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Laufberichte

TAR 2024: Sieben auf einen Streich - auf dem Highway to Hell über die Alpen

 

Der Trans Alpine Run ist schon lange ein Klassiker. In sieben Etappen führt dieses Stage Race auf wechselnden Strecken über die Alpen von Deutschland über Österreich und die Schweiz nach Italien. Bei der diesjährigen Ausgabe geht es von Garmisch bis zum Reschensee. Dabei sind 280 km und 17.000 Höhenmeter zu bewältigen. Das wird sich während der Veranstaltung noch ändern, aber dazu später mehr.

Den Trans Alpine hatte ich schon länger auf der To-Do Liste, aber Terminkollisionen mit eigenen Veranstaltungen und ein fehlender Partner haben die Teilnahme immer wieder verhindert.  Mein Laufpartner Burkhard ist den TAR schon vor mehreren Jahren gelaufen und zu meinem Sechzigsten konnte ich ihn überreden, mich bei diesem Abenteuer zu begleiten. So haben wir uns für diese 19. Ausgabe schon Ende letzten Jahres angemeldet. Damit wir uns voll auf den Lauf konzentrieren können, haben wir uns als Weihnachtsgeschenk ein Rundum-Sorglos-Paket mit Hotelübernachtung in Start/Ziel-Nähe gebucht. 

So ein Stage Race ist auch für den Veranstalter eine große Herausforderung. Die ganze Karawane zieht jeden Tag eine Etappe weiter und alle möglichen Unwägbarkeiten gilt es zu meistern.

 

 

In diesem Jahr gibt es darüber hinaus nicht nur die sonst obligatorischen Zweier-Teams, sondern es sind auch Solo-Läufer*innen zugelassen. Außerdem besteht mit dem RUN2 die Möglichkeit, nur die ersten beiden Etappen mitzulaufen. Somit herrscht bei unserer Anreise am Donnerstag ein reges Treiben vor der Olympiahalle in Garmisch, wo fleißig der Wanderzirkus aufgebaut wird.

Wir checken am Nachmittag ein. Der Veranstalter Plan B stellt eine große Tasche, die für die komplette Ausrüstung der nächsten Woche reichen muss, inklusive Helm und Grödel, die bei dieser Ausgabe zum ersten Mal zur Pflichtausrüstung gehören. Abends treffen wir Freunde, die im Frühjahr nach Garmisch gezogen sind und genießen den warmen Sommerabend. Wir können uns nicht vorstellen, dass das Wetter in der nächsten Woche so schlecht werden soll. Von einem Wintereinbruch ist sogar die Rede. Aber eins nach dem anderen. Bis nächste Woche ist es ja noch eine Weile hin. Und wenn ich bei meinen bisherigen Stage Races Eins gelernt habe, ist es, dass man sich immer nur auf die nächste Etappe konzentrieren sollte.

Den Freitag verbringen wir mit Packen. Die riesige Tasche ist schneller voll als gedacht und wir müssen uns auf das Wesentliche reduzieren. Wir brauchen eine Sommer- und eine Winterkollektion. Verschiedene Schuhe zum Wechseln und eine Garnitur für das abendliche Briefing. Der Rest verschwindet wieder im Auto, das wir auf dem großen kostenlosen Dauerparkplatz an einer der Bergbahnen parken.

Beim Briefing und TAR Dinner ist die Olympiahalle in Garmisch mit rund 900 Teilnehmerinnen und Teilnehmern, sowie dem Helfer-Team gut gefüllt. Nach der Eröffnungsfeier stellt der Streckenchef den Track und die Regeln vor. Insbesondere erklärt er, wieso dieses Jahr ein Helm zur Pflichtausrüstung gehört. Im steilen, alpinen Gelände, kann es mit 600 Teilnehmenden nun mal leicht zum Steinschlag kommen. Ich habe das selbst schon bei verschiedenen alpinen Läufen erlebt, dass über Dir Steine losgetreten werden und als Geschosse zu Tal fliegen. Wollen wir hoffen, dass es nicht so weit kommt.

