Kennt das nicht jeder Marathonläufer? Ich mache Urlaub in einer Gegend die so schön ist, dass sich dort ein Marathon wünscht. Doch leider, Fehlanzeige. Dies ging mir 2004, als ich in Mihla am westlichen Rande des Hainich ein paar Tage Erholung genoss. Selbst meine bessere Hälfte war dieser Meinung, und das will schon was heißen. Aber was nicht ist, kann ja noch werden und so kam 2018 nach Vollendung des Radweges zwischen Treffurt, Creuzburg und Mihla der ersehnte Marathon zustande. Außerdem werden noch ein Halbmarathon und eine 4er Staffel angeboten.
Klar, ich bin von der Idee begeistert und beschließe gleich, nachdem ich erstmals von dieser Veranstaltung erfahren habe, bei der Premiere dabei zu sein. Da die Anfahrt nur etwa 2 Stunden in Anspruch nehmen wird, breche ich am Sonntagmorgen gegen 7 Uhr auf. Ich genieße die Morgenstimmung mit dem Nebel über den Feldern. Die Sonne erhebt sich langsam in den fast wolkenlosen Himmel. Es wird ein sonniger Tag werden. Die Vorfreude auf den Lauf wächst.
Kurz vor 9 Uhr erreiche ich die Normannsteinhalle in Treffurt. Die namensgebende Burg thront auf dem Bergkamm dahinter. Wegen der leider geringen Voranmeldungen von etwas mehr als 100 Startern bekomme ich umgehen meine Startnummer und den Zeitmesschip. Das gute Wetter sorgt noch für einige Nachmeldung. Letztlich werden 75 Läuferinnen und Läufer das Marathonziel erreichen.
Ich habe noch eine gute Stunde Zeit und lasse mich vom bereits eröffneten Kuchenbuffet verführen. Schnell noch etwas Kraft tanken. Am Tisch komme ich mit Gernot ins Gespräch, er organisiert den Bilsteinmarathon, von dessen Qualitäten ich mich bei meiner Teilnahme an der Deutschen Meisterschaft im Ultramarathon 2016 überzeugen konnte. Zum Jubiläum im kommenden Jahr wird sogar ein 100 Kilometerlauf angeboten werden. Vielleicht werde ich diese Strecke dann mal wieder angehen, wer weiß?
Heute steht erst einmal die Premiere im Werratal im Vordergrund. Die Sonne lockt mich frühzeitig ins Freie. Noch ist die Temperatur recht frisch, daher ideal zum Laufen. Der Start befindet sich wenige Hundert Meter entfernt in der Uferstraße. Bevor wir auf die Strecke gelassen werden, erfahre ich, dass der Startplatz in den kommenden Jahren zwischen den drei Hauptorten des Laufes wechseln wird. Eine interessante Überlegung, die Abwechslung verspricht.
Jetzt der Countdown - das Werratal hat eine neue Laufveranstaltung und ich darf die Strecke „testen“. Bereits nach wenigen Metern quere ich erstmals die Werra, drei weitere Male werden im späteren Verlauf noch folgen. Doch das wird noch dauern, denn erst kurz vor Creuzburg werden wir wieder auf den Fluss treffen. Vorbei an idyllischen Schrebergärten leitet die Strecke die Läuferschar nach Süden. Noch ist das kleine Feld dicht beisammen, doch das wird sich schnell ändern. Der Läufer vor mir beeindruckt mich mit seinem T-Shirt: 35 Mal hat er beim Rennsteig bereits die Supermarathonstrecke bewältigt. Ich freue mich auf den Mai, dann bin ich auch wieder dabei und werde berichten.
Auf dem ersten Viertel der Strecke werde ich den Großteil der ausgeschriebenen positiven 330 Höhenmeter zu bewältigen haben. Bereits kurz hinter Treffurt beginnt die Steigung sanft, so dass ich in einen lockeren Laufrhythmus finde. Die vor mir laufende Dame ist in Fahrradbegleitung, wenigstens ohne Akku. Nach wenigen Kilometern führt die Laufstrecke von der begleitenden Straße ab. Im Westen fällt ein markanter Bergrücken ins Auge, die Hüneburg. Erste Siedlungsspuren stammen aus der vorrömischen Eisenzeit. Bekannter ist sie allerdings aus der jüngeren Geschichte, da hier zu DDR-Zeiten ein Horchposten der Staatssicherheit eingerichtet war. Doch daran möchte ich jetzt nicht denken.
Mittlerweile laufe ich mit Gunter und Jörg zusammen. Letzterer hat unsere Seite auch schon mit ein paar Berichten bereichert. Gemeinsam erreichen wir kurz vor KM 5 Schnellmannshausen. Angelegt als Straßendorf bekommen wir sehr viel von der Ortschaft zusehen. Auch von den Einwohnern, die uns hier zahlreich anfeuern. Prozentual sind es bestimmt mehr als in Berlin, wie Jörg mir versichern kann. Vorbei geht es auch an der Kirche aus dem 18. Jahrhundert. Die umgebende Mauer lässt sie etwas abweisend erscheinen. Wenn es sich bei dieser Kirche, wie es zu vermuten ist, um eine Wehrkirche handelt, hat sie damit ihren Zweck erfüllt. Ich mache mich jedenfalls schnell davon. Das weite Tal, das mich am Ende des Dorfes erwartet, ist sehr viel einladender, auch wenn es weiter leicht hinauf geht. Die nette Unterhaltung lässt die Anstrengung vergessen.
Der Hof Schrapfendorf bietet weitere Abwechslung, bis Volteroda durchlaufe ich noch das Schnellmannshauser Tal. Im Ort selbst erwartet uns die zweite Verpflegungsstation. Die gut gelaunte Helferschar empfängt uns mit Wasser und Cola. Die Stärkung kommt genau richtig, denn am Ortsausgang wartet die anstrengendste Steigung des Tages. Noch bevor ich den höchsten Punkt erreiche, liegen bereits 10 Kilometer hinter mir. Und das nach einer knappen Stunde. Ich bin zufrieden mit meiner Leistung. Weiter geht es am Hang entlang in Richtung Westen. Im Tal wartet bereits Ifta mit der nächsten Verpflegung. Am gegenüberliegenden Hang erinnert ein weißer Wachturm daran, dass hier bis zum Ende des kalten Krieges die innerdeutsche Grenze verlief. Gut, dass diese Zeiten vorbei sind und ich diese schöne Gegend laufend erleben darf.
Auf dem Weg hinunter in der Ort verliere ich die meisten der gerade erst gewonnenen Höhenmeter. Auch hier feuern mich die Zuschauer an. Den Hinweis, das Handy wegzustecken überhöre ich, schließlich handelt es sich hier um meine Kamera und die wird noch dringend beenötigt. An der Verpflegungsstelle warten nicht nur die Helfer, sondern auch Staffelläufer, die entweder ihre Aufgabe schon hinter oder noch vor sich haben. Gunter und Jörg verliere ich hier und mache mich auf den Weg entlang der Ifta in Richtung Creuzburg. Allein auf freiem Feld genieße ich die Sonne und das Gezwitscher der Vögel, die lautstark den Frühling begrüßen.
Als der Weg mich in Richtung Flussbett führt, erblicke ich einen Landschaftspark. Dieser wurde von der Firma Polmeier in Auftrag gegeben und vom Belgier Peter Wirtz entworfen. Leider führt die Strecke nur daran vorbei, aber auch so beeindruckt mich der der abwechslungsreiche Park tief. Die Schönheit ist aber nicht nur mir aufgefallen, auch Burkhard versucht den Anblick mit seiner Handykamera festzuhalten. Er klärt mich darüber auf, dass wir gerade auf einem ehemaligen Kolonnenweges laufen. Solche Wege führten zu DDR-Zeiten an der innerdeutschen Grenze entlang.
Creuzburg ist jetzt ganz nah. Die namensgebende Burg habe ich schon seit ein paar Kilometern im Blick und zieht mich magisch an. Erbaut wurde sie bereits im 12. Jahrhundert und ist als Schwesterburg der Wartburg bekannt. Elisabeth von Thüringen, besser bekannt als heilige Elisabeth, hielt sich hier bevorzugt auf. Ihre Barmherzigkeit hat ihrem Mann gar nicht behagt und als sie einmal Brot in einem Korb zu Armen bringen wollte, stellte sie ihr Mann. Auf die Frage was sie bei sich habe, erwiderte sie: Rosen, die sie dann tatsächlich auch vorweisen konnte.
Über meine Versorgung brauche ich mir heute keine Sorgen zu machen, denn noch bevor ich Creuzburg wieder verlasse, warten Speis und Trank auf mich. Burkhard will langsamer machen. Ich will versuchen, mein Tempo zu halten und mache mich deshalb allein auf den weiteren Weg. Ich quere die Werra zu zweiten Mal über die imposante Steinbrücke aus dem Jahr 1223. Am gegenüberliegenden Ufer erwartet mich die Liboriuskapelle, im Mittelalter ein angesehener Wallfahrtsort. Der Namensgeber war Bischof von Le Mans. Die Überführung seiner Gebeine nach Paderborn im Jahr 836 war Grundlage für die erste Städtefreundschaft Europas.
Für mich geht es nach Umrundung der Kapelle weiter nach Norden. Ich folge dem Werratalweg die nächsten etwa 8 Kilometer, immer dem Fluss entlang. Abwechselnd habe ich die schroffen Felsen, die das Tal einrahmen, rechts und dann wieder links von mir. Die Werra hat hier den Kalkstein ausgewaschen und die Nordmannsteine und die Ebenauer Köpfe wie Kunstwerk der Natur hinterlassen.
Im schattigen Wald überquere ich die Halbmarathonmarke, die extra gekennzeichnet ist. Mit etwas über zwei Stunden bin ich immer noch gut unterwegs. Um die nächste Flussbiegung erwartet mich Buchenau mit einer weiteren Verpflegungsstelle. Die Staffeln wechseln hier zum zweiten Mal. Weiter geht’s nach Mihla. Doch bevor ich die Schönheit des Ortes genießen und in Urlaubserinnerungen schwelgen kann, folge ich der Strecke nach links zur nächsten Werraquerung. Hier hat der Fluss schon eine ordentliche Breite erreicht. Gleich hinter der Brücke nehme ich die nächste Steigung in Angriff, mit etwa 28 Kilometern in den Beinen flott marschierend. Am Ende der Steigung gibt es eine willkommene Stärkung.
Die Werra macht jetzt einen Bogen, die Strecke jedoch verläuft jedoch auf einer Abkürzung direkt in Richtung Norden. Dann folgen wir wieder dem Fluss. Kurz vor KM 30 gabelt sich der Weg. Ich folge dem Radweg nach links, die letzte Flussquerung muss noch warten. Dreiviertel des Marathons habe ich jetzt hinter mir, und das nach knapp 3 Stunden. Da bin ich doch frohen Mutes, dass es so weiter geht.
Der Radweg führt abwechslungsreich durch das Tal, das Profil ist wellig. Aus dem Wald ist man jetzt heraus, Wiesen prägen die finalen Kilometer. Bei KM 32 laufe ich ein letztes Mal unspektakulär über die Werra. Die jungen Blätter schmücken die Wälder. Alles erstrahlt in hellem Grün. Ich genieße den Frühling. Nur ein frischer Gegenwind macht mir etwas zu schaffen. Ich stemme mich dagegen und erreiche Frankenrode, wo die Schlussläufer der Staffeln auf die Strecke gehen. Ich werde nicht nur körperlich, sondern auch geistig erfrischt. Schmucke Fachwerkhäuser säumen die Straße. Rechts grüßt die Kirche St. Katharinen, deren ältester Teil der Turm aus dem Jahr 1704 ist. Ziemlich alt. Nicht ganz so alt komme ich mir plötzlich vor. Bis zum Ortsausgang lasse ich mich noch von den Zuschauern antreiben, aber dann ist Schluss. Immer öfter muss ich gehen. Ans Laufen komme ich die letzten Kilometer wenig. Nach vorne werde ich keinen Platz mehr gut machen und von hinten kommt auch niemand. Also lieber die schöne Strecke genießen und gesund und munter ankommen.
Abwechslungsreich bleibt die Strecke. Ich komme durch Probsteizella. Lange Zeit gehörte die Probstei Zella zum Erfurter Peterskloster. Im 30jährigen Krieg war es zwischenzeitlich im Privatbesitz des schwedischen Stadtkommandanten von Erfurt. Überhaupt ist im Werratal viel passiert. So soll an der Felskanzel, die ich kurz darauf passiere, Thomas Müntzer im Bauernkrieg von 1525 zum Aufstand aufgerufen haben.
Von hinten nähert sich eine Läuferin und weckt meinen Ehrgeiz. Tatsächlich schaffe ich noch einmal einen Kilometer laufend. Doch bis nach Falken, das jetzt im Tal vor mir liegt, reicht es nicht ganz. Die Aussicht auf die letzte Labe vor dem Ziel hält mich aufrecht und ich hoffe, dass Cola und Bier mir den nötigen Schwung bis ins Ziel verleihen. Nichts ist, auch Gunther muss ich noch ziehen lassen, als er r mich am Ortsausgang überholt. Immerhin kann ich nach kurzen Gehpausen immer wieder anlaufen. Nur noch wenige Kilometer trennen mich vom Ziel, Treffurt ist schon in Sicht. Laufen tu ich nur noch für das Publikum, das bevorzugt auf Rädern unterwegs ist. Glücklich erreiche ich das Ziel
Auch wenn ich es heute zum Schluss etwas schwer hatte, möchte ich diesen Lauf auf keinen Fall missen. Zu jeder Zeit ist zu spüren, dass er mit Herzblut von Läufern für Läufer veranstaltet wird. Gute Aussichten für die nächsten Ausgaben, dann hoffentlich mit mehr Teilnehmern.
Sieger Marathon:
Damen
1. Birgit Schwartz-Reinken, 3:28:42
2. Marie Brückner, 3:29:38
3. Beate Ernst, 3:45:15
Herren
1. André Skrowny, 2:59:48
2. Johannes Fritsch, 3:03:59
3. Sebastian Meyer, 3:05:40
Streckenbeschreibung:
Kurs über eine Runde.
Zeitnahme:
Tansponder
Startgeld:
Marathon: 30,00 €, Nachmeldung zzgl. 5,00 €
Auszeichnungen:
Medaille, gedruckte Ergebnisliste, Urkunde über das Internet.
Verpflegung:
12 Verpflegungs- und Erfrischungspunkte an der Strecke und Verpflegung im Ziel. Gereicht werden Tee, Wasser und Cola. Dazu Bananen- und Apfelstücke, Kekse und Salzstangen.
Zuschauer:
immer mal wieder an der Strecke, besonders aber an den Wechselstellen und im Ziel.