Jahresausklang im Siebengebirge unter Freunden. Letztes Jahr noch im Schnee versunken, präsentiert sich die Gegend heute in Feierlaune. Eigentlich wollte ich schon im letzten Jahr nach Aegidienberg, doch Petrus und Frau Holle schafften ohne Unterlass Schnee in ungeheuren Mengen herbei, dass die Veranstaltung ausfallen musste.
Heuer ist es bestens. Der Winter ist (noch) weit entfernt. Schnee nur ganz oben in den Bergen und in Nordeuropa. Für das Rennwochenende sind beständiges Wetter, kein Niederschlag, vielleicht sogar ab und zu etwas Sonne und fast kein Wind vorhergesagt.
Ich studiere noch nebenbei den Laufkalender und stelle fest, dass auf meinem Hinweg entlang der Autobahn 3 Tags zuvor ein Crosslauf stattfindet. Am Bornheimer Hang in Frankfurt, nur ein paar Kilometer von der Autostrada abseits, besteht die Gelegenheit, durch einen kleinen Park mit den Nagelschuhen zu pflügen. Und diese Option ziehe ich auch und handle mir dafür vor Ort von Artur Schmid, den bekannten Moderator, ein „Anton, was tust du denn hier“ ein.
Schade, dass auch hier nur wenige Athleten teilnehmen. Wer mal so richtig seinen Schweinehund ärgern und nebenbei Koordination, sicheren Schritt und Konzentration schulen will und nebenbei noch viel Spaß erleben mag, sollte an einem Cross teilnehmen. Dabei ist der Erlebnisfaktor genauso hoch wie bei einem Lauf über künstliche Hindernisse wie zum Beispiel beim Braveheart. Nur viel günstiger. Zu meiner Überraschung gelingt mir der zweite Platz in meiner Klasse. Und grüßen soll ich die ganze Leserschaft und unseren Cheffe Klaus von Artur, was hiermit erledigt wird.
Am späten Samstagnachmittag hole ich mir dann die Startunterlagen im Bürgerhaus von Aegidienberg ab. Dort sind schon wieder die üblichen Verdächtigen erschienen, die Marathonsammler vom 100 MC und andere, die Angst vor dem drohenden Weihnachtsspeck auf den Rippen haben. 600 Plätze für den Marathon und 500 für den Halben stehen zur Verfügung, das Limit ist noch nicht erreicht, so dass auch Nachmelder noch zum Zug kommen. Vorbildlich für den veranstaltenden Verein Marathon Rhein-Sieg, dass auf ihrer Website die aktuelle Starterliste und Starterzahl angegeben wird.
Aegidienberg, mit dem Namen können wahrscheinlich nur Insider was anfangen. Nun, der Stadtbezirk von Bad Honnef liegt rechtsrheinisch im Siebengebirge, rund 200 Höhenmeter oberhalb der Stadt und rund 30 Kilometer von Bonn entfernt. Dafür ist die Anschlussstelle der Autobahn 3 Bad Honnef/Linz gerade mal ein paar Fahrminuten entfernt.
Knapp 7000 Einwohner leben hier in dem Stadtbezirk, der bis 1969 eigenständig war. 1345 wurde die Ansiedlung als Hunferode und Hunferoyde erstmals urkundlich erwähnt. Der Name Aegidienberg wurde erst im 16. Jahrhundert für den Ort festgelegt. Der Heilige Aegidius, einer der 14 Nothelfer, war griechischer Kaufmann und später Abt der Abtei Saint-Gilles in Frankreich. In Bildern ist er häufig als Einsiedler oder Benediktinermönch zu sehen, meist in Begleitung einer Hirschkuh und auch von einem Pfeil getroffen. Ein politisches Aufeinandertreffen findet dagegen im großen bayerischen Volksfest in Abensberg statt. Das sogenannte Gillamoos hat den Namen von dem Heiligen. Ob es da auch heilig zugeht, na ja, bei den Politikern und bei einem übermäßigen Biergenuss wohl eher weniger.
