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marathon4you.de

 

Laufberichte

So, wie wir es lieben

 

„Du solltest das Siebengebirge in Deinem Bericht entzaubern!“, gibt mir Udo an seinem Verkaufsstand mit auf den Weg, als ich mich anschicke, das Bürgerhaus in Aegidienberg nach dem Lauf zu verlassen. Die Fragezeichen auf meiner Stirn deutet er richtig und erklärt: „Als wir 1999 den Marathon konzipierten, kam es uns darauf an, einen Reiz zur Teilnahme auch an die Flachlandtiroler auszusenden.“ Aus Deutschlands vornehmlich flachen Norden nähmen nämlich viel zu wenige Laufkundige teil. Das Siebengebirge sei eben kein Gebirge mit richtigen Bergen, sondern mit eher sanften Hügeln, die grundsätzlich problemlos zu bewältigen seien. Also, liebe Nordlichter, bitte weiterlesen und Bilder anschauen, denn genau so ist es.

Anfang des Jahres verdichten sich die Gerüchte, mit dem Siebengebirgsmarathon ginge es zu Ende, 2024 würde er zum letzten Mal ausgetragen. Es fehle v.a. an Helfern, eine Situation, mit der viele Veranstalter zu kämpfen haben. Daher fällt meine Entscheidung zur erneuten, vermeintlich finalen Teilnahme als mein Dezember-Marathon bereits früh im Jahr. Doch dann kommt die Entwarnung: Nach 23 Ausgaben wechselt die Chefetage. Mit einem herzlichen Dank an Bruno Röser, Thomas Hahn, Dirk Wevelsiep, Volker Stautz und Andreas Diehl des vormals veranstaltenden Vereins „Marathon Rhein-Sieg e.V.“ für über 20 Jahre Marathon im Siebengebirge übernehmen Arne Pöppel und Sabine Osterholt (Beueler 10er & Löwenburglauf) sowie Christian Stein (Drei-Brückenlauf Bonn) die Organisation und setzen die Tradition damit fort.

Puh, Glück gehabt, der Verlust wäre schmerzlich gewesen, denn an diesem Lauf hängt mein Herz in ganz besonderer Weise. 2002 habe ich mich hier erstmals an die 42,195 km mit zahlreichen, bleibenden Erinnerungen gewagt. Und so kommt es, daß ich, der wegen des vielfältigen Angebots normalerweise kaum einen Lauf zweimal bestreitet, hier zum bereits siebten Mal antrete.

Man kennt sich aus, kommt kurz vor knapp an, denn die Startunterlagen habe ich bereits am Donnerstag beim Dealer meines Vertrauens, 7G-Runergy in Bad Honnef, abgeholt. Und erlebe gleich den ersten Schock: Die Tribüne in der Veranstaltungshalle ist gesperrt, auf der man sich immer halbwegs unbeobachtet umziehen und seine Tasche deponieren konntr. Um es gleich zu sagen: Es sollte die einzige wirkliche Überraschung bleiben, der Rest ist mindestens gleich gut geblieben. In dem einen oder anderen Detail ist man sogar professioneller geworden.

Bald schon trolle ich mich aus der Halle, mache mich auf den wenige Minuten dauernden Weg zum sog. Gangpferdezentrum. Hier bietet man Ferienfreizeiten, Lehrgänge, Pensionsplätze, sowie allerlei Sport und Spaß mit Pferden an. Die Hottehüs sind alle beim Frühstück und schenken uns kaum Beachtung. Nahrungsaufnahme geht auch bei denen vor.

 

 

Gerade hier, nur zwanzig Autominuten von Zuhause entfernt, treffe ich natürlich zahlreiche liebe Lauffreunde, von denen ich an dieser Stelle nur Norbert erwähne. Der ist exakt zwanzig Jahre älter als ich und zeigte mir bis vor ganz wenigen Jahren bei langen Läufen regelmäßig die Hacken. Bei unbesetzter Altersklasse M75 wird der M85er in 5:22 Std. (!) schneller als der einzige Teilnehmer der M70 werden. Was für eine Gnade!

