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Laufberichte

Hochgenuss trotz Höllenqualen

 

Der Himmel ist wolkenverhangen, als sich kurz vor 10 Uhr die Läufer für den 24. Albmarathon startklar machen. Mehr als 430 Athleten suchen eine Herausforderung, die aus 50 Kilometern Strecke und 1100 Höhenmetern besteht: dem Alb Marathon.

Der Startschuss fällt Punkt 10 Uhr am Wettkampfzentrum, dem "Prediger", mitten im Herzen der altehrwürdigen Gold- und Silberstadt. Es geht zunächst quer über den Gmünder Marktplatz in Richtung Weststadt hinaus; die zurückliegende Landesgartenschau, die erst wenige Wochen zuvor die Pforten geschlossen hat, lässt das idyllische Stadtbild in noch schönerem Gewand erscheinen.

Der Regen in der Nacht zuvor sorgt für nassen Asphalt, bleibt zu hoffen, dass der Lauf nicht zur Rutschpartie verkommt.

Zunächst geht es auf flacher Ebene durch die Weststadt Richtung Ortsausgang und langsam gibt sich auch die Sonne ein Stelldichein.  Viel hat man davon allerdings nicht, da die Route jetzt unmittelbar in den Wald führt. Da kommt die erste Versorgungsstation mit warmem Tee und Wasser gerade recht, der Flüssigkeitshaushalt kann aufgetankt werden, was in Anbetracht der bevorstehenden Steigung, die es zu überwinden gilt, auch geboten ist.

Etwa eine Viertelstunde später wird Wäschenbeuren erreicht und damit die erste Hochebene. Die Verschnaufpause von der Bergetappe führt durch Wohngebiete, wo schaulustige Passanten immer wieder spontan Beifall zollen.

Die Sicht ist trotz leichtem Dunst einigermaßen klar und in der Ferne sind jetzt auch die Kaiserberge zu erkennen, die unter ihrer Bewaldung wie dunkelgrüne Kolosse vor uns liegen; zumindest für jene, die heute zum ersten Mal hier antreten, wird spätestens jetzt klar, dass einiges an Arbeit wartet. Der erste Teil der drei großen Bergetappen wird geradewegs angesteuert, der Hohenstaufen. Die Strecke führt zunächst über einen Feldweg zum Fuß des Berges und hier droht das Unterfangen tatsächlich zur Rutschpartie zu geraten, da der ein oder andere auf dem matschigen Boden mit dem Gleichgewicht ringt. Aber auch der darauf folgende schmale Pfad, der in Serpentinen zur Spitze führt, hat es in sich, da dieser mit den entgegenkommenden Läufern geteilt werden muss, die sich bereits im Abstieg befinden.

Etliche Trippelschritte später rückt das Gemäuer der Burgruinen ins Blickfeld, die den Höhepunkt erahnen lässt. Und dann ist es geschafft, die erste der drei Hürden kann abgehakt werden. Als Zwischenkür folgt eine kleine Runde um die Fragmente des 1070 erbauten Stammsitzes der Staufer-Dynastie, ein kurzer Ausblick auf die Landschaft und weiter geht's. Soll heißen, erst mal wieder bergab mit Kurs auf die nächste Erhebung, den Hohen-Rechberg.

Der Weg dorthin ist gesäumt von immer noch saftig grünen Wiesen, umrahmt von der einzigartigen Kulisse der Schwäbischen Alb. Wärmende Sonnenstrahlen und ein Versorgungsposten mit süßem Tee, Bananen und Müsliriegel hält Moral und Laune aufrecht.

Kaiserberg Nummer zwei rückt langsam näher und aus der Ferne hört man eine Musikkapelle spielen, deren Klänge zunehmend lauter werden. Kurz vor dem Anstieg zur zweiten Erhebung hat sich eine etwa zehnköpfige Gruppe und Blasmusikern postiert, die den Athleten mit ihren Darbietungen einheizt. Die erwidern das melodische Rahmenprogramm mit Beifall und Grußgesten.

Im Gegensatz zum Hohenstaufen gestaltet sich der Hohen-Rechberg erheblich angenehmer. Zum einen ist der Weg breiter, zum anderen ist der Untergrund geteert, so dass man besser Tritt fassen kann. Die Strecke zum Gipfel führt durch einen der bekanntesten Wallfahrtswege im süddeutschen Raum, die Marienbilder links und rechts laden trotz der körperlichen Beanspruchung zum Innehalten ein.