Wer eine Unterkunft braucht, kann Unterschlupf in der Jugendherberge Bad Honnef finden. Doch Obacht, auf der Straße durch das Schmelztal wird die Geschwindigkeit kontrolliert und ich werde aufgrund meines gering überhöhten Tempos (5 bis 7 km/h über dem Limit) wieder ein paar Euro abdrücken dürfen. Vielleicht dient es der Euro-Rettung. Karl-Heinz Kobus ist einer meiner Zimmerkollegen in der Herberge. Mit viel Ratschen bringen wir den Abend kurzweilig herum. Karl-Heinz lief binnen Wochenfrist der Singapur Marathon.
Am nächsten Morgen ist die Temperatur deutlich unter dem Nullpunkt, dafür strahlt die Sonne. Zwar sind die Nebenstraßen des Aegidiusplatzes mit parkenden Autos mittlerweile belegt, doch innerhalb fünf Minuten Fußweg finden sich noch Abstellplätze in den Wohngebieten. Die Halbmarathonis werden in Kürze um 09.00 Uhr an den Start gehen.
Im Bürgerhaus werden gerade die letzten Meldungen getätigt. Das Startgeld ist für die Größe der Veranstaltung preiswert. 16 für den Halben bzw. 23 Euro für den ganzen Marathon werden bei frühzeitiger Meldung genommen. Medaille, Versorgung, Urkunde aus dem Internet und Nutzung des nahe gelegenen Hallenbades sind inklusive, das ist doch okay. Wer jetzt noch was zum Frühstücken braucht, auch das wird angeboten.
Das Gros der Teilnehmer macht sich eine knappe halbe Stunde vor dem Start um 10.00 Uhr auf den Weg zum Startgelände. Der Weg ist ausgeschildert und nicht zu verfehlen.
Am Gangpferdezentrum ist der Start, nur dass heute keine Isländerpferde auf der Bahn stehen, sondern die Rasse der Kilometerfresser. Und wir drehen nur eine halbe Runde, bevor wir dann hinaus dürfen. Jede Menge Pferde und offene Unterstände für die Vierbeiner sind hier zu sehen. Einige stehen in ihren Pferchen und wollen mitlaufen, so scheint es, denn einer scharrt schon mit dem Vorderhuf.
Einige Teilnehmer laufen sich warm und wollen wohl was reißen. Ich halte es lieber gemütlicher und komme so meinem Reporterauftrag nach. Die Bürgermeisterin spricht gerade ein paar Grußworte und weist auf die heutige Fernsicht hin. Drei der sieben Berge, wonach das Siebengebirge seinen Namen haben soll, sind jetzt zu sehen.
Die genannten sieben großen Berge, allesamt zwischen 300 und 450 Meter hoch, sind Großer Ölberg, Löwenburg, Lohrberg, Nonnenstromberg, Petersberg (darauf das berühmte Gästehaus der Bundesrepublik), Wolkenburg und Drachenfels. Es ist nicht geklärt, ob diese dem Gebirge, das nicht mit dem Riesengebirge verwechselt werden darf, dem Namen gegeben haben.
Früher wurden hier Bergbau und Steinbrüche betrieben, heute werden Teile davon land- und forstwirtschaftlich genutzt. 200 Kilometer ausgeschilderte Wanderwege stehen dem Naturliebhaber zur Verfügung und einen Teil davon werden wir unter die Füße nehmen.
Die Bürgermeisterin Wally Feiden spricht noch ein paar Worte, dann werden die letzten Sekunden heruntergezählt. Bei drei sehe ich suchende Blicke der Bürgermeisterin nach der Startpistole. Die zieht dann noch einer auf der Ladefläche aus der Hosentasche heraus und schießt gleich selbst. Wenn die Waffe da ungesichert im Hosensack war, dann bestand da höchste Gefahr …