Ach, dann ist da noch eine Überraschung, denn am Start steht man verkehrt herum. Daß die Strecke leicht verändert wurde, hatte ich zwar läuten hören, diese Einzelheit jedoch noch nicht. Egal, diese Flexibilität besitze ich gerade noch. Über insbesondere von den nächtlichen Regenfällen ordentlich aufgeweichten und von tiefen Pfützen durchzogenem Untergrund kommen wir nach einigen Schlenkern auf den Stellweg. Erspart bleibt uns somit der kurze Auftakt durch Aegidienberg mit Inaugenscheinnahme des Km-Schildes 42, kaum daß ein paar hundert Meter zurückgelegt sind. Wegen ein paar Startfotos zunächst ganz hinten, beginne ich mich ganz langsam einige Plätze nach vorne zu arbeiten.

 

 

Sigrid begleitet ihren Papa, den eben vorgestellten Norbert, „weil man den alten Herrn ja nicht alleine in den Wald lassen kann.“ Das hatte sie übrigens schon vor zwanzig Jahren so gesagt, als sie selber erst ernsthaft mit dem Laufen begann, das sie bis in die 24 h-Nationalmannschaft brachte. Norbert ist übrigens, nur mal so zur Einordnung, in der M75 100 km-Weltmeister in 9:27 Std. geworden.

Ach, die Schneewittchenhütte, die muß ich wegen der netten Figuren immer wieder fotografieren, verliere dabei aber leider den Olli, mit dem ich gerne weiter zusammen gelaufen wäre. In Pulheim haben wir dieses Marathon-Laufjahr gemeinsam begonnen und werden es heute auch gemeinsam beenden. Es ist 9:20 Uhr, hinter uns starten jetzt die Halbmarathoner.

Die ersten sanften Aufs und Abs stimmen uns auf die kommenden Höhenmeter ein. An jeder Abbiegung, an der man sich verlaufen könnte, steht ein freundlicher Streckenposten und hält uns auf dem Pfad der Tugend. Dann gehe ich das erste Mal zur Sicherheit ein paar Meter, als es kurz strammer bergauf geht, aber das ist gleich geschafft. Klar, wer jung und bergerprobt ist, joggt das von Anfang bis zum Ende locker durch.

Tobi Z. aus meinem Lauftreff z.B., der mit seinem Freiburger Kumpel Yap Tien-Fung in 3:08 Std. Neunter und Zehnter werden wird. Als Sehender mit einem stark Sehbehinderten, wohlgemerkt! Beide laufen, wie ich es von meinem Kenianer Henry Wanyoike kenne, mit einem Seil verbunden. Tobi hat zwar schon ganz andere Sachen gemacht, wird aber im Ziel zurecht stolz auf seinen ersten Marathon sein. Den Hunderter um die Zugspitze hat er beispielsweise schon zweimal in beeindruckender Manier geschafft. Warum klein beginnen, wenn man auch mit großen Sachen einsteigen kann?

 

 

Ein paar Motivationsschilder (warum in englischer Sprache?) im Vorfeld des ersten VP, die hier Ladestationen genannt werden, lockern die Stimmung weiter auf. Zunächst beschränkt man sich richtigerweise auf Flüssiges, Quantität und Qualität der Verpflegung werden im weiteren Verlauf deutlich zunehmen, sogar Gel wird zweimal und auch im Ziel geboten. Die Piranhas, eine Percussion-Sambaband aus (Bonn-)Beuel, heizen uns zum ersten Mal ein, eine weitere, nicht hoch genug zu lobende Neuerung. Wir werden sie später nochmal sehen und hören.

5 km sind absolviert. Auf dem Weg in Richtung Löwenburg stoße ich auf Iris und Jürgen, die im Gegensatz zu mir bereits ihren Ruhestand genießen, allerdings nicht im Lehnsessel. Auf den nächsten Metern wird mich Dirk begleiten, zuletzt hat er in Frankfurt den Zugläufer für 4:59 Std. gegeben. Ach ja, es ist schön, langjährige Weggefährten zu haben.

