in Essen-Kupferdreh gebaut, welches wir neben der extra für uns abgesperrten Straße sehen. Im Grund könnte die Sperrung der Straße schon jetzt aufgehoben werden, die wenigen Läufer passen hier bequem auf den Bürgersteig. Nochmals geht es über die östliche Brücke, und dann begeben wir uns endgültig in Richtung Ziel, welches aber noch 7 Kilometer entfernt ist.

 

Schlussspurt

 

Bevor ich spurte, nehme ich mir noch Zeit, den Schacht 1 der Zeche Carl Funke zu fotografieren, ein typisches Nietgerüst aus den frühen zwanziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts. In der zweite Hälfe des Jahrhunderts war der Kohlebergbau im Süden des Ruhrgebietes unwirtschaftlich geworden und so wurde die Zeche Carl Funke bereits 1973 geschlossen, bergmännisch sagt man „abgeteuft.“ Der Förderturm blieb aber erhalten. So hat sich das südliche Ruhrgebiet mit Seen, Wälder und Hügeln zu einem Freizeitparadies mit Industriedenkmälern entwickelt.

 

 

Am See zurück kann ich in der Ferne bereits das Regattagelände zu erkennen, noch 3 Kilometer. Etwas versteckt liegt linkerhand das dem See den Namen gebende Schloss Baldeney, das zugehörige Dorf musste dem See weichen. Dann ein letztes Mal am Ufer entlang und der Zielbereich ist schon zu sehen.

 

 

Aber wir biegen nicht ab, laufen stattdessen am Zielbereich vorbei, machen erst am Ende kehrt und laufen zurück. Wer hat sich denn diese Gemeinheit ausgedacht? Egal, zum Schluss gibt es eine schöne Medaille, die auf der Rückseite an das 90-jährige Jubiläum des Baldeneysees erinnert. Und ich freue mich, dass ich heute eine halbe Stunde schneller war als vor drei Wochen beim Berlin-Marathon.

 

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