 

Garmisch-Partenkirchen – Nassereith

 

Nach einer nervösen Nacht und einem kleinen Frühstück stellen wir unsere Taschen an der Rezeption ab. Sie werden vom Veranstalter nach Nassereith, unserem Tagesziel gebracht. Von unserem Hotel sind es nur ein paar Meter durch den schönen Park zum Start. Ein Dropback fürs Ziel mit warmer Jacke und trockenen Schuhen geben wir am am Dynafit-Stand ab. Das wird ab jetzt zur Morgen-Routine. Es hat sich schon eine lange Schlange vor der Rucksack-Kontrolle gebildet. Die Pflichtausrüstung wird kontrolliert. Auch der Helm ist heute dabei.

Alle sind aufgeregt und können es kaum erwarten, dass es endlich losgeht. Über uns blinkt schon die Zugspitze in der Sonne. Es gibt noch ein kurzes Streckenbriefing und pünktlich um sieben Uhr starten wir bei besten Bedingungen auf den Highway to Hell von AC/DC. 45 km mit etwa 2.600 Höhenmeter stehen auf dem Programm.

 

 

Zuerst geht es flach durch den Ort, bis wir nach 3 oder 4 Kilometern auf einen Singletrail wechseln. Dort gibt es erst mal einen ordentlichen Stau. Wir steigen durch den Wald bis zur Eibsee-Alm, wo die erste Verpflegungsstelle auf uns wartet. Hier ist auch das erste Cutoff, das wir aber trotz der Wartezeit im Stau mit großem Puffer schaffen. Das ist sehr beruhigend, denn auf eine ständige Hetzerei, um die Zeitvorgaben einzuhalten, haben wir keine Lust.

Die anschließende Skipiste kenne ich noch vom Zugspitz-Ultratrail. Nach einem kurzen Downhill sind wir schon an der zweiten Verpflegung am Gamskarsee. Noch ein Stück bergab, dann geht es steil berghoch. Knapp 1.000 Hm im Anstieg sagt mir meine Uhr. Es wird immer steiler und technischer. Ein Schild zeigt uns den Bereich, in dem wir den Helm anlegen müssen. Der Einsatz des Helmes ist durchaus angebracht. Sehr steil führt der alpine Steig nach oben.

Die dritte VP liegt am malerischen Seebensee. Es ist warm und ich bin froh, dass ich ein Kühltuch dabeihabe. Die Strecke ist jetzt hochalpin. Schuttfelder und Blockwerk wechseln sich ab. Dazwischen kleine Seen als türkisfarbene Himmelsspiegel. Traumhafte Trails mit grandiosen Ausblicken bis zur Grünsteinscharte, dem höchsten Punkt des heutigen Tages. Genauso spektakulär, wie berghoch, geht es nach Überquerung der Scharte wieder bergab. In dem Geröll muss man höllisch aufpassen, aber nach Erreichen der letzten VP wird es flacher und wir rollen auf guten Wegen zu unserem Ziel in Nassereith.

 

 

Wir sind in Österreich. Das hat schon mal gut geklappt. Wir sind knapp zwei Stunden vor dem Cutoff im Ziel, ohne uns zu sehr verausgabt zu haben. So kann es weitergehen.

Wir werden zu unserem Hotel Schloss Fernsteinsee gebracht. Es liegt am Fernpass und wirkt ein wenig skurril und aus der Zeit gefallen mit seinem Sammelsurium an Figuren, Kronleuchtern und antiken Kostbarkeiten. Aber was soll’s. Wir nehmen eine heiße Dusche und ein Wiener Schnitzel. Danach geht es gleich ins Bett. Am nächsten Morgen müssen wir früh raus. Das Briefing verfolgen wir online.

