Da ich es aus zeitlichen Gründen nicht schaffe, mehr als einen Marathon pro Jahr zu laufen, lautete meine Devise immer, dass ich in jeder Stadt nicht mehr als einmal laufe. Und nun doch wieder Düsseldorf, wo ich bereits 2004 das Pflaster zertreten habe. Ein Bruch mit Gewohnheiten? Nein. Denn auch in diesem Jahr wollte ich das Erlebnis einer solchen Veranstaltung mit anderen teilen. War es im vergangene das dreckige Dutzend, so waren es in diesem Jahr die 4 Phantastischen 4. 16 Autoren, die sich sonst ihre Finger an den Stiften brechen, konnten zur Teilnahme motiviert werden. Nach einem kurzfristigen Ausfall konnte ich bei ebay noch eine Ersatzläuferin „ersteigern“, die die anderen 15 bislang nur virtuell kannte, schließlich ist sie selbst auch Autorin.
Der Plan war eigentlich einfach. Jeder hatte ein Teilstück zu absolvieren und ab Kilometer 40 wollten wir uns alle zusammen finden und gemeinsam ins Ziel laufen. Das Motto für den Tag lautete einfach: Spaß haben.
Für einige meine Mitläufer war es das allererste Mal, dass sie auf der anderen Seite der Absperrung standen. Andere brachten vielfache Marathon-Erfahrung mit. Genauso gemischt war auch das Alter. Während unser Jüngster mit 26 auf der Strecke stand, hatte unser Ältester bereits die 70 überschritten.
Dementsprechend motiviert fiel das morgendliche Treffen aus und einigen war die Anspannung deutlich anzumerken. Das Wetter meinte es gut mit uns, da der Sonnenschein des Samstag an diesem Tag eine Ruhepause einlegte und bei gefühlten 15 bis 16 Grad eine gute Lauftemperatur herrschte.
Die erste Aufregung gab es bereits beim Start. Wir hatten uns am Apollo Theater getroffen und gingen von dort aus gemeinsam zu Start. Ganz gemütlich. Oder zu gemütlich? Als der Starter bereits den Countdown herunterzählte, schälte sich eine unserer Startläuferinnen gerade aus ihren Klamotten und schon musste sie dem Feld hinterher hetzen. Kaum war der Startschuss gefallen, zog es uns zum 1. Staffelwechselpunkt, wo es zum Come together zwischen Läufern und Fans kam, da eine weitere Mitautorin einen eigenen Fanclub für uns initiiert hatte.
Grundsätzlich sind die Staffelboxen relativ gut organisiert, da sich die Staffeln in Nummernblöcken aufhalten. Bei der Aufstellung der Schilder hat der Veranstalter aber wahrscheinlich an Kinder- oder Jugendstaffeln gedacht, denn die Nummern waren viel zu niedrig angebracht. Unser Senior erreichte als erster den Wechselpunkt. Trotz seiner mehr als 70 Jahre brachte er die ersten 8,5 Kilometer mit weniger als 6 Minuten pro Kilometer hinter sich. Das erste Mal in seinem Leben lief er mit einem Chip und sein Strahlen kannte keine Grenzen mehr. Unsere nächste Läuferin übersah uns ob der zu niedrigen Schilder und wühlte sich durch die Massen zu uns, um den Chip an unseren weißen Kenianer zu übergeben. Der dritte Wechsel funktionierte reibungslos und brachte die Startläuferin, die den Wettkampf ihres Lebens lief, ebenfalls zum Strahlen.
Dann folgte der letzte Wechsel, der einer der emotionalsten war, die ich bislang erlebt habe. Sie war durch einen schmerzhaften Fersensporn lange außer Gefecht gesetzt und hat sich lediglich durch Aquajogging fit gehalten. Nachdem sie im letzten Jahr bereits passen musste, wollte sie nun unbedingt dabei sein. Und so liefen die Tränen der Erleichterung und bei mir krabbelte dabei die Gänsehaut über den ganzen Körper. So etwas kann man nur in der Gemeinschaft einer Staffel erleben.
Dann ging es durch die Massen zum 2. Wechselpunkt. Diese Punkte sind vom Veranstalter klasse gewählt, da sie kurz auseinander liegen und man so ausreichend Zeit hat, alle in Empfang zu nehmen und weiter zu ziehen.
