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Laufberichte

3 Days - 3 Marathon

17.04.05

1. Lausitzer Marathon-Triple, 15.4. – 17.4.2005 gelaufen, gefinisht

und aufgezeichnet von Bernhard Sesterheim .

 

Zur mitternächtlichen Stunde, also am Beginn des 15.4., starte ich von meinem Schäferhund Cora begleitet in Richtung Ostgrenze der Bundesrepublik Deutschland. An der 1. Autobahntankstelle genehmige ich mir eine Dose „Red Bull“, deren Inhalt ich sofort mit wenigen Schlucken in meinen Verdauungstrakt befördere; weiß ich doch aus Erfahrung, dass einige Bestandteile dieses Energigetränkes mir wirklich äußerst wertvolle Hilfe im Kampf gegen nächtliche und durch Weitfahrten bedingte Müdigkeitsatacken gewähren.

 

Der Reiseweg verläuft über die Autobahn und geht vorbei an Frankfurt/Main, Eisenach, Weimar, Dresden und endet am Ort des 1. Marathons in Cottbus. Völlig problem- und fast ermüdungsfrei erreiche ich das Ziel so gegen 9.oo Uhr. Am Bahnhofsgelände leiste ich mir ein Frühstück, das ausnahmsweise aus 2 Salamibrötchen besteht und trinke dazu ein Tasse heiße Schokolade.

 

Dann fahre ich zum Cottbuser Sportzentrum, wo sich auch die Radrennbahn – der Austragungsort des 1. Marathons – befindet. Wie fast immer bin ich viel zu früh am Bestimmungsort, wo ich auch gleich auf Marcel Heinig, dem jugendlichen Veranstalter des Marathon-Triples treffe. Er ist gerade mit einem Sportsfreund dabei, den Verpflegungsstand in der Radrennbahn herzurichten. Er empfiehlt mir, mich im „Haus der Athleten“, einem jugendherbergsählichem Gebäude unmittelbar in der Nachbarschaft einzuquartieren, was ich dann auch tue.

 

Mit Klaus Neumann aus Stuttgart, einem Vereinskameraden vom 100 MC nehme ich ein Zimmer. Das Mittagsmahl nehme ich im Gastraum eines Fitness-Centers mit Hagen Brumlich, einem Läufer in meiner Alterklasse und seiner Frau ein. Es ist ein vegetarisches Gericht mit sehr viel unterschiedlichem Gemüse und ist gut und preisgünstig.

Danach begebe ich mich wieder zur Radrennbahn. Der Himmel ist wolkenlos, es ist warm, so ganz anders als am vorigen Wochenende, als ich in Marburg unter winterlichen Verhältnissen am dortigen 50-km-Lauf teilnahm.

 

Da die Cora am heutigen Rennen in der Radarena nicht teilnehmen kann, parke ich das Auto, in der sie während meiner Marathonstunden verweilen muss, auf einem Platz, der von der Sonne nicht aufgeheizt werden kann.

 

Um 16.30 wird der 1. Cottbuser Radrennbahnmarathon gestartet. Martin Linek - immer noch mit sichtbaren Winterspeck- übernimmt die Moderation, was er engagiert und geschickt bewerkstelligt. Auf mein Ermahnen, es mit seiner Metamorphose nicht dem gegenwärtigen Außenminister gleich zu tun, erklärt er zu meiner Beruhigung, dass er am übermorgigen RuhrMarathon als Läufer teilnehmen würde…


27 Athleten, die sich für alle 3 Marathons gemeldet haben, sind im Rennen. Darüber hinaus laufen noch 4 den Halbmarathon. Die meisten Teilnehmer sind mir von anderen Veranstaltungen her bekannt. Bei den Männern heißt der Siegesaspirant Rene Strosny, ein junger Mann in der M 20, dem ich bei fast allen meinen Läufen begegne und der immer ganz vorne mitmischt, sehr oft auch der Gesamtsieger ist. Es ist für ihn heute ein Heimspiel, ist doch Bautzen seine Heimatstadt. Bei den Frauen ist Ute Wollenberg, sie kommt aus Potsdam, die ungefährdete Favoritin.

 

Ja, jetzt renne ich auf einer Radrennbahn, auf hartem Beton 134,5 Runden 330m…. Momentan ist die Rennbahn je zur Hälfte sonnig und schattig; also warm, im Verlauf des Rennens immer wärmer und auf der Schattenseite kühl. Lt. Aussage von Marcel Heinig, dem Veranstalter, ist die Cottbuser Radrennbahn eine der modernsten Europas.