 

Nassereith - Imst

 

Um 10 vor sechs holt uns schon der Bus ab. Eine Tasse Kaffee und ein Croissant müssen als Grundlage reichen. 31 km mit 1.800 Höhenmetern stehen auf dem Programm. Nach der schweren Auftaktetappe bin ich froh, dass es heute etwas kürzer ist. Das Wetter ist wieder prächtig. Dropbag abgeben, Rucksackkontrolle und nach dem obligatorischen Highway to Hell geht es auf die Strecke.

 

 

Es beginnt ganz harmlos, bevor es steil nach oben geht. Zuerst noch über Almwiesen, dann wird es wieder alpin. Nach der ersten VP bleiben wir auf dem schmalen Bergrücken und erklimmen mehrere kleine Gipfel. Wir überblicken quasi die komplette heutige Strecke. Das Gipfelkreuz des Tschirgant liegt auf 2270m und eine Gruppe Mädels im Dirndl sorgt für eine Wahnsinnsstimmung. Schon von weitem hört man Glocken und Anfeuerungsrufe. Auch der Streckenchef ist dabei und empfängt uns hier oben auf dem höchsten Punkt der Strecke.

Noch ein Stück über den Grat, dann geht es steil hinunter. Wir haben Zeit und nehmen an einer Hütte ein kühles Helles, bevor wir in Imst einlaufen. Das war heute eine Genuss-Etappe und wohl auch der letzte Tag ohne Regen, der direkt nach unserem Zieleinlauf einsetzt.

Für die 150 Teams des RUN2 Wettbewerbes ist hier schon Schluss. 

 

 

Unser Shuttle Service bringt uns ins Hotel. Es ist noch früh und so haben wir genug Zeit, uns für die morgige Königsetappe auszuruhen. Es regnet und es ist kühler geworden. Das Briefing verfolgen wir online im Bett. Die morgige Etappe wird um 5 Kilometer und ein paar Höhenmeter gekürzt. Durch den Regen sind einige steile Passagen unpassierbar geworden. Sicherheit geht vor.

 

Imst – See

 

Die lange Etappe startet schon um sechs Uhr. Um viertel vor vier steht Burkhard schon unter der Dusche. Ich drehe mich nochmal um. Nass werden wir heute früh genug. In der großen Halle beim Start wärmen sich die ersten schon auf. Andere dösen noch ein wenig. Draußen ist es nass und ungemütlich. Ich bin einigermaßen nervös und versuche, mich bis zum Start noch etwas zu entspannen. Wir sind froh, als es endlich losgeht.

Im Dunkeln geht es nach einer flachen Aufwärmrunde auf breiten Fahrwegen in die Höhe. Die anschließenden Pfade im Lärchenwald sind trotz des Regens gut laufbar. Die Beine sind locker und wir kommen zügig voran. Leider ist bei dem trüben Wetter der Landschaftsgenuss stark eingeschränkt. Die Sicht ist sehr begrenzt. Mal laufen wir in den Wolken, dann erahnt man ein weitläufiges Bergpanorama.

 

 

Nach der ersten VP wird es alpin. Es regnet nur noch ab und zu und die Temperaturen sind auch okay. Nur meine Finger sind trotz Handschuhen sehr kalt. Die felsigen Abschnitte sind recht rutschig und wir verlieren bei den Downhills Zeit. Trotzdem droht nie ein Cutoff. Mit gefällt diese mystische Stimmung mit Nebelfetzen und Gipfelkreuzen. Wir kraxeln über viel Blockwerk und folgen in stetigem Auf und Ab einem Bergrücken bis wir nach 1.650 Meter Uphill am Kreuzjoch auf 2.558 Metern die höchste Stelle der heutigen Etappe erreicht haben.

