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Laufberichte

„Ach wärst du doch in Düsseldorf geblieben….

 
Autor: Joe Kelbel

….schöner Playboy. Und er setzte sich aufs Pferd, doch das Pferd war verstört, und  der Herr aus Germany flog in die Prärie.“ - Songtext von Dorthe aus dem Jahr 1968.

Nach den enttäuschenden Läufen in der Pampa von Patagonien und in der Häuserwüste von Agadir freue ich mich auf eine perfekte Organisation in einer perfekten Stadt.

Vor dem Lauf kann man sich seine Startnummer noch am Burgplatz abholen. Erkennen kann man den Platz am Schlossturm. Es ist der Rest des Düsseldorfer Schlosses, das im 13. Jahrhundert vom Grafen von Berg auf einer Mündungsinsel der Düssel erbaut wurde. Nicht die Düssel, sondern ein Brand hat das Schloss 1872 zerstört. Die Düssel, es gibt derer vier im Stadtgebiet, mündet in einem Rohr direkt unterhalb des Schlossturmes.

 

 

Der vor dem Schlossturm liegende Burgplatz hat seinen Namen von der Zollburg, die noch vor dem Schloss hier stand. Den Wegezoll für den Marathon hat man online entrichtet. Am Lauftag werden die Startnummern durch schmale Fenster eines nostalgischen, gelben Busses gereicht.

Auf dem Burgplatz steht der Radschlägerbrunnen, den ich vergesse zu fotografieren, weil ich mich heute auf den Lauf konzentriere. Über die Herkunft des Radschlagens gibt es einige Legenden. Tatsache ist, dass Kinder hier am Ufer Rad schlugen, um sich Kleingeld von den Schiffsreisenden zu verdienen.

Radschläger gibt es am Startgelände nicht, und auch sonst keine Aufgeregtheit. Gut, es finden hier zum fünften Mal die Deutschen Meisterschaften satt, aber nach vorne, dort, wo die sich nun tummeln, schaff ich es nicht mehr. Startschuss. Es gibt kein Gedränge, keine nervigen Staffelläufer, nichts, was mich stört.  Innerhalb einer Minute bin ich über der Startlinie und kann frei laufen. Ein Foto von Wilhelm Mütze, der heute seinen 1800ten Mara/Ultra läuft und von Karl-Ernst Rösner, der seinen 507ten läuft, er ist gerade 80 geworden.

 

 

Am Düsseldorfer Nordpark wurde die japanische “Kolonie” in Düsseldorf begründet. Es fing 1861 mit der preußischen Ostasienexpedition an, bei der der Düsseldorfer Kaufmann Louis Kniffler erste Freundschafts- und Handelsverträge abschloss. Möglich wurde dies, nachdem amerikanische Kriegsschiffe die wirtschaftliche Öffnung an Japans Küsten durchsetzten. Kniffler hatte einen kniffligen Auftrag, jetzt hört mal zu: Er sollte durch den Handel mit Japan eine politische Vereinigung mit Österreich erreichen! Da muss ich nachdenken und Parallelen ziehen.

Der Durchbruch für die Japaner in Düsseldorf gelang 1904 bei der Gartenausstellung. Die damals dort tätigen Japanerinnen... äh ja, also es gab Kinder. Vielen Japanern kommt dieser Marathon jetzt gelegen, um einmal eine Runde um diesen Garten zu drehen, von dem die Großeltern so begeistert erzählten. Lustige Läufer sind das.

Lustig ist auch Dan aus Lothringen, der jedes Wochenende einen Marathon als Moses verkleidet läuft. Die Zuschauer sind begeistert von ihm. Ansonsten sehe ich keine verkleideten Läufer, und potentielle Zuschauer lassen sich zunächst vom Regen abschrecken. An der 10 Kilometermarke sehe ich, dass ich heute schnell bin. Keine 40 Minuten, wie früher, aber eine wacklige Eins steht da. Werde ich das Tempo auf 42 Kilometern halten können?