Am obersten Punkt angekommen, wartet eine jubelnde Menschenmenge, schallende Musik dröhnt aus vibrierenden Lautsprecherboxen, ein Moderator begrüßt die einlaufenden Marathonis namentlich, Kinder recken einem mit ihren ausgestreckten Armen Wasserbecher entgegen.

Auch wenn der Hohen-Rechberg aufgrund seiner historischen Bedeutsamkeit als Wallfahrtsort ein stark frequentiertes Ausflugsziel ist, sind derartig gut besuchte Events für die Örtlichkeit rund um die im 15. Jahrhundert erbaute Pfarrkirche dann doch eine Seltenheit. Man gönnt sich einen Moment Pause, lässt den Blick über das sagenhafte Panorama schweifen und die Landschaft auf sich wirken, dann geht es weiter, schließlich wartet die dritte und letzte Etappe des Bergtrios, der Stuifen.
Zunächst ist allerdings Vorsicht beim Abstieg geboten, da der mit feuchtem Laub bedeckte und stellenweise ziemlich steile Weg recht glitschig ist... - die Rutschpartie lässt grüßen.

Die Temperaturen sind etwas abgekühlt, nachdem sich die Sonne zwischenzeitlich den Wolken geschlagen geben muss.  Der guten Stimmung tut das jedoch keinen Abbruch tun. Die volle Aufmerksamkeit gilt nun dem nächsten Riesen, dessen Überwindung noch einmal alles abverlangen wird. Das liegt übrigens weniger an den knapp 30 Kilometern, die bereits zurückgelegt wurden, sondern mehr an dem, was uns beim Erklimmen des 757 Meter hohen Massivs bevorsteht.

Zu Beginn der Besteigung ist die Strecke noch geteert und damit noch halbwegs bequem begehbar. Ein Komfort, der beim Eintritt in das Waldgebiet ein jähes Ende findet. Der durch den Regen durchnässte, erdige Boden ist stellenweise derart matschig, dass die Rutschpartie jetzt in vollem Gange ist. Dass der Anstieg unter Berücksichtigung dieser Faktoren sich alles andere als angenehm ausnimmt, bedarf wohl wenig Phantasie. Hinzu erschweren Wurzelwerk, Äste und gröbere Steine das Vorankommen- Trailrunning pur ist angesagt.

Umso größer dann die Erleichterung, als auch diese Hürde überwunden ist und jetzt Kurs auf das "Kalte Feld" und die "Reiterleskapelle" genommen werden kann. Zuvor jedoch fordert der physische Energiehaushalt seinen Tribut, dem bei Kilometer 32 Rechnung getragen werden kann. Neben Wasser und Cola haben die ebenso engagierten wie hilfsbereiten Ehrenamtlichen des Orga-Teams nun auch heiße Brühe und Haferschleim im Repertoire, ein Angebot von dem reichlich Gebrauch gemacht wird. Nach kurzer Verweildauer geht's weiter.

Die Vorfreude darauf,  dass die weitere Strecke größtenteils flach verläuft, erhält nach einigen hundert Metern einen empfindlichen Dämpfer, denn der Weg zum "Kalten Feld" hat es mit einer knackigen Steigung nochmal in sich. Mit einer Mischung aus Trippelschritten und Spaziergänger-Tempo quält man sich die Anhöhe empor, bis auch dieser Tagesordnungspunkt abgehakt werden kann.  Bei dem ein oder anderen Marathoni sind mittlerweile deutliche Ermüdungserscheinungen zu beobachten. Nichts destotrotz reißt man sich zusammen, schließlich sind mehr als die Hälfte absolviert.

Die Route führt nun zurück zum gerade passierten Versorgungsposten. Das Bewusstsein drüber, dass es jetzt nur noch 15 Kilometer bis zum Zieleinlauf sind, scheint manchem geradezu einen Energieschub zu verleihen. Entsprechend beschwingt geht es weiter Richtung Straßdorf, umsäumt von einer malerischen Landschaftskulisse, in der sich die Gutshöfe einfügen wie in einem Postkartenidyll.

Nachdem auch die vorletzte Ortschaft vor Gmünd passiert ist, wird die Stimmung zunehmend ausgelassener.  Fast jeder Läufer, dem man jetzt begegnet, trägt ein entspanntes Lächeln auf den Lippen. Es ist ja lediglich noch Waldstetten zu durchqueren und dann ist die Sache unter Dach und Fach gebracht. Ganz locker und flockig eben...  oder etwa doch nicht?