 

 

Die Strecke gefällt uns sehr gut. Wir folgen weiter dem Gebirgszug über kleinere Berggipfel, bis an den zweiten VP am Krahberg. Ein ewig langer Downhill führt uns von hier hinab bis nach Landeck. Die Trails sind sehr schmierig und kosten viel Kraft. Nach dem VP im Ort geht es direkt wieder in die Höhe. Es hat aufgehört zu regnen und wir haben schöne Ausblicke ins Tal. Die Strecke verläuft in Teilen auf der alten Römerstraße Via Claudia Augusta. Sogar die tiefen Furchen der Wagenräder sind zu erkennen. Auf einer Alm packen wir die Winter-Kleidung wieder ein und gönnen uns ein Bier. Die Strecke ist jetzt einfacher und schon bald nach dem vierten VP rollen wir zufrieden ins Tal nach See, unserem heutigen Zielort.

Heute sind etwa zehn Prozent der Teilnehmenden an der Strecke gescheitert. Es war eine schwere Etappe. Nach der Dusche essen wir im Hotel. Morgen soll es noch härter werden.  Das Briefing sparen wir uns. Das schauen wir morgen früh im Bett.

 

See - Ischgl

 

Wir verlassen das Hotel nur ungern. Vor der Tür ist es nass und kalt. Der Rucksack ist prall gefüllt. Helm und Grödel sind mal wieder dabei. 41 Kilometer und 2.600 Höhenmeter stehen auf dem Programm. Es geht bis auf 2.670 Meter hoch. Dazu Regen und Wind. Bis zum Startgelände sind es nur ein paar Meter. Dropbag abgeben, Rucksack-Kontrolle und ab geht es auf den Highway to Hell.

Die ersten Kilometer verlaufen noch recht einfach auf Fahrwegen, bis wir nach der ersten Verpflegung auf schmierigen Pfaden steil nach oben steigen. Es regnet und es bläst ein kalter Wind. Nach und nach ziehe ich Schicht für Schicht über und krame die wasserdichten Handschuhe aus dem Rucksack.

 

 

Wir verlassen bald den Wald und queren einige Wildbäche. Die Szenerie ist wieder sehr alpin. Wir passieren einige Seen, kommen dann in steiles Gelände und müssen den Helm anlegen. Die Steine sind rutschig. Meine Finger sind trotz wasserdichter Handschuhe sehr kalt und Burkhard muss mir beim Anziehen helfen, weil ich kein Gefühl mehr in den Fingern habe.

Über einen Grat geht es immer weiter bergauf. Am Schmalzgrubensee lockert die Bewölkung etwas auf und wir können bis ins Tal blicken. Dann zieht sich der Vorhang wieder zu. Mir gefällt die Szenerie sehr gut. Nur die Kälte in den Fingern macht mir zu schaffen. Auf der Schmalzgrubenscharte begrüßt uns wie jeden Tag an der höchsten Stelle des Rennens der Streckenchef. Schnell geht es wieder bergab und das Wetter wird schlagartig besser. Meine Hände werden auch wieder warm und so geht es in den ewig langen Downhill.

 

 

Noch ein letzter Anstieg zu einer Hütte, wo wir uns ein Bier genehmigen, dann geht es nur noch bergab. Sehr steil und sehr rutschig. Ich benutze beim Absteigen meine neuen ultraleichten Carbonstöcke, die ich sonst nur bergauf einsetze. Sie sind der Belastung nicht gewachsen und brechen unvermittelt. Ich stürze, kann mich aber gerade noch zur Seite wegrollen, bevor ich den Abhang hinunterfalle. Meine Ärmlinge sind aufgerissen und darunter sieht es nicht gut aus. Immerhin scheint nichts gebrochen. Auch meine Hüfte hat einen kräftigen Schlag abbekommen und ist aufgeschürft. So ein Mist. Weiterlaufen ist aber kein Problem. Nochmal Glück gehabt.

Wenigstens wird das Wetter immer besser und Ischgl empfängt uns sogar mit Sonnenschein. Nach dem Zieleinlauf das übliche Prozedere. Wir versorgen uns mit Bier und Schnittchen in der trockenen Halle, während wir auf unser Shuttle warten. Heute gönne ich mir vor dem Abendessen in der Pizzeria noch eine Stunde Schwimmbad und Dampfsauna in unserem Hotel. Hüfte und Ellenbogen sind aufgeschürft und voller blauer Flecken. Das war die bisher schwerste Etappe. Morgen geht es in die Schweiz.


