Wer lässt mich denn da am Dessertbuffet vor ? Das ist doch der Iaroslav Musinschi aus Moldavien! Mann! Hat der Halsmuskeln! Braucht der die zum Atmen? Nein, wie mir Hennes sonntags sagte, hat Iaroslav bei fast jeder Wasserstelle getrunken, also braucht der die zum Trinken. Also muss ich jetzt meine Halsmuskeln trainieren. Nunja. Iaroslav Musinschi wird morgen vor mir im Ziel sein, gewinnen, und neuen Streckenrekord aufstellen, das liegt wohl am perfekten Trinken, aber er hat mich am Dessertbuffet vorgelassen!
Und ich denke, jetzt beginnt die „Pressekonferenz,“ weil der Christoph Kopp erscheint, der für die Topathleten zuständig ist, und Research, Verträge, Betreuung und so macht. Da stellt der uns doch diese Spitzensportler exlusiv vor! Nix mit Pressekonferenz, das ist alles nur für uns! Nur für uns 25 Hobbyathleten! Topläufer zum Anfassen! Ich schmeiss mich weg! Das ist doch unglaublich!
Hennes läuft den ganzen Abend mit einer riesigen Stadtkarte rum, in der Größenordnung, wie sie früher bei uns im Klassenzimmer hing. Letztes Jahr noch zuverlässiger Pacemaker, fällt er verletzungsbedingt dieses Jahr aus, aber er wird den Führungswagen fahren. Wie er in den Smart reinpasssen soll, ist mir ein Rätsel. Er sorgt sich, dass er die blaue Linie in dem für morgen angesagten Regen nicht erkennen kann. Dann erzählt er von der fülligen Frau, die sich letztes Jahr von der Begeisterung der Marathonläufer hat mitreissen lassen, und sich spontan für den Marathon angemeldet hat. Den Chip hatte sie in der Tasche, ab Km 3 ist sie gegangen, und bei km 8 ist sie bewußlos zusammengebrochen. Klasse, was man alles in Düsseldorf erleben kann!
Als uns Carsten Eich runter zu Bar führt, brauche ich ein Lungenbrötchen. Und, wer erwischt mich da bei meiner sündigen Tätigkeit? Die Luminita Zaituc! Nein, sie läuft morgen nicht den Marathon, sie läuft die Staffel. „Staffel??“ frage ich. „Ja, Staffel“ , und das ist mal wieder Kontakt zu den Hobbysportlern: Es wurden Plätze in der Promistaffel unter den Staffelteilnehmern verlost. Absolut geniale Idee!
Sie schaut auf mein Biel-Finisher-Shirt, nein, das würde sie nie schaffen, drei Marathons im Jahr ist genug. Ich erkläre ihr was der Rennsteig ist, und dass unsere Weltrekordlerin Sigrid ihren 1500ten Marathon nächste Woche am Rennsteig läuft. Luminita hört zu, wir beide betreiben eine andere Sportart sage ich, sie ist interessiert, sie ist richtig nett, ich bin begeistert, und dann entschwindet sie für ein kleines Trainingsläufchen Richtung Rheinufer.
Und an der Bar steht Carsten Eich, trinkt Wasser und unterhält sich mit uns, als wäre er auch ein Hobbyläufer. Einfach klasse!
In der Nacht kann ich nicht schlafen. Ich bin total überdreht. Ich war mit der Laufelite auf Tuchfühlung! Das war ganz, ganz großes Kino! Wie kann der morgige Marathonsonntag diesen Abend noch toppen?
Nein, der Sonntag kann den Samstag nicht mehr toppen. Ich fasse mich deswegen ganz kurz:
Ich stehe am Start. Ich bin müde, habe keine Ambitionen, ich werde nie ein Topläufer sein, ich werde nie auf dem Treppchen stehen. Aber dann sind da die Handbiker und die Einradfahrer und die Kinder, die nun erst loslaufen, weil der Zug Verspätung hatte. Und dann ist der Sprecher, die Musik , die Menschen, der Michèl, die Frau des Ministerpräsidenten, die den Startschuß gibt, diese besondere Atmosphäre, und dann passiert es wieder: es läuft mir plötzlich ganz kalt den Rücken runter. Ich bin noch unentschlossen, aber irgendwas reisst mich heute mit, es ist Düsseldorf!
Ab km 15 überholen uns die ersten Staffelläufer. Die Ersten machen noch Unruhe, aber dann bin ich erstaunt wie problemlos das Miteinander läuft. Die Wechselstellen sind vorbildlich abgetrennt und ich bin das erste Mal erfreut über Staffelläufer, ja, ich lasse mich mitreissen, werde wach, passe mich an deren Tempo an, soweit es geht, ja das macht Spass, ja es geht!
Ja, ich bin plötzloch wach! Ich habe mit den Spitzenläufern an einem Tisch gesessen, es darf nicht sein, dass diese heute doppelt so schnell laufen wie ich! Immer wenn ich überlege, dass ich mich für meinen Doppelultra am nächsten Wochenende schonen müsste, und langsamer werde, dann denke ich an den gestrigen Abend und klemme die Beine unter die Arme.
Vorwärts, vorwärts! Ich beende diesen Marathon locker und fröhlich mit einem Kompromiss von Schonung und Anstrengung in 4:02.
Perfekte Organisation.
Ganz, ganz großen Dank an Jan, Christoph und Hennes. Dieser Marathon bleibt unvergesslich! Sicherlich kann nicht jeder Hobbyläufer so spitzenmäßig betreut werden, aber wenn das hier Schule macht, dann schmeiss ich mich weg!
Siegerliste
Marathon Männer
1 Iaroslav Musinschi (MD) 02:08:32
2 Andrej Toptun (UA) 02:12:08
3 Pawel Ochal (PL) 02:13:23
4 Falk Cierpinski (DE) 02:17:18
Frauen
1 Natalya Volgina (RU) 02:30:47
2 Volha Salevich (BG) 02:31:41
3 Svetlana Semova (D) 02:33:31
4 Melanie Kraus (DE) 02:36:00