 

Auf einer Radrennbahn soll man Radfahren! Für Marathonläufe gibt es sicherlich „geeignetere Strecken", so denke ich. Aber ich muß km sammeln, um mein großes Vorhaben im Juli dieses Jahres – dem Badwater-Ultra-Marathon in USA - überstehen zu können, und da war mir in meinem Vorbereitungsplan der 3-fach Marathon in der Lausitz passend erschienen.

 

Die ersten Runden laufe ich mit Willem Mütze, einem Dauerlaufenthusiasten aus den Niederlanden, ein 2m Mann, stark wie ein Bär und wie immer blendender Laune. Das heißt: ich laufe, aber Willem geht. Nur mit Mühe kann ich mit ihm Schritt halten. Da ich mein Pulver nicht gleich vollständig verschießen will, lasse ich mich schließlich zurückfallen und Willem gehen…

 

Ständig werde ich auf der kurzen Strecke jetzt überrundet, Rene Strossny huscht – so scheint es mir – alle paar Minuten an mir vorbei. Sehr schnell kann ich jetzt die läuferischen Qualitäten meiner „Konkurrenten“ erkennen, die ich an den Überrundungsinterwallen ablese. Spitzenüberunder sind Eberhard Bergner, Andre Dreilich, Ute Wollenberg; aber auch Jürgen Köllner, Rene Timmerman, Olaf Schmalfuss und sogar Marathonsammler-Weltmeister Horst Preissler lassen mich als langsamen Läufer erscheinen.


Dies stört mich nicht weiter, war doch Schnelligkeit noch nie meine Stärke und wird es auch ganz bestimmt in meinem weiteren Leben als Langdistanzläufer nicht werden. Ganz treffend schildert Jürgen Köllner, alias Aragorn in einem seiner Wahlsprüche den Sachverhalt wie folgt: „ Speed is sex, distance is love!“

 

Aufheiternd machen sich die Sympathie- und Aufmunterungsrituale von Bärbel Krapp und ihrem ständigen Begleiter Jozsef Nogradi plus weiterem Anhang bemerkbar.

 

Schon nach einer Stunde stelle ich fest, dass ich froh wäre, die 134,5 Runden wären bewältigt. Irgendwie scheint meinem autonomen „Über-Ich“ die ewige und monotone Rundendreherei überhaupt keinen Spaß zu bereiten. Denn ständig sind auch akustisch die gleichen Laute zu vernehmen. Das Tapp Tapp Tapp der mich dauernd überholenden Läufer. Horst Preisler hat zu seiner alten Form zurückgefunden und strahlt Optimismus aus. Ich freue mich mit ihm, hat der doch zu Jahresbeginn beim Kevelaerer Marathon ein Bild des Jammers abgegeben…

 

Irgendwann höre ich: Rene Strossny hat die 80 Runden überschritten, ich habe dann genau 50 Runden getilgt… So geht es weiter, als einzige Abwechslung, das Wechseln von Sonne und Schatten, wobei der Schatten an Attraktivität immer mehr gewinnt. Als die Halbmarathon-Läufer finishen, beneide ich sie…

 

So nach ca. 30 km gehen die ersten Läufer spazieren. Donnerkeil… es ist auch Klaus Neumann darunter. Mit seiner gegenwärtigen Mimik kann er ganz sicher nicht für den Laufsport werben… Es ist der Darm… Auch Harald Feldmann, ein mir immer als frohgemut bekannter 100 MC-Kamerad aus Hamburg wandert ebenfalls und schaut gar nicht fröhlich drein.

 

Ganz sicher ist jetzt auch meine Ausstrahlung nicht der Laufsportwerbung dienlich. Ich laufe zwar und vermeide Spaziergänge, aber von“ Lauffreude“ kann keine Rede sein, obwohl mir am Bärbel`schen Jubelmotivationsplatz ständig schöne Komplimente zugerufen werden… Schließlich läuft sogar Bärbel noch eine Aufmunterungsrunde neben mir her. Jedoch es nützt nichts…. Mir geht es einfach nicht gut.