Dass man den Tag nicht vor dem Abend loben soll, besagt ja schon ein altes Sprichwort und bereits am Vortag wurde eine kleine Streckänderung angekündigt, unter der man sich jedoch noch nichts Genaueres vorstellen konnte. Jetzt aber wird klar, was damit gemeint war: Keine zehn Kilometer vor dem Ende taucht ein weiteres Handicap auf. Als ob das Unterfangen nicht schon mehr als genug Energie und Disziplin erfordert hätte, erschwert völlig unerwartet eine zusätzlich eingebaute Steigung den Rundlauf, die sich unterhalb des Fußes des Hohen-Rechberg schlängelt und sich über einige hundert Meter in die Länge zieht.

Langsam wird die Luft dünn, was in diesem Fall weniger an den Höhenmetern, sondern mehr an den Energiereserven liegt, die zusehends zur Neige gehen. Für einen Moment macht sich eine diffuse Mischung aus Resignation und Trotz bemerkbar, man stellt sich die quälende Frage, welchen Sinn dieser zusätzliche Tort bezwecken soll. Waren da etwa Sadisten am Werk oder sollte einfach mal nur getestet werden, welche Kräfte auf den letzten Metern mobilisiert werden können...?

Noch ehe eine schlüssige Antwort gegeben werden kann, ebnet sich die Straße wieder und die nächste Versorgungsstelle rückt in Sichtweite. Tee und Wasser werden mit letzter Kraft runtergespült,  „Zähne zusammenbeißen und  stur weiterlaufen“ lautet die Devise, Durchhaltevermögen hat jetzt die oberste Priorität. Der rote Teppich liegt jetzt ja in Reichweite und dennoch scheint die Schlussphase vom Ortsausgang Waldstetten in die Gmünder Südstadt, die sich auf einer Geraden, die nur gelegentlich durch Kurven unterbrochen wird, kein Ende zu nehmen.

Auch wenn die Strecke nun sukzessive bergab führt, kämpft man mit der Monotonie, die einem mangels landschaftlicher Abwechslung auf den letzten Metern zu schaffen macht.

Endlich ist auch diese Passage überwunden und der letzte Getränkeposten wird erreicht. Von hier aus sind es noch etwa zwei Kilometer zum Ziel, versichern die Ehrenamtlichen, während sie den Ankömmlingen eilfertig isotonische Getränke und Salzgebäck ausreichen. Einen Moment lang hält man inne, nimmt einen kräftigen Schluck aus dem Beche,r atmet ein letztes Mal durch und weiter geht's auf die Schlussetappe, der wieder durch die Gmünder Innenstadt führt.

Wie zu Beginn des Laufs kann man hier noch einmal die Pflanzenpracht und Bauwerke der zurückliegenden Gartenschau bewundern. In der Ferne funkelt die Fassade des "Goldenen Hauses", dem architektonischen Highlight das anlässlich des mehrmonatigen Freiluftspektakels errichtet wurde. Während man in Gedanken versunken die Kulisse an sich vorbeiziehen lässt, ermüdet von den zurückliegenden Strapazen, steuert man unwillkürlich auf die Zielgerade zu: die Bocksgasse.

Zahlreiche Menschen säumen jetzt den Weg, eine Melange aus donnerndem Applaus und Sprechchören schallt einem entgegen, während man beflügelt dem knallroten Torbogen entgegenläuft, der den Abschluss der 50 Kilometer markiert. Endlich ist es geschafft: Der 24. Albmarathon ist Geschichte.

Fazit:

Steigung und Trail-Etappen sorgen für die besondere Würze dieses Events, zusätzlich hat die Witterung die Bedingungen erschwert und teils höllische Quälen beschert. Die traumhaft schöne Landschaft und ein geniales Panorama entschädigen diese Umstände jedoch allemal und machen das Erlebnis zu einem Leckerbissen erster Güte!

Wiedervorlage für 2015 ist vorgemerkt.

Kompliment an die Veranstalter und die Versorgungsteams, deren unermüdlicher Einsatz das Unterfangen erheblich unterstützt hat.

 

Einen Laufbericht von Anton Lautner mit vielen Bildern
gibt es hier auf Trailrunning.de

 

Informationen: Sparkassen Alb Marathon
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