 

 

Nach dem Abstecher Richtung Derendorf, geht es bei km 12 hinauf zur Oberkasseler Brücke. 30 Höhenmeter muss man beim Düsseldorf Marathon insgesamt überwinden, ich werde nächste Woche 12.000 überwinden, wenn ich den Trans Atlas Marathon laufe. Auf der Gegenseite flitzen die Spitzenläufer vorbei. Die haben einen fantastischen Laufstil.

Zunächst kommt eine große Runde nach Norden durch Niederkassel , lateinisch castellum (Festung, Burg). Als ich bei km 19 die Oberkasseler Brücke  unterquere, um die kleine Schleife durch Oberkassel zu laufen, wundere ich mich über die vielen Läufer, die jetzt erst über die Brücke laufen. An der Halbmarathonmarke  rechne ich mir aus, dass eine 4:20 heute möglich wäre. Die 4:14er Pacer haben mich überholt, doch ich bleibe dran, als ich mich die fast einen Kilometer lange Oberkasseler Brücke zurück ans rechte Rheinufer quäle. Kann mir jetzt nicht mehr leisten, fürs Fotografieren  stehen zu bleiben. Unter der Brücke blöken auf den Rheinwiesen die Schafe.  In welcher Großstadt gibt es das schon?

Vorbei geht es an der Oper und dem nördlichen Teil der Königsallee. Bei km 25 laufen wir am Hofgarten vorbei, einst Residenz von Fürsten und Herzögen. Den Bau des Parks finanzierte Wilhelm der Reiche, was ich erwähne, weil der Name so cool ist. Der seltsame Berg geht auf Napoleon zurück. Er „schenkte“ den Bürgern den Park und ließ die Teiche ausheben, die von der nördliche Düssel durchflossen werden. Übrigens wird das Neandertal nicht von der Neander, sondern von der Düssel durchflossen. Es wird nur so genannt, weil der Herr Neander dort mal einen Knochen fand.

Am Eisstadion vorbei geht es in die Fritz-Wüst- Straße, wo die vielen Zuschauer mit Tabletts voller m Altbier jonglieren.  Fritz Wüst (gest.1938 in Düdorf) war ein bedeutender Eisenforscher, also einer, der Eisen härter machen konnte. Das Max-Planck-Institut für Eisenforschung (im Blickfeld links) forscht heutzutage an Hochleistungsmaterialien, metallische Legierungen und so. Wenn Trump auf diese Produkte Zölle erheben will, dann wird es teuer für die Amis, denn sie können solche Legierungen nicht selbst herstellen.

 

 

Mensch, vor 10 Jahren konnte ich es mir leisten, von den Zuschauern ein paar Bierchen zu leihen,  war trotzdem eine Stunde schneller als heute. Die  Verpflegungsstationen sind gut bestückt und lang aufgestellt, so dass es kein Gedränge gibt. Immer mehr Staffelläufer kommen von hinten, sie sind später gestartet. An den gut von der Marathonstrecke abgesperrten Wechselstationen staune ich über die schiere Masse der Staffelläufer, und doch hat mich noch keiner in meinem Lauf behindert. Die einweisenden Ordner sind auf Zack: Staffelläufer in die eine Gasse, Marathonläufer in die andere.

Das Schloss Jägerhof wurde im 18.Jahrhundert gebaut. Es gehörte dem Kurfürst Karl Theodor. Trinkfeste Studenten stimmen gerne das Lied über den Kurfürsten von der Pfalz an. Was aber machte der  Pfalz-Bayer in Düsseldorf? Er regierte nebenbei das Herzogtum Jülich-Berg. Mit dem Bau des Schlosses verband er seine „Arbeit“ in der Hauptstadt des Herzogtums mit dem Vergnügen. So einfach ging das damals. Heutzutage muss man schon Marathonreporter sein.

Die Pempelforter Strasse ist nach den Sitz der Ritter von Pempelfort (13.Jahrh. ursprünglich Tempelfort) genannt. Der Boss der Ritter pennte während der Stadtgründung von Düsseldorf ein. Seitdem muss er als Unke weiterleben.  
Wir dagegen müssen nur laufen. Zum zweiten Mal höre ich jemand sagen, wir wären jetzt einen Kilometer weiter gelaufen, als die Schilder anzeigen. Sicherlich zeigen die Uhren nie den gleichen  Wert an, aber einen Kilometer Unterschied ist schon heftig. Im Ziel werden wir hören, dass die zwei Spitzenläufer tatsächlich einen Kilometer mehr gelaufen sind.