 

Nach einer Toilettenpause geht es mir schlagartig wieder besser und ich kann wieder schneller und eleganter laufen. Ich überrunde jetzt sogar schnellere Läufer wie Harald Feldmann und sogar Klaus Neumann. Sie haben sich aber einen Vorsprung erlaufen, der nicht mehr eingeholt werden kann. Nach und nach wird das Läuferfeld immer kleiner, und Gott sei dank auch die Zahl der für mich zu laufenden Runden. Jetzt ist mir bewusst, wie weit doch 330 Meter sein können. Als Drittletzter überquere ich schließlich mit einem Stoßseufzer die Ziellinie. Dies war der 1. Teil…

 

Meine persönliche Schlussfolgerung: „ Der Radrennbahnlauf ist sicherlich für die mentale Abhärtung im Hinblick auf meinen bevorstehenden Badwater-Ultra geeignet. Der Spaßfaktor, der einfach zu diesem Sport gehört ist, wenn überhaupt, dann doch nur rudimentär vorhanden. Diese Rennen muß nicht ein 2. Mal gelaufen werden.“

 

Ich schaue noch nach Cora im Auto, der es gut geht und begebe mich danach zu meiner Herberge.

 

Nahrungsaufnahmegelüste verspüre ich überhaupt keine und lasse das Abendessen für heute ausfallen. Jetzt bemerke ich die bleierne Müdigkeit – ich hatte die Nacht davor nicht geschlafen – trinke noch Mineralwasser und lege mich ins Bett. Trotz totaler Ermüdung habe ich mit dem Einschlafen Probleme; geistig bin ich noch immer beim Rundenlaufen!....

 

Irgendwann bin ich dann doch eingeschlafen, wache dann mitten in der Nacht auf; das viele Wasser in meiner Blase zwingt mich auf die Toilette. Oh je, ich fühle mich so steif wie ein 90- jähriger und morgen ein erneuter Marathon….

 

Samstag. 16.04.2005 So gegen 6.00 werde ich wach und… oh Wunder, ich bin gut ausgeschlafen und absolut fit …. Kein Muskelkater, keine steifen Gelenke und bin voller Optimismus, denn ein Landschaftsmarathon in einem Biosphärenreservat… das ist ganz nach meinem Geschmack! Klaus Neumann ist ebenfalls guter Dinge, und wenig später beim Frühstück, kann ich feststellen, dass Gutlaunigsein, Freude am Leben und Laufen bei ausnahmslos allen Tischgefährten Allgemeingut ist. Allenortens sieht man lächelnde und zufriedene Gesichter.

 

Es ist genau das, was ich an unserem Sport so liebe… es ist die Welt des Wohlwollens und der Freundschaft. Es stimmt, was Horst Preisler sagt, die Laufbewegung sei die weltweit größte Friedensbewegung. Ich bin davon überzeugt, würden die Entscheidungsträger Israels und Palästinas zusammen an Langstreckenläufen teilnehmen, das Wort „Krieg“ würde aus ihrem Vokabular verschwinden…

 

Nach einer ca. halbstündigen Autofahrt erreiche ich Lübbenau im Spreewald. Rene Strossny hat an diesen Platz sehr gute Erinnerungen, war es doch der Zielort beim letztjährigen Spreewald-Lauf, den er gewonnen hatte. Diese Landschaft könnte einem Märchen entstammen, der Spreewald. Es gibt wohl keine andere Region in Deutschland, wo der Postbote im Kahn zu den Menschen kommt und die Ortsschilder mitten im Wasser stehen.

 

Das Biosphärenreservatsgebiet wird von einem feinmaschigem Gewässernetz mit einer Länge von 1.000 km durchzogen. Diese malerische Landschaft mit ihrem verzweigten Netz von Flüßen, den Urwäldern und Auen steht seit 1990 als Biospärenreservat unter Schutz. Behutsamer Tourismus und nachhaltige Landwirtschaft sollen dafür sorgen, dass die über viele Jahrunderte gewachsene Kulturlandschaft bewahrt und geschützt wird.

 

Es ist heute wolkenlos mit strahlend blauem Himmel und kraftvoller Sonne. Ein Parkplatz ist gefunden. Heute darf Cora mit. Sie ist wie immer extrem enthusiastisch. „Wie der Hammel am Strick“, wie die Pfälzer zu sagen pflegen. Es ist heute hier ein Halbmarathon für die Allgemeinheit ausgerichtet. Die Halbmarathonläufer starten aber zu einem anderen Zeitpunkt und laufen auch zum großen Teil eine andere Strecke als wir 3fach-Marathonisten.

 

Start und Ziel befinden sich in der Nähe des altehrwürdigen und wunderbar renovierten Lübbenauer Schlosses, das heute die Funktion eines Gasthauses erfüllt.