Die traditionelle Runde um die Löwenburg beginnt an der zweiten Ladestation, das Buffet ist bereits sehr reichhaltig, die Auswahl fällt schwer. An der Ittenbacher Margarethenhöhe sind die ersten zehn km absolviert, das Gelände ist mir nicht nur vom Siebengebirgsmarathon sehr vertraut. Das Ausflugslokal unterhalb der Löwenburg hat mir mal auf einem der Rheinsteig-Erlebnisläufe quasi das Leben gerettet. Das würde bei Bedarf auch das DRK machen, aber deren Auto bleibt heute wohl ungenutzt.

 

 

Lange, gerade Wegabschnitte sind zu nehmen, auf denen man mit sich aus motivationstechnischen Gründen gut zurechtkommen sollte, sonst könnte es mit zunehmender Erschöpfung haarig werden. Die nächsten Sprüche erscheinen, die Trommler sind wieder da, auch die nächste Ladestation trägt weiter zur perfekten Rundumversorgung bei. Auch das Wetter spielt mit: Bei 4-5 Grad und durchgehender Trockenheit (von oben!) gibt’s nichts zu meckern.

Eine Institution ist auch Thorsten, der Eventfotograf, der nicht nur mich hier bereits zum zweiten Mal abschießt. Seine Birgit erwartet uns im Ziel und sitzt im vergleichsweisen Warmen. Halbzeit ist nach 2:20 Std., alles im Lot. Aufregen muß ich mich an der einen oder anderen Stelle über die wenigen Mitläufer, die zwar gerne z. B. ein volles Geltütchen vom VP mitnehmen, es aber nicht schaffen, das leere bis zur nächsten Entsorgungsmöglichkeit einzustecken. Ein netter Laufkamerad sieht das genau so und macht sich als Müllmann um die Natur verdient.

Die eine oder andere Begegnungsstrecke sorgt für Kurzweil, während mit Raik und seiner Begleiterin gelacht wird, weil wir uns ziehharmonikamäßig immer wieder zusammenfinden. Sigrid und Norbert kommen mir entgegen, an seinem erfolgreichen Finish ist schon jetzt nicht zu zweifeln.

Es wird zunehmend einsam um mich herum, viele befinden sich schon im Ziel. Ich schaue auf die Uhr: 33,33 km liegen hinter mir, 3:45 Std. sind verstrichen. Zu meinen besten Tagen war ich jetzt schon im Ziel. Temporas mutantur. Die langen Geraden bleiben, bereiten mir aber unverändert kein Kopfzerbrechen. Meine untere Peripherie inkl. der Schuhe haben sich immer mehr der matschigen Umgebung angepaßt, aber so kennt man das hier. Wäre es anders, würde doch glatt etwas fehlen.

 

 

Ah, dann endlich ist der grüne Bauwagen da und sorgt für fast heimatliche Gefühle. Er ist tatsächlich trotz der grundsätzlichen Beweglichkeit so etwas wie ein Fixpunkt während dieses Laufs. Wieder mal ist eine Runde gedreht und am hier erneut angelaufenen VP entdeckt mich Kris beim Becherauffüllen. „Bin wieder fit und komme zu Dir zum Bärenkopplauf am 1. August!“ Damit hätten wir auch das geklärt und Heinz wird Konkurrenz in der M75 bekommen.