Ischgl - Samnaun

 

Die Nacht ist kurz. Immer wenn ich mich umdrehe, schmerzt die Hüfte oder der Arm und ich werde davon wach. Auf dem Weg zum Start fühle ich mich, wie durch den Wolf gedreht. Immerhin herrscht perfektes Wetter. Hoffentlich wird es kein Highway to Hell heute und tatsächlich fühle ich mich nach wenigen hundert Metern und dem Hinweis meines Teampartners Burkhard, ich soll endlich mit dem Jammern aufhören, schon viel besser. Es tut nichts mehr weh und ich freue mich, dass es so gut weitergeht. Außerdem sind es heute nur 30 Kilometer und 2.100 Höhenmeter. Also eine Genuss-Etappe.

 

 

Wir folgen dem Paznauner Höhenweg bis zum ersten VP. Die Sonne scheint und erlaubt uns eine schöne Sicht auf die schneebedeckten Berge, die uns umgeben. Die Steigung ist moderat und so spulen wir ohne Schwierigkeiten Kilometer für Kilometer ab. Den zweiten VP ergänzen wir mit einem Bier an der Heidelberger Hütte. In hochalpinem Gelände erreichen wir auf einem alten Schmugglerpfad die Landesgrenze auf 2.750 Metern. Bis auf eine kleine Rampe geht es jetzt nur noch bergab. Nach der letzten Verpflegung geht es dann über einen steilen Fahrweg durch das Skigebiet von Samnaun bis ins Tal.

 

 

Wir sind schon früh zurück und gönnen uns einen Faulenzer-Nachmittag. Den brauchen wir auch, denn morgen soll es wieder haarig werden. Kalt und nass ist vorhergesagt. Die Höhenlagen sind zugeschneit und können nicht mehr passiert werden. Die ursprünglich geplante Strecke muss somit verlegt werden.

Heute besuchen wir das TAR Dinner, das in dem großen Bergrestaurant auf dem Alptrider Sattel stattfindet. Dazu nutzen wir die einzigartige Doppelstockbahn, die uns auf 2.500 Meter Höhe bringt. In dem riesigen Restaurant haben alle Platz. Nach einer üppigen Portion Pasta machen wir uns aber schon früh auf den Rückweg. Regeneration ist Alles. Das Briefing verfolgen wir wie immer online im Hotel.

 

Martina - Nauders

 

Die Wetterverhältnisse lassen einen Start in Samnaun nicht zu. Ein Übergang nach Nauders ist von hier nicht mehr möglich. Der Veranstalter hat Busse organisiert, die die verbliebenen 441 Läuferinnen und Läufer nach Martina bringen, wo am frühen Morgen noch schnell ein Startgelände improvisiert wurde. Von dort geht es auf neuer Strecke über 35km und knapp 2.000 Höhenmeter nach Nauders.

Die Wetteraussichten für die heutige Etappe sind überraschenderweise gar nicht so schlecht. Zumindest soll es halbwegs trocken bleiben. Die Stimmung ist gut. Nach 45 Minuten Busfahrt werden die Beine etwas ausgeschüttelt. Schnell noch die Kontrolle der Pflichtausrüstung und dann geht es auch schon gleich zur Sache.

 

 

Der Highway to Hell führt von Anfang an bergauf. Keine Zeit zum Warmlaufen. Viel zu sehen gibt es auf den ersten Kilometern leider auch nicht. Zu trüb ist das Wetter. Ab und zu öffnet sich der Vorhang und schneebedeckte Gipfel werden für kurze Momente sichtbar. Dann ist es wieder trüb. Ein paar Schneeflocken mischen sich in den Nieselregen. So spulen wir die ersten 20 Kilometer und die Hälfte der Höhenmeter in dieser mystischen Szenerie ab. Nach der zweiten Verpflegung bessert sich das Wetter zusehends und als wir den wunderschönen Grünsee erreichen, kommt sogar die Sonne raus. Beim Abstieg können wir in der Ferne schon den Reschensee erkennen. Das Ziel der morgigen letzten Etappe.