 

Die sehr blonde, nicht mit einer läuferinnenspezifischen Figur ausgestattete Moderatorin stellt dem staunenden Publikum unter anderen die Weltmeister Sigrid Eichner mit ihrem genau 998. langen Lauf und Horst Preisler mit weit mehr als 1.300 Marathons und mehr vor.

 

Ein Revolverschuß erschallt, und unsere sehr überschaubare Läuferschar von ca. 40 Leuten und ein Hund setzt sich in Bewegung. Es sind heute einige Leute da, wie Bärbel Krapp, Jozsef Nogradi, Hans-Joachim Meyer, auch als „Eisenmeyer“ bekannt, die nicht am ganzen Triple teilnehmen, sondern „nur“ den Doppedecker oder auch „nur“ einen Einzelmarathon laufen werden.

 

Cora jault, zieht und zerrt an der Leine. Würde sie angeleint bleiben, nach weniger als 3 km würde ich vor Erschöpfung zusammenbrechen. Deshalb starte ich ganz langsam, gewinne dadurch schnell Abstand zum Läuferfeld und lasse den Hund frei laufen. Schnell läuft er vor, hat er es doch in den Genen programmiert, als Schäferhund die Herde zusammenzuhalten. Kurzfristig begreift der doch die Sinnlosigkeit seines Handelns und kehrt zu seinem Herrn und Freund zurück. Hartmut Feldmann läuft neben mir, und es sollte bis zum Zieleinlauf so bleiben.

 

Zuerst laufen wir durch eine Allee und gelangen nach wenigen Minuten in eine für mich bis dato absolut unbekannte Landschaftsformation. Wir sind im eigentlichen Spreewald angekommen. Diese Landschaft wurde maßgeblich von der letzten Eiszeit geprägt, die vor 12.000 Jahren endete. Schmelzwasser sammelte sich im Baruther Urstromtal, zusätzlich gespeist von der Spree. Diese durchbrach auf ihrem Weg den Lausitzer Grenzwall südlich des heutigen Spreewaldes und schwemmte dabei viel Sand ins Urstromtal, das sich in der Niederungen absetzte. Dadurch wurde das Gefälle der Spree immer geringer, und weil sich das Wasser neue Wege suchte, bildete sich ein Binnendelta mit unzähligen kleinen Wasserarmen – Fließe genannt – und eine Auenlandschaft, die immer wieder überflutet wurde.

 

Wir laufen durch einen Weiler, bestehend aus schmucken Holzhäusern mit wunderbaren Gärten darum. Einige Leute sind gerade mit der Gartenarbeit beschäftigt, eine Tätigkeit, die mir zu früheren Zeiten auch mal Freude bereitete. In meinem momentanen Lebensabschnitt, der freizeitmäßig jedoch von Langstreckenläufen dominiert wird, kann ich mir jedoch nicht vorstellen, diese Arbeiten noch zu vollbringen. Große, hohe Holzbrücken müssen wir besteigen, um die Fließe zu queren. Die Holzbrücken müssen hoch sein, da darunter ja der Kahnverkehr sich abspielt.

 

Auf Pfaden laufen wir jetzt im dichten Auenwald, der unsere noch winterliche nicht sonnengewöhnte Haut vor den negativen Auswirkungen intensiver Sonneneinstrahlung vorläufig schützt. Ab und an hört man Krötengequake und die Luft ist voller Insekten. Etwa 18.000 Tier- und Pflanzenarten darunter 585 Pflanzenarten, die auf der Roten Liste der gefährdeten Arten stehen, gibt es im Biosphärenreservat. Allein 830 Schmetterlingsarten und 48 Libellen flattern durch die Auenlandschaft. Auch dem scheuen Schwarzstorch, Seeadler, Eisvogel und Fischotter kann man hier begegnen.


Hartmut und ich laufen ausschließlich im Wohlfühlbereich und genießen ganz im Gegensatz zum gestrigen „Betonmarathon“ dieses Rennen. Immer wieder kommen wir durch kleine Weiler mit ihren charakteristischen Holzhäusern und ihren Kanalanlegestellen. Ein Vergleich mit Venedig drängt sich mir auf, zumal die Kähne auch noch vom Kahnführer mit einem langen Ruder wie bei seinem Kollegen, dem Gondoliero in Italien vorwärts bewegt werden. Durch das schöne Frühjahrswetter bedingt, sehen wird öfters, Kähne gut gefüllt mit Touristen, an Tischchen sitzend und sich an Speis und Trank labend.

