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Laufberichte

Kompliment für das Urgestein am Baldeneysee

12.10.08
Autor: Klaus Duwe

Essen am Sonntag, Parkplatz Freiherr-vom-Stein-Straße:
„Hallo Klaus, schön dich zu sehen. Aber – willst du mit den Schuhen laufen?“
„Nein, ich fahre mit dem Rad. Laufen ist nicht.“

Solche Gespräche werden sich jetzt bald erübrigen. Die Marathons werden weniger und damit die persönlichen Kontakte, aber auch bezüglich meiner Verletzung sehe ich langsam Licht. Vergangenen Montag wurde ich am Knie operiert. Nachdem unsere Kassen pleite sind, geht das heute so: 6.30 Uhr rein in die Klinik, 12.30 Uhr raus. Zwar an Krücken, aber immerhin. Inzwischen kann ich wieder gerade gehen, Radfahren aber geht noch besser. Also bin ich in Essen, wo ich für die Runde um den Baldeneysee viel Zeit habe, denn die Läuferinnen und Läufer machen das Ganze gleich zweimal.

Seit 1981 ist das so. Zuvor lief man den Marathon auf einer Pendelstrecke am Hardenbergufer. Insgesamt findet der Marathon in diesem Jahr zum 46. Mal statt. Stolz verweist man darauf, dass der Marathon Rund um den Baldeneysee damit der „älteste, ununterbrochen ausgetragene Marathon Deutschlands“ ist. Bravo.

Zu einem weiteren Urgestein in Deutschlands Marathonszene, dem Schwarzwaldmarathon, der am gleichen Wochenende zum 41. Mal stattfindet, gibt es viele Parallelen. Im Schwarzwald hat Klaus Banka das Sagen, genauso ehemaliger erfolgreicher Marathonläufer wie Gerd Zachäus, der am Baldeneysee Regie führt. Früher hatte der Provinz-Marathon gegenüber dem Lauf in der Ruhrmetropole die Nase vorn und galt als der größte Marathon weltweit. Und als man 1968, einmalig in der damaligen Zeit, Frauen für das 42,195 km lange Rennen zuließ, dachte man daran in Essen noch nicht einmal im Traum. Das änderte sich erst 1974.

Die Zeiten haben sich geändert. Im Schwarzwald erreicht man die zum Überleben notwendigen Teilnehmerzahlen, indem man auch Unterdistanzen ausschreibt. Dagegen ist der Essener geblieben, was er war: ein echter Marathon. Obwohl man zweimal um den See läuft, wird nur die Marathondistanz gewertet. Die überdurchschnittlich hohe „Ausfallquote“ (1543 Finisher bei über 2000 Anmeldungen) weist aber darauf hin, dass viele ganz bewusst und vorsätzlich nach einer Runde aussteigen. Dabeisein ist halt alles. Der Veranstalter hat damit bestimmt kein Problem.

Kein Problem auch mit dem Wetter. Goldener Oktober ist angesagt, obwohl er am Sonntag erst verspätet eintritt. Zuvor ist dichter Hochnebel vor der Sonne. Aber die 11 Grad sind ideal für ambitionierte Läufer. Und solche sind am Baldeneysee immer wieder am Start. 2003 läuft Carsten Schütz mit 2:14:56 deutsche Jahresbestzeit. Gleiches gelingt  2006 Mario Kröckert bei seinem Marathondebüt. Im letzten Jahr wählt sich Stefan Koch die zwei Runden um den Baldeneysee für seinen ersten Marathon aus. Das Ergebnis,  2:17:17 Stunden, kann sich sehen lassen.

Informationen: Westenergie Marathon Rund um den Baldeneysee
Veranstalter-WebsiteE-MailErgebnislisteFotodienst HotelangeboteOnlinewetterGoogle/Routenplaner

In diesem Jahr soll es Tobias Sauter richten. Trotz seiner knapp 25 Lebensjahre kann der gebürtige Schwarzwälder schon auf etliche Marathonerfolge verweisen. Er gewann den Mittelrhein- und Hornisgrinde Marathon 2007 und belegte bei den Deutschen Meisterschafen 2007 und 2008 die Plätze 2 und 3. Seine persönliche Bestzeit bisher: 2:22:41 Er ist ehrgeizig. Sonst wäre er heute vielleicht beim Schwarzwaldmarathon am Start. Aber hier in Essen sind bessere Zeiten möglich. Unterstützung gibt im Alexander Lubina. Er macht die Pace bis km 30. Mal sehen, was dabei raus kommt.

Für Hobbyläufer ist die Strecke nicht minder interessant. Sie ist sehr abwechslungsreich und äußerst attraktiv. Fast ständig hat man den Blick auf den See, läuft durch bunte Herbstwälder und wird von bei Landschaftsläufen unüblichen Zuschauermassen angefeuert. Auch auf musikalische Unterstützung muss nicht verzichtet werden. Nur wer „typisch Pott“ erwartet, wird enttäuscht.

Das Startgelände in der  Freiherr-vom-Stein-Straße ist so ziemlich einmalig. Wer früh dran ist, bekommt dort direkt einen Parkplatz und kann so gleich hinter seinem Auto starten. Aber richtig lange Wege muss keiner befürchten, schließlich ist der Baldeneysee ein gefragtes Naherholungsgebiet und auf Besucheransturm eingerichtet.

Langsam füllt sich das Gelände. Etliches buntes Volk ist darunter. Bei einem Läufer mit blank polierter Glatze muss man zweimal schauen, denn seine Hörnchen sehen teuflisch echt aus. Einer hat sich als Nonne verkleidet und liest gelangweilt die WAZ. Das wäre doch ein Fotomotiv, der Teufel und die Schwester. Aber ich bringe die Zwei nicht zusammen.