Am folgenden VP wird noch schnell Andrea geknutscht, dann erkenne ich die finale Kreuzung, die das Ende des Waldes signalisiert. Hinter dem Ortseingangsschild von Himberg/Aegidienberg bietet sich ein toller Blick auf die Hügel (nicht Berge!) des Siebengebirges. Ups, noch eine Neuerung, denn die Landstraße zwischen Himberg und Aegidienberg wird nicht direkt, sondern erst am Kreisel über den Zebrastreifen überquert. Im Nachhinein frage ich mich, warum das nicht schon immer so gewesen ist, mir erscheint diese Lösung weniger aufwendig. Thomas hilft einem älteren Herrn respektvoll über die Straße, worauf der noch anderthalb km vor der Brust hat. Meine Herren Gesangsverein, was bin ich hier im Jahre des Heils 2002 abgekackt! Heute habe ich mir die Sache gut eingeteilt und fliege vergleichsweise im 5:30er Schnitt, für meine heutigen Verhältnisse zügig, zur Halle.

 

 

Toll, was man sich für die finalen Meter hat einfallen lassen, ein sehr stimmungsvoller Zieleinlauf folgt. Mit Gittern ist der Einlaufkanal abgesichert, mehrere luftballongeschmückte Bögen zieren diesen, und der Clou: Man hat uns einen roten Teppich ausgelegt. Wer die Woche vorher in Valencia war, genießt jetzt den zweiten Teppicheinlauf, nur nicht in Blau. Und wer sich ein wenig an Frankfurt erinnert fühlt, liegt nicht verkehrt, denn der Einlauf ins Bürgerhaus hat auch etwas für sich, wenngleich natürlich mehrere Nummern kleiner.

Nach 4:42 Std. habe ich fertig. Von Birgit abgelichtet, gibt es im Tausch gegen den (erstmals verwendeten) Chip die Medaille sowie eine hübsche Mütze mit dem Lauflogo. Dann warten die Zielverpflegung und das reichhaltige Kuchen- sowie Pastabuffet gegen kleines Geld der Vernichtung.

Wir können uns glücklich schätzen, daß diese schöne Veranstaltung dem Laufkalender und damit uns erhalten bleibt, auch wenn ich sowohl das Auge Gottes sowie die V2-Stellung auf der Strecke schon etwas vermisse. Das Angebot um diese Zeit, Ihr wißt das, ist sehr dünn, insbesondere in fahrbarer Entfernung. Und die Nordlichter haben jetzt gelernt, daß man vor diesem Lauf keine Angst zu haben braucht, auch wenn die Höhenmeter inzwischen noch etwas auf nun 850 gestiegen sind. Aber hey, was soll’s, kannst Du die nicht laufen, gehst Du eben ein Stück. Es war also wieder einmal genau so, wie wir es lieben. Und exakt deswegen ist die Zahl der Wiederholungstäter derart hoch. Wir sehen uns im nächsten Jahr in Aegidienberg wieder. Inkl. Nordlichter!

 

Streckenbeschreibung:

Welliger Kurs auf häufig matschigem Untergrund, die Anstiege addieren sich auf 850 Höhenmeter.

Startgebühr:

45 € für den Marathon bei Voranmeldung, 5 € Nachmeldegebühr.

Weitere Veranstaltungen:

Halbmarathon.

Leistungen/Auszeichnung:
Mütze, Medaille, Urkunde, Sachpreise für die Erstplazierten.

Logistik:

Das Bürgerhaus Aegidienberg ist das Veranstaltungszentrum. Dort gibt es die Startunterlagen und ab 7 Uhr ein preiswertes Frühstück. Zum Start auf dem Gangpferdezentrum sind es ca. 400 Meter, das Ziel ist in der Halle. Parkplätze sind in der Nähe, Duschen in der nahegelegenen Schule.

Verpflegung:

Zehnmal Verpflegung an „Ladestationen“ (einige doppelt anzulaufen) mit Wasser, Iso und Tee (warm!), später zusätzlich Cola sowie Bananen und Riegel. Auf der zweiten Hälfte (neu!) an jeder Ladestation Gel. Gute und reichhaltige Zielverpflegung.

Zuschauer:

Bis auf einige kleine Fangruppen Fehlanzeige (was nicht stört), aber einige Spaziergänger und Jogger.

 

 

 

Informationen: Siebengebirgsmarathon
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