 

Km-Schilder sind sehr selten und kommen nur an Verpflegungsstellen, die wiederum ruhig häufiger kommen könnten. Iso-Getränke gibt es fast bei jeder Stelle und ich mache ausgiebig Gebrauch davon. Kuchen der verschiedensten Sorten werden überall angeboten und Hartmut entpuppt sich als großer Kuchenfreund. Isst er doch an jeder Verpflegungsstelle mehrere Stücke. Ich selbst kann Kuchen überhaupt nichts abgewinnen und verzichte völlig auf feste Nahrung. Erstaunlicherweise ist Feldmann sehr schlank. Hätte ich solche Nahrung auf meinem Speiseplan, mein Körpervolumen würde sich trotz ständiger Langläufe schnell dem des ehemals Marathon laufenden Vizekanzlers angleichen.

 

An einem Abzweig zu einem Restaurant steht ein einsamer Geigenspieler mit Schillerlocken und lässt liebliche Weisen ertönen. Irgendwann verlassen wir den Wald, kommen auf`s freie Feld und ein endlos anmutender Feldweg, der km-weit geradeaus führt, tut sich vor uns auf. Die Sonne brennt….

 

Cora ist ruhiger geworden, doch noch ist sie mit Freude dabei. Ab und zu sind abgeschnittene Baumzweige auf dem Weg zu sehen. Instinktiv deuten wir sie glücklicherweise richtig. Es geht von unserer Laufgruppe nicht jedem so.

 

Eberhard Bergner und Andre Dreilich zum Beispiel vollbrachten einen unfreiwilligen Duathlon. Nämlich die Disziplin Laufen und Schwimmen. Sie durchschwammen einige Wasserarme und arbeiteten sich durch schwer durchdringliches Unterholz durch, um wieder auf den rechten Weg zu gelangen. Die Wassertemperatur betrug so gegen 3 – 5 Grad….

 

Jetzt laufen wir auf einem Weg, der von industriell vorgefertigten Betonplatten befestigt ist, eine Hinterlassenschaft des damals real existierenden Sozialismus, die mir auch vom Deutschen Einheitslauf im Oktober letzten Jahres in Thüringen unangenehm in Erinnerung geblieben ist.

 

Wir kommen wieder in den Wald mit seinen lieblichen Dörfchen. So reich seine Natur war und immer noch ist, wohlhabend waren die Bewohner des Spreewaldes nie. Zwar verhinderte die Ursprünglichkeit des Gebietes viele kriegerische Übergriffe, doch sie erschwerte auch das Leben der Bewohner, die ihr Brot als Handwerker, Bauern und Fischer verdienten und dafür dem Urwald mühsam Felder und Wiesen abringen mussten. Inzwischen ist neben der Landwirtschaft der „sanfte“ Tourismus wichtigste Erwerbsquelle der Leute.

 

An einer großen Gastwirtschaft mit Biergarten befindet sich eine gut bestückte Verpflegungsstelle. Viele Bier trinkende Touristen bestaunen uns und applaudieren. Bald sind wir wieder am Ausgangspunkt, dem Schloss Lübbenau. Da ich wie immer ohne Uhr unterwegs bin, frage ich Hartmut zum ersten Mal nach der Zeit. Es sind über 2 ½ Stunden… Es ist in Ordnung, es soll bei einem Wohlfühlmarathon so sein.

 

Jetzt beginnt die 2. Runde. Schon seit langem haben wir niemanden überholt oder sind überholt worden. Und das sollte sich bis zum Zieleinlauf nicht ändern. Auf der jetzt stattfindenden Wiederholungsrunde sind  wesentlich mehr Spaziergänger und Radfahrer anzutreffen als vorhin. Auch ein Eisstand hat mittlerweile geöffnet. Eine Frau in mittleren Jahren steht dahinter und Hartmut, der alte Süssling, entpuppt sich als großartiger Charmeur, gelingt es ihm doch, da er kein Geld dabei hatte, bei der netten Frau eine Gratisportion Eis zu ergattern.

 

Die Strecke wie gehabt, irgendwann gesellt sich ein Rad fahrendes Pärchen in unserem Lebensalter zu uns, mit denen wir uns mehrere km gut unterhalten. Auch der schillerlockige Geiger ist noch da, und nachdem der uns erblickt, beginnt er sofort mit seinem Spiel.

 

Die km-weite Gerade kommt, und es wird warm, für meine Begriffe zu warm. Cora läuft jetzt „bei Fuß“ ohne Kommando. Ein sichtbares Zeichen für starke Ermüdung. Ich esse jetzt ständig diese Gelchips der Firma Ultra- Sports, die mir tatsächlich neue Kraft geben.