Dann geht es auch schon los, 10.00 Uhr, der Start zum 46. RWE Marathon Rund um den Baldeneysee. Nach 3 Kilometer geht es über die Ruhr in den Stadtteil Werden, wo viele Zuschauer warten. Nach einem weiteren Kilometer sind wir an der unter Denkmalschutz stehenden Neukircher Schleuse (km 4) wieder am See.

Links blickt man auf den See, auf die für den Zieleinlauf mit Fahnen geschmückte Regattatribüne und später auf die Villa Hügel, das von Alfred Krupp 1873 errichtete Wohn- und Repräsentationshaus der Industriellen-Familie. Seit 1953 finden hier Kunstausstellungen und Konzerte statt. Es gibt auch eine ständige Ausstellung der Familien- und Firmengeschichte.

In Kupferdreh ist der alte Bahnhof von 1897 sehenswert. Die Dampflok der  Hespertalbahn, seinerzeit zur Beförderung der Kohle eingesetzt, kann man noch heute live bei einer Fahrt auf der historischen Strecke hier am Baldeneysee erleben.  Ein weiteres Zeugnis aus jener Zeit liefert der auf der anderen Seeseite sichtbare Förderturm der Zeche Carl Funke, in der schon im 18. Jahrhundert Kohle gefördert wurde. Fast genau 100 Jahre nachdem Fritz Funke die Zeche übernahm, gingen 1973 dort endgültig die Lichter aus. Neben dem Fördergerüst ist heute auch noch die restaurierte Zechensiedlung zu besichtigen.

Bei km 12 geht es auf der Kampmannsbrücke über die Ruhr und dann gleich auf die Wendepunktstrecke auf der halbseitig gesperrten B 227. Hier geht es hoch her. Während mit schnellen Schritten und kämpferischen Mienen die einen bereits auf dem Rückweg sind, sind die Hobbyläufer auf dem Hinweg.  Sie freuen sich über die Schulkinder, die mit viel Spaß ihre Trommeln bearbeiten und über ihren schwarz-grau gelockten Lehrer, der jedes Jahr hier mit offensichtlich wachsender Begeisterung bei der Sache ist.

Bei Kilometer 18 ist man zurück in Heisingen. Die Anwohnern feiern die Marathonis, die kurz nach der Halbdistanz wieder das  Seeufer erreichen. Inzwischen ist auf dem Wasser fast so viel los, wie auf dem Uferweg. Jede Menge Ruderer und Segler sind unterwegs. Zwei Kilometer weiter geht es rechts ins Ziel, geradeaus auf die zweite Runde, die bis auf die Wendepunktstrecke mit der ersten identisch ist.

Was macht Deutschlands junge Marathonhoffnung Tobias Sauter? Er läuft, angeführt von Alexander Lubina, stur sein Tempo, ausgerichtet auf eine Zeit unter 2:20. Bei Halbdistanz werden 1:09:21 gestoppt, Manuel Meyer aus Wattenscheid und Zelalem Martel von der LG Neckar-Enz sind gleich auf. Ob die aber das Tempo halten können? Und was ist, wenn Lubina aussteigt? Tobias Sauter stört das wenig. Als er bei km 35 über die Ruhrbrücke kommt, ist keiner mehr bei ihm. Konzentriert ist er bei der Sache. Man sieht ihm die Anstrengung zwar an, aber kaputt ist er nicht, er wird es schaffen. Im Minutentakt kommen seine Verfolger, die auf den restlichen Kilometern weiter an Boden verlieren.

Tobias Sauter ist auf der zweiten Runde fast 20 Sekunden schneller und läuft nach 2:18:24 ins Ziel. Eine tolle Zeit für den jungen Mann, der seine Bestzeit um 4 Minuten verbessert. Schön, dass es Veranstalter gibt, die dem Nachwuchs eine Chance geben und nicht wegen ein paar Minuten schneller mittelmäßigen Profis viel Geld fürs Kommen und Laufen zahlen.

Wie es weiter gehen soll, was er nächstes Jahr plant und welche Zeit er für machbar hält, will ich wissen. Tobias Unger ist kein Duckmäuser, forsch und selbstbewusst rückt er mit der Sprache raus: „Ganz ehrlich, 2:16 will ich laufen. Vielleicht in Hamburg.“

Auch im Frauenrennen gibt es tolle Zeiten. Nur zwei Frauen sind um den Baldeneysee schon einmal schneller als heute Silvia Krull mit ihren 02:38:21.

Da ich selber ja nicht gelaufen bin, zitiere ich als Fazit HaWe Rehers, der sich bei seinem Zieleinlauf spontan das Mikrofon greift und der Menschheit mitteilt: „Ich bin jetzt 91 Marathons gelaufen, aber das erste Mal hier am Baldeneysee. Hätte ich gewusst, wie schön es hier ist, ich wäre längst Stammgast.“

Jetzt gibt es den Marathon schon so lange, und noch immer wissen nicht alle bescheid. Viel Arbeit für die Manager. 

Zum Schluss gibt es dann aber doch noch etwas "typisch Pott". Die heimische Brauerei (Stauder) überläßt nicht dem Weißbierspezialisten aus Erding die Finisher und spendiert ein echtes Pils (oder zwei, drei ...). 

Sieger, Männer

1  Sauter, Tobias (DEU) TSV Eltingen  02:18:24
2  Meyer, Manuel (DEU) TV Wattenscheid  02:21:12
3  Martel