Bei Kilometer 20 war es dann auch für mich soweit, dass ich in den Lauf einsteigen konnte. Hier gab es bereits ein buntes Gemisch zwischen Staffel- und Einzelläufern und eine phantastische Stimmung entlang der Strecke. Wie immer, wenn das Adrenalin in den Körper schießt, lief ich viel zu schnell los und spürte schmerzhaft, dass mein Knie und ich im Augenblick unterschiedliche Auffassungen zum Thema Laufen haben. Aber da ich der Auffassung bin, das ich der Herr in meinem Körper bin, habe ich a la Geburtsvorbereitungskurs versucht, den aufkommenden Schmerz wegzuhecheln. Und dann konnte ich mich wieder auf den Lauf und die Zuschauer konzentrieren. Zur Sicherheit hatte ich eigene Klapp-Hands mitgenommen, schließlich muss auch das Publikum manchmal motiviert werden. Das war allerdings nur selten der Fall, häufig klatschten das Publikum und ich im Duett.
Eine der schönsten Passagen lag auf meinem Abschnitt. Als ich um eine Ecke bog, sah ich ein großes Transparent über der Straße „Super, ihr schafft es – Eure Fritz Wüst Straße“. Dahinter hatten hunderte, gefühlt Tausende, von Zuschauer ein Spalier gebildet und im Hintergrund hämmerte eine Jazz Band „Johnny, be good“. Wenn es einer Adrenalin Dusche bedurft hätte, hier ist bestimmt jeder auf seine Kosten gekommen.
Am Brehmplatz, kurz hinter der legendären Eissporthalle, war absolute Partystimmung und jeder wurde frenetisch nach vorne gebrüllt. Eine Kollegin wartete dort schon auf mich, um mir zur Stärkung eine Gerstenkaltschale zu reichen. Da ich auf einen nach mir losgelaufenen Staffelkollegen warten wollte, war auch noch ein zweites Kaltgetränk möglich. Aber immer noch war er nicht da, so dass ich beschloss, weiterzulaufen. Schließlich sollte der Brehmplatz von der anderen Seite noch einmal angelaufen werden. Nachdem ich hier erneut meinen Hopfen-Verpflegungspunkt erreicht hatte, wartete ich wieder und nur wenige Biere später kam mein Mitläufer und wir machten uns gemeinsam auf den Weg zum nächsten Staffelwechselpunkt.
Hier konnte ich mich meiner Verantwortung entledigen. Da meine Lauflust aber ungestillt war, schloss ich mich einfach unserer Schlussläuferin an. Im leichten Trab, was mein Knie absolut positiv bemerkte, machten wir uns auf und liefen in Richtung Bilk. Nicht lange und die hinter uns starteten Schlussläufer unserer anderen Staffeln überholten uns mit lauten Hallo. Genau wie geplant, denn nach meiner Hochrechnung sollten wir die letzten sein, die den Sammelpunkt bei Kilometer 40 erreichen. Und so tauchen wir in Bilk ein und weiter ging es in den Medienhafen, vorbei an den immer wieder imposanten Gehry Bauten. Immer wieder begleitet von Samba Trommeln und lauten Anfeuerungen. Als am GAP 15 „Simply the best“ aus dem Lautsprecher dröhnte, lief uns die Gänsehaut rauf und runter und es ging auf die Kö. Die letzten 2 Kilometer warteten auf uns. Und alle anderen 14 Mitstreiter und unser Fanclub. Ganz in schwarz gekleidet bildeten sie eine schwarze Mauer.
Ab hier liefen wir nun gemeinsam und genossen den letzten Teil in vollen Zügen. Nach 4:10 Stunden schob sich hinter einem großen Transparent diese schwarze Mauer zum Ziel. Und alle 16 erreichten gemeinsam das Ziel.
Ein solches Erlebnis mit anderen zu teilen, schafft einem eine ganz andere Perspektive und dabei gleichzeitig noch bisherige Nicht- oder Wenigläufer zu einem solchen Event zu bringen, schafft eine besondere Art der Zufriedenheit. Ich fühle mich, als wenn ich vier Mal diesen Marathon gelaufen wäre.
Bilder:
1. Das erste Mal am Brehmplatz
2. Die zweite Gerstenkaltschale geht auch noch
3. Die 14 wartenden bei Kilometer 40
4. Läufer und Fans vereint
5. Die letzten 2 Kilometer
6. Meine 15 Mit-Helden
Bilder: 1+2 Kerstin Ewers, 3-6 Birgit Stenger/Actiondates