Die Straße Am Wehrhahn ist nach der siebtreichsten Familie Deutschlands benannt. Die Wehrhahn KG ist vom Bereich Baustoffe und Backprodukte bis zur Kfz-Finanzierung tätig. Ein Familienmitglied heiratet die Tochter von Konrad Adenauer.

Wir sind auf der Bilker Allee. „Bilk“ geht auf die lateinische Bezeichnung „Villa Bilici“ zurück, was mich sogleich an den Film „Bilitis“ von David Hamilton erinnert. Das waren noch Filme damals! Und tatsächlich bedeutet es „eng verbunden“.  

Das Ständehaus bei km 36 war einst das Parlamentsgebäude des Provinziallandtages, als Düsseldorf zu Preußen gehörte. Heute dient es dem Landtag als Tagungsort. Der Kaiserteich davor ist der Rest der Festungsanlage Düsseldorf, die Napoleon einreißen ließ.

Wir kommen zum Handelshafen. Ein Jahr brauchte Napoleon, um hier über den Rhein zu rudern und Düsseldorf zu besetzen. Sechs Jahre später (1801) musste er gemäß Friedensvertrag wieder raus aus Deutschland, vorher aber machte er aus Düsseldorf einen riesigen Trümmerhaufen. Fünf Jahre später wurde Napoleons Schwager Herzog über Düsseldorf, und 1811 war Napoleon wieder hier. Jetzt überragen High-Tech-Häuser, geplant von internationalen Stararchitekten die denkmalgeschützten Lagerhallen und Kräne. Medienhafen nennt sich das jetzt, weil zahlreiche Firmen aus dem Bereich Medien und Kommunikation hier ansässig sind, also Bars, Clubs und Diskotheken.

Am Zollhof,  km 38, ist das Haus mit den gekrümmten Fassaden, erbaut vom Architekten Gehry , ein gelungener Hingucker. Mit 19 Euro Miete pro qm wäre man drin. Ich wäre eigentlich auch drin, im Ziel, doch mich hat der Mann mit dem Hammer erwischt, ich muss Gehpausen einlegen. Die 4:29 Pacer überholen mich. Bei Km 41 auf der Königsallee wecken mich die Zuschauer, mein Name steht ja auf der Startnummer. Al so höre ich jetzt von allen Seiten: „Joooooe! Hau rein! Du schaffst das! “

 

 

Dann biege ich ab auf die Zielgeraden, die Trommlergruppe haut wie wild auf die Pauken. Ich durchquere riesige Aufbauten, die den Zuschauern das Queren der mit hohen Absperrgittern verengten Zielgeraden ermöglichen. Hände krallen sich in die Gitter und brüllen mich an. Darüber an der Brüstung der Uferstraße noch mehr brüllende Hände.  Es ist unglaublich laut hier. Staffelläufer werden nach links abgetrennt, somit keine händchenhaltenden Hindernisse vor mir. Super, ich kann auf den letzten Metern nochmal Stoff geben und ein zufriedenes 4:31 finishen.

 

 

Auch nach dem Zieleinlauf geht die perfekte Orga weiter: Viel Platz hinter der Ziellinie, man kann also erst mal durchatmen. Thermofolien, Sanitäter rechts, Wasserbecher links, Medaillen weiter hinten, damit es kein Gedränge gibt. Marathonläufer bekommen eine tellergroße Medaillen, Staffelläufer kleine. Bis zur Zielverpflegung können wir gemütlich durchatmen und uns sortieren. Ordner gucken ganz genau auf die Startnummern, damit kein Kurzläufer uns Langstrecklern die Auslagen plündert, oder sich gar mit ner kleinen Medaille in unsere Duschen verirrt.

Die Altstadt, die so heißt, weil es hier Altbier gibt, ist voller als der Zielbereich.  Die Besucher auch. Für mich ein Grund hier zu bleiben, damit Dorthe nicht wieder weinen muss: „Ach wärst du doch in Düsseldorf geblieben…“

 

Informationen: Uniper Düsseldorf Marathon
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