 

Wir kommen wieder in den Wald, erreichen dann auch wieder die große Verpflegungsstelle an der Waldgaststätte. Jedoch nur die blanken Tische stehen da. Voreilig wurde abgeräumt. Wir reklamieren, setzen uns an einen freien Biergartentisch und eine Bedienung bringt uns die Speisekarte. Nein, wir wollen nur Wasser… Es dauert lange, und dann kommt die Frau mit je einem Plastikbecher. Nochmals ist eine Reklamation fällig: „ wir brauchen die fünffache Menge…. Noch länger dauert`s und dann werden für jeden 5 Becher Wasser gebracht. Ehrfürchtige Blicke der zahlreich anwesenden Gäste begegnen uns; hat es sich doch schnell herumgesprochen, dass wir 3 mal 42 km an 3 hintereinander folgenden Tagen laufen. Wir machen die Bedienung darauf aufmerksam, dass noch 2 weitere Läufer hinter uns wären und sie deshalb Wasser bereithalten soll. Nach langer Pause, Cora hat es sich unterdessen unter dem Tisch bequem gemacht brechen wir auf.

 

Es sind noch ca. 7 km bis zum Ziel. Es kommen wieder viele hohe Holzbrücken, die Cora immer schwerfälliger erklimmt. Überhaupt, jetzt läuft er nicht mehr neben sondern hinter mir, und immer öfter muß ich ihn durch Rufe zum Aufrücken veranlassen. Das Spreewaldmuseum, ein früheres Gefängnis, in dem auch politische Häftlinge einsaßen, kommt in Sicht. Wir sind dem Finish nahe.

 

Vor uns bewegt sich ein junger Mann im Lebensalter unter 30 auf zwei Holzkrücken weiter. Er trägt die Startnummer des Halbmarathons. Die Beine hängen schlaff herunter und sind völlig ohne Muskeln, er scheint querschnittsgelähmt zu sein. Es ist ein wahrer Held…. Hat der doch schon 20 km ausschließlich mit der Kraft seiner Arme und in erster Linie mit stählernem Willen hinter sich gebracht. Wir wechseln einige Sätze, bekunden unsere aufrichtige Hochachtung… Er ist ganz im Glück und strahlt, als hätte er den Jackpot im Lotto geknackt. Wären wir näher dem Ziel, wir hätten ihn nicht überholt, sondern wären hinter ihm hergelaufen. Aber so sind es noch etwas mehr als 1 km.

 

Der Hund hat große Mühe, doch dann laufen Hartmut und ich Hand in Hand durchs Ziel. 5.46 wird als Zeit auf der Urkunde stehen! Na und… Es war ein herrlicher Erlebnislauf in einer der schönsten Landschaften Deutschland.


Der querschnittgelähmte junge Mann kommt ins Ziel und ihm branden Ovationen entgegen. Er strahlt und weint vor Glück. Vielen, einschließlich mir, bleiben bei diesem, seinem Triumph die Augen auch nicht trocken…

 

Übrigens: auch Cora bekam eine Medaille, in Form einer Gurke, dem bedeutendsten landwirtschaftlichen Erzeugnis des Spreewaldes umgehängt und dazu ein großer Eimer Wasser vorgesetzt.

 

Dann kommt der Pole, der auch gestern hinter mir war ins Ziel und nach einiger Zeit Sigrid Eichner mit einem behendigen und leichten Laufstil wie ein junges Mädchen…

 

Der 2. Teil des Triples ist abgeschlossen. Cora und ich müssen noch etwas über 1 km gehen, um an`s Auto zu gelangen. Nur mit großer Mühe kommt der Hund dann an seinem innigst geliebten Auto an. An einer Hundeteilnahme am morgigen Spreewaldmarathon in Burg ist nicht zu denken.

 

In Cottbus nehmen mein Zimmerkamerad Klaus Neumann, Rene Timmermann und ich im nahegelegenen Fitnesscenter ein wohlschmeckendes Abendessen ein. Ich trinke noch ein Bier, um den Süßgeschmack der vielen Elektrolytgetränke loszuwerden und ab geht`s zur wohlverdienten Bettruhe. Diesmal schlafe ich gut und fest und werde von keinen Radrennbahn-Rundezählalbträumen wie vergangene Nacht belästigt.