In Nauders angekommen, stärken wir uns mit Bouillon und leckeren Schnittchen. Ein Bier gibt’s auch noch dazu. Als wir im Hotel die Nachrichten checken, sehen wir schon den Plan für morgen. Die Schlussetappe ist gekürzt auf 22 km und 1.200 Höhenmeter. Höchster Punkt ist bei 2170 Meter. In der Nacht wird es Schnee geben. Helm und Steigeisen brauchen wir aber nicht.

 

 

Beim Abendessen sitzen wir bei den beiden sympathischen Jungs vom Team Samnaun Racers. Sie liegen mit einer halben Stunde Rückstand auf Platz 2 und haben 1 ½ Stunden Vorsprung auf Platz 3. Es geht bei Ihnen also nur noch darum, den zweiten Platz sicher ins Ziel zu bringen. Die Platzierung wird sich nicht mehr ändern. Unvorstellbar, in welchem Tempo die Jungs die Berge runterballern. Wo wir mit den Stöcken klappern, machen die eine Pace von 3,20 oder maximal 4 Minuten pro Kilometer. Sie haben auf uns einen Vorsprung von 25 Stunden. Unfassbar. Dafür sind wir aber auch mehr als doppelt so alt wie die beiden.

 

Nauders - Reschensee

 

Letzte Etappe. Der Blick aus dem Fenster verspricht Kälte und Schnee. Es hat bis an die Ortsgrenze geschneit. Start ist erst um 8 Uhr und wir wechseln heute nicht das Hotel. Deshalb müssen wir auch nicht packen und die Tasche abgeben. Wir frühstücken in aller Ruhe. Diesmal nehme ich ein Spiegelei und Speck. Schließlich brauche ich in der Kälte was zum Verbrennen.

Eine Winteretappe ist für uns nichts Besonderes. Bei all unseren Rennen in diesem Jahr hatten wir Schnee oder Hagel. Wir wissen also genau, was wir anziehen müssen und was uns erwartet. So ist das eben im Trail-Sport. Das Wetter kann man sich nicht aussuchen. Und es gibt ja bekanntlich nicht nur schlechtes Wetter, sondern auch schlechte Kleidung.

 

 

Das Startgelände liegt direkt vor unserem Hotel. Ein letztes Mal ertönt der Highway to Hell und schon nach wenigen Höhenmetern sind wir in der weißen Pracht. Die ersten Flocken tanzen in der Luft. Erst laufen wir auf Fahrwegen, dann geht es etwas steiler in einen verschneiten Lärchenwald. Die Wege haben einen guten Gripp. Eine Spur ist immer frei von Eis und Schnee. Auf den kleinen Brücken muss man aber höllisch aufpassen. Der Streckenchef hatte im Briefing schon davor gewarnt.

An kleinen Hochmooren führen lange Bretterwege durch den Sumpf. Dort wird es richtig haarig und ich wechsele öfters in den Schlamm, weil die schiefen Bretter total vereist sind. Eine Gruppe Pferde kommt uns unvermittelt entgegen. Die hätte ich jetzt nicht erwartet. Dicke Schneeflocken begleiten uns auf dem stillen Weg. Alle sind konzentriert und genießen die Winterlandschaft. An der höchsten Stelle wartet im Schneetreiben der Streckenchef mit einer Kuhglocke und feuert uns an. Ich bedanke mich bei ihm für die schöne Strecke und das Weihnachts-Feeling der letzten Etappe.

