Düsseldorf, Hauptstadt des bevölkerungsreichsten Bundeslandes Nordrhein-Westfalen, 592.000 Einwohner, am Rhein gelegen. Warum ich das hier schreibe? Weil es mindestens zwei Marathonläufer aus dem Süden der Republik gibt, die Düsseldorf noch nicht kennen. Da der Marathon aber im In- und Ausland fleißig Werbung macht, weiß ich, dass mich ein toller Citykurs erwartet.
Wir erwischen genau den Temperatursturz. Am Freitag war es noch richtig schön warm. Einen Tag später müssen wir wieder den Schal anziehen. In Düsseldorf angekommen, ist die Marathonmesse unser erster Anlaufpunkt - direkt am Rhein gelegen, hinter dem Kulturforum Ehrenhof aus den 1920er-Jahren. Überschaubar, keine Wartezeiten.
Auf der Messe finde ich dann noch das schon lange ausgelaufene Modell meiner Wettkampfschuhe zu einem günstigen Preis. Glück gehabt. Pasta-Party gibt es keine, aber die berühmte Düsseldorfer Altstadt mit der „längsten Theke der Welt“ ist ganz in der Nähe. Das Informationsbüro der Stadt hat uns mit einigen sehr guten Broschüren versorgt, aus denen hervorgeht, dass das mit der „längsten Theke“ nur im übertragenen Sinne zu verstehen ist. Also die höchste Kneipendichte. Am Rathaus stehe ich endlich mal live vor dem Standbild von Kurfürst Jan Wellem. Den kenne ich gut von den Übertragungen des Düsseldorfer Rosenmontagszugs. In den Straßen ist viel los: Gerade spielt Fortuna Düsseldorf gegen den BVB. Gut, dass wir vor dem Ende der Partie das Weite suchen.
Der Marathon
Im Startpreis ist auch die Freifahrt mit den öffentlichen Verkehrsmitteln enthalten. Pünktlich um 7:54 Uhr wäre unsere Tram gefahren. Aber eine Düsseldorferin klärt uns auf: Die Oberflächenverkehrsmittel fahren erst ab ca. 16:00, es ist Marathontag. Also ein Spaziergang zur Rheinufer-Promenade. Dort auf dem Burgplatz im Zielbereich gibt man die Kleiderbeutel ab.
Am Rhein entlang geht es 1 km zum Startbereich an den Rheinterrassen. Endlich mal mit einer sinnvollen Aufstellung direkt am Startblock; das habe ich bislang nur selten erlebt. Man kann also noch mal kurz rausspringen. Den Start der Handbiker und Einradfahrer verpassen wir. Dafür fällt auf, dass es wirklich viel Platz im Startbereich gibt. Die 14.000 Teilnehmer teilen sich in mehr als 3000 Marathonis (2965 Finisher) und über 2000 Staffeln. Die Staffeln sind eine Stunde nach uns dran. Vor 9:00 Uhr legen die Einradfahrer los. Ja, richtig gelesen. Hier gibt es auch einen Einrad-Marathon. Das sind die Räder, auf denen man in unseren Straßen meist junge Menschen balancieren sieht. Hier ist der Radumfang größer. Die 21 Radlerinnen und 62 Radler bewältigen die Strecke in schnellstens 1:27:54 (Christoph Hartmann) und 1:41:38 (Nadine Wegner)
Danach unser Marathonstart. Die Cheerleader sehen nur die Läufer in der ersten Reihe. Die Cecilienallee ist sehr breit, sodass wir zügig und ohne Gedränge loslaufen können. Die Bäume an der Straße sind in Düsseldorf schon frühsommerlich grün, die Kirschblüte ist in vollem Gange.
Versuche einen Witz zu machen und frage laut, wie wohl der große Fluss heißt, an dem wir jetzt entlang laufen. Diese Bemerkung kommt nicht so gut an. Ich habe auf einmal noch mehr Platz zum Laufen.
Wir stoßen auf Joe K. Ich hätte mich gerne ein wenig über seine Wüsten-, Schnee- und sonstigen Läufe unterhalten. Aber da bin ich nicht der Einzige und so lasse ich ihn lieber mit der Blonden allein. Einen Mitläufer, der mir die Zunge rausstreckt, halte ich prompt im Bild fest. Das sind oft die nettesten Motive. Die Rotterdamer Straße führt rheinabwärts in Richtung Flughafen. Am Messegelände geht es nach rechts in die Vorstadt. Am Nordpark kommen wir zum Aquazoo mit der ersten Verpflegungsstelle. Die ist wie alle anderen ausreichend groß und gut bestückt. Erst erhalten wir Wasser, später immer wieder auch Iso-Getränke und Bananen. Ab km 26 gibt es auch drei Stände mit Gel und Cola. Natürlich auch Toilettenhäuschen. Nette Helferinnen und Helfer versorgen uns bestens.
Kurze Zeit später laufen wir wieder am Rhein in Richtung Zentrum. Hier haben sich bereits früh am Morgen viele Zuschauer eingefunden. Am Hofgarten ist der grüne Teil vorbei. Jetzt wird’s wieder städtischer. Das ist typisch für Düsseldorf und hat folgenden Hintergrund:
Im Jahr 1924 gab es in Düsseldorf bereits einmal eine Marathon-Meisterschaft. Der vorerst letzte Lauf über 42 km fand dann 1961 statt. Anlässlich des New York Marathons und der Bewerbung des Ruhrgebietes für die Olympischen Spiele trafen sich Jahre später der 2008 verstorbene Oberbürgermeister Joachim Erwin und der Langlauf-Enthusiast Jan Winschermann, um Möglichkeiten zu besprechen, den Düsseldorfer Marathon wiederzubeleben.
Winschermann skizzierte eine Strecke am Rhein in Richtung Kaiserswerth, was Erwin aber überhaupt nicht gefiel und laut „Westdeutscher Zeitung“ sagte: „Wenn wir schon so etwas veranstalten, dann legen wir den Verkehr in der Stadt so richtig lahm, sonst merkt es überhaupt keiner, dass in Düsseldorf ein Marathon stattfindet.“ Erwin holte einen Straßenplan hervor und zeichnete den möglichen Streckenverlauf ein, der fast das gesamte Stadtgebiet umfasste. Gesagt, getan. So kam es 2003 zu r ersten Neuauflage des Marathons in Düsseldorf. Joachim Erwin war auch dabei.
Und heute freue ich mich über 42 Stadt-Kilometer und wünsche mir, dass andere Städte auch den Mut haben, noch mehr Sightseeing in die Laufstrecken zu integrieren.
Bei km 9 kommen wir am schönen Schloss Jägerhof vorbei. Dann begegnen wir den Einradfahrern, die uns 12 km voraus haben. Wir laufen an tempelartigen Gebäuden vorbei, bei denen es sich um das klassizistische „Ratinger Tor“ handelt. Jetzt geht es auf die Oberkasseler Rheinbrücke. Hier an der Tonhalle feuern uns natürlich besonders viele Zuschauer an. Kein Wunder, liegen doch Start und Ziel gleich in der Nähe. Es geht zum linksrheinischen Stadtteil Oberkassel. Auf der Brücke kommt uns die Spitzengruppe der Männer entgegen, kurze Zeit später auch die führende Läuferin.
Wir haben einen wunderschönen Blick von der Brücke auf die lange Luegallee mit der bunten Läuferschar und den interessant zugeschnittenen Platanen. Ich hoffe, dass die auch noch Blätter bekommen, wie die Kastanien auf dem Barbarossaplatz. Das muss auf jeden Fall eine lokale Spezialität zu sein, denn woanders habe ich das noch nie gesehen. Die U-Bahn kann hier oberirdisch fahren. Am Ende der Straße geht’s nach rechts. Wir machen jetzt quasi eine Runde am Rheinbogen entlang, um danach wieder hierher zurückzukehren.
Viele asiatische Familien schauen dem Treiben zu. In Düsseldorf leben ja besonders viele Japaner, das habe ich schon in der Schule gelernt. Die Stadt ist für japanische Firmen eine gute Adresse. Entsprechend zahlreich findet man japanische Restaurants.
Wir kommen am Ernst-und-Berta-Grimmke-Haus der AWO vorbei. Die Bewohner sitzen am Straßenrand und freuen sich über die Läuferinnen und Läufer. Eine gelungene Abwechslung für die Seniorinnen und Senioren. Ich erzähle ihnen, dass meine Mutter in München auch im AWO-Heim wohnt und dass sie mich auch immer beim München-Marathon anfeuert. Meistens weiß sie allerdings nicht so recht, was ein Marathon ist und warum ich so schnell wieder weiter muss. Auch jetzt muss ich Kaffee und Kuchen ablehnen.