 

Sonntag, 17.04.2005 So gegen 6.00 am Morgen werde ich wieder wach, fühle mich gut ausgeschlafen und von keinerlei Marathonzipperleins geplagt. Im Gegenteil, ich fühle mich besser als vor dem Start zum Radrennbahnmarathon. Das lange Laufen ist mir also besser bekommen als das lange Autofahren…

 

Im Speisesaal verteilt Marcel Heinig Pokale. Ein jeder Finisher des Lausitzer Triples erhält einen. So auch ich, der ich nicht gerade verwöhnt bin von solchen Auszeichnungen. Es ist jetzt der zweite Pokal. Den ersten bekam ich 2002 beim Edersee Supermarathon als 2. in meiner Altersklasse. Es waren zwar 4 Läufer in dieser Kategorie am Start; aber nur 2 kamen ins Ziel….

 

Nach einem wieder reichhaltigem und guten Frühstück und sehr angenehmer Unterhaltung mit Sportsfreunden starte ich in Richtung Burg, das etwas schneller zu erreichen ist, als gestern Lübbenau. Cora konnte heute Morgen nur mit großer Mühe einige Schritte laufen, um ihre Gassi-Geschäfte zu erledigen. Jetzt liegt sie wie ein Zementsack hinten im Auto.

 

Burg, der Austragungsort des Spreewaldmarathons ist schnell erreicht. Neben einer Autoreparaturwerkstatt, die unmittelbar an einem Wäldchen steht, stelle ich das Auto ab. Nach Überprüfen des Sonnenstandes und der voraussichtlichen diesbezüglichen Weiterentwicklung kann ich erkennen, dass das Auto fast nur im Schatten stehen wird. Da heute Sonntag ist und nicht gearbeitet wird, bin ich Niemandem im Weg.

 

Nach einigen 100 m erreiche ich dann den offiziellen Marathon-Parkplatz und im Gegensatz zu gestern ist hier die Hölle los. Es sind jetzt hauptsächlich die Rollschuhfahrer, die aus den Autos steigen, denn die so genannten Inline-Skater starten vor uns Läufern. Ich bin wie fast immer zu früh dran. Nach ca. 1 km erreiche ich das Festzelt, wo die Startnummern ausgegeben werden. Wir bekommen eine Neue, die Alte mit der Aufschrift 3 Tage, 3 Marathons bringen wir an unserer Rückseite an. Denn wer angibt, hat mehr vom Leben…Viele Leute staunen…

 

Ich laufe mit den gleichen Klamotten wie die 2 Tage zuvor, mein Hund hat Freude an dem Geruch. Ob es den Menschen auch so ergeht, ich bin mir da nicht so ganz sicher… Als Kopfbedeckung trage ich jetzt die weiße Legionärskappe von Reunion, denn ich will Sonnenbrände vermeiden. Der junge Mann in der 35-Altersklasse, der in der Radrennbahn mit Frack und Zylinder am Halbmarathon teilgenommen hat, steht jetzt plötzlich in der Verkleidung als „alter Fritz“ neben mir, mit weißer Perücke und zeitgenössischem Gehrock.

 

Im großen Starterhaufen herrscht jetzt hektische Betriebsamkeit. Viele stretchen, wohl als Ablenkung der eigenen Nervosität, denn Sinn macht es überhaupt keinen; im Gegenteil es schadet sogar. Wie ein ruhender Pol stehen wir 3-Tagesläufer in der aufgeregten Masse. Viele Debütanten sind wieder dabei, die nicht glauben wollen, was sie da auf Startnummern sehen, 3 Marathon in 3 aufeinander folgenden Tagen. Haben die meisten doch davon gehört, dass man maximal nur 3 Marathon laufen soll, in einem Jahr…

 

Der Startschuß ertönt und bedingt durch die große Masse können wir uns anfangs nur gehend vorwärts bewegen. Harald und diesmal auch Monika von Cocemba sowie ich ordnen sich weit hinten ein, denn es soll wieder ein angenehmer Landschaftserlebnislauf werden. Ich betrachte diese Läufe grundsätzlich als Training für die 217 km vom Badwater-Ultra, und die Zeit ist wirklich absolut egal. Der Körper soll sich lediglich an km gewöhnen.

 

Der Marathonaustragungsort Burg ist übrigens die größte Flächengemeinde Deutschlands und ist im Grunde doch nur ein Dorf. Die Streusiedlung Burg/Spreewald umfasst 55 km, die sich nur 4.200 Einwohner teilen. Alle Ortsschilder sind 2-sprachig, ist doch der Spreewald die Heimat der Sorben oder auch Wenden genannt, einem slawischen Volksstamm, der im Zuge der Völkerwanderung im 6. Jahrhundert hier eingewandert war. Die hiesige Bevölkerung wurde im Laufe der Geschichte nicht zuletzt durch Germanisierungsversuche öfters unterdrückt. Am Schlimmsten wohl unter den Nationalen Sozialisten des „tausendjährigen Reiches“, die das Sprechen des Sorbischen verboten. Die Internationalen Sozialisten danach hingegen förderten die Sorbische Minderheit, wenn auch nur zu Propagandazwecken. Heute gibt es in Cottbus sogar Gymnasium, das auf Sorbisch unterrichtet und auch eine Zeitung in dieser Sprache erscheint.

 

Wieder sind 2 Runden zu bewältigen und heute ist jeder km ausgeschildert. Ich laufe jetzt mit einem Halbmarathon laufenden ganz jungen Debütantenpärchen zusammen, denen ich von meinen Ultramarathongeschichten erzähle. Sie interessieren sich sehr dafür und die Zeit geht kurzweilig dahin. Wald bekommen wir heute ganz selten nur zu Gesicht, stattdessen Wiesen und andere landwirtschaftlich genutzte Flächen. Immer wieder kommen wir an Wasserstraßen vorbei, auch ein Storchennest kann ich erkennen. Die Verpflegungsstellen kommen in dichter Reihenfolge, die Leute sind nett und es gibt überhaupt nichts zu tadeln. Heute fühle ich mich besonders wohl und laufe sogar den 1. Halbmarathon schneller als Hartmut.

 

In Burg, wo sich Start und Ziel befindet und für uns Marathonisten das Ziel 2 mal durchlaufen werden muß, befindet sich eine riesige Menge mit jubelnden Zuschauern. Automatisch wird der Hals länger, der Bauch weniger und der Schritt noch eleganter.

 

Bei km 22 fällt mir ein junger Mann, so wie ich ganz in schwarz gekleidet, auf. Er ist richtig dick und erleidet qualvolle Momente. Gerade wechselt er in die Geherdisziplin. Ich muntere ihn auf. Er sagt, er wisse was er tun muss, denn es wäre schließlich sein 32. Marathon…Im Vergleich zu ihm ist Martin Linek mit seinem leider immer noch vorhandenen Winterspeck gertenschlank.

 

Irgendwann überholt mich Hartmut. Nach etlichen km kann ich dann wieder bei ihm aufrücken, da er kurzfristig langsamer läuft, um ihn dann nach einer Wasserlassungspause endgültig aus den Augen zu verlieren. Ein deutsch/türkisches Pärchen aus Berlin sind zeitweilig meine Begleiter. Auch sie sind Marathonfrischlinge. Durch die Einnahme meiner mitgenommenen Gelchips werde ich wieder schneller und lasse sie hinter mir. Noch 10 km sind zu schaffen. Eine ganze Reihe von mehr oder weniger erschöpften Läufern überhole ich jetzt und werde selbst nicht mehr überholt.

 

Nach 5 Stunden und 9 Minuten laufe ich dann mit der wirklichen und nicht gespielten Leichtigkeit des Seins ins Ziel und bekomme wieder eine Medaille in Gurkenform umgehängt. Mit der Medaille von Cora nenne ich jetzt also 4 Gurkenplastiken mein Eigen….

 

Im Festzelt treffe ich noch Willem Mütze und seinen holländischen Kameraden, der die Halbmarathondistanz 3 mal schneller walkend als ich laufend hinter sich gebracht hatte. Außerdem kann ich mich noch angenehm mit dem 100MC-Vorsitzenden Christian Hottas, Lothar Gehrke, der Abenteuerliches plant, eine Radtour von Hamburg nach Peking nämlich, Hartmut Feldmann, Monika von Kocemba und anderen vom 100 Marathon-Club unterhalten.

 

Da ich noch eine weite Heimreise – über 760 km – vor mir habe, begebe ich mich zum Auto zurück. Cora liegt im Auto, immer noch wie ein Sack. Tatsächlich ist es kühl darin und es bestanden zu keiner Zeit Hitzeprobleme.

 

Auf einer Rasstätte bei Dresden nehme ich noch eine vorzüglich mundendes reichhaltiges Gemüsegericht zu mir, trinke später noch eine Dose „Red Bull“ und erreiche so gegen 2.00 Uhr völlig problemlos mein Zuhause.

 

Ein sehr abwechslungsreiches und schönes Wochenende ist zu Ende…

 

Informationen: Spreewald Marathon
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