 

 

Jetzt geht es, von ein paar unbedeutenden Rampen abgesehen, nur noch bergab. Wir passieren kleine Speicherseen. An der Food Station läuft passenderweise Weihnachtsmusik. Alle sind gut drauf und haben Spaß, trotz Schnee und Kälte. Gut gelaunt schlendern wir nach Italien. Bald sehen wir den See mit seinem versunkenen Kirchturm. Direkt davor ist das Ziel.

Das ging recht flott heute. Noch zwei drei Kilometer über einen guten Fahrweg und wir laufen nach einer winterlichen, kurzweiligen Schluss-Etappe am Seeufer durch den Zielbogen. Zur Belohnung gibt es Bier und Aperol Spritz. Am großen Lagerfeuer kann man sich aufwärmen. Wir feiern mit den anderen jeden Finisher, der im leichten Schneetreiben einläuft. Es wird getanzt und gefeiert, bis der Letzte mit den Schlussläuferinnen und Läufern im Ziel ist.

 

 

Eine fantastische Woche geht zu Ende. Sieben anspruchsvolle Etappen durch vier Länder sind wir gelaufen. Fordernde Trails, hochalpines Gelände, harte Up- und Downhills in grandiosen Landschaften, haben uns alles abverlangt. Dazu Hitze, Regen, Kälte und Schnee. Also das volle Programm. Mehr geht wirklich nicht. Wir sind froh und stolz, das Rennen ohne größere Probleme oder Blessuren beendet zu haben.

Am Abend feiern wir alle zusammen die Abschiedsparty, die kurzfristig in die kuschelige Gemeindehalle verlegt wurde. Für die geplante Party am Ufer des Reschensee ist es einfach zu kalt.

455 stolze Läuferinnen und Läufer nehmen ihr Finisher-Shirt in Empfang.

 

Fazit

Der Trans Alpine Run ist ein hartes Stage Race in sieben Etappen von Deutschland über Österreich und Schweiz bis nach Italien. Etwa 280 km bei 17.000 Höhenmeter erwarten die Läuferinnen und Läufer aus aller Welt (diesmal waren 34 Nationen am Start). Die Veranstaltung ist perfekt organisiert. Es gibt verschiedene Übernachtungspakete, die gebucht werden können, man kann aber die Unterkünfte auch individuell organisieren. Wenn kein Abendessen angeboten wurde (fehlende Sporthalle), gab es für die Etappenorte Verpflegungs-Voucher, die in verschiedenen Restaurants eingelöst werden konnten.

Das gesamte Rennen ist sehr gut organisiert. Es ist an alles gedacht und es gab nie irgendwelche Unsicherheiten. Eine Medical Crew steht an allen wichtigen Punkten und begleitet die Teilnehmenden auf der Strecke, die sehr gut markiert ist. Die Tracks sind immer aktuell und können auch bei Änderungen zeitnah downgeloaded werden. Die Kommunikation mit den Teilnehmenden ist perfekt. Alle wichtigen Infos, Busfahrpläne, usw. werden zeitnah kommuniziert.

Beim TAR 2024 gab es 558 Startende für die gesamte Strecke. Dazu kommen die Läuferinnen und Läufer vom RUN2. Von den 172 Teams des TAR haben es 107 ins Ziel geschafft. Beim TAR Solo gab es 214 Starterinnen und Starter, von denen 178 den Reschensee erreicht haben. Zudem gab es 28 Individual Finisher, deren Teampartner ausgeschieden ist. Wenn eine Etappe nicht beendet wird, kann am nächsten Tag wieder gestartet werden. Allerdings läuft man dann nicht mehr in der Wertung und zählt auch nicht als Finisher.

 

Strecken/Bewerbe

TAR Team           272 km / D+16.920 Hm / D- 16.110 Hm in 7 Etappen

TAR Solo             272 km / D+16.920 Hm / D- 16.110 Hm in 7 Etappen

RUN2                    Etappe 1 und 2 des TAR

 

Informationen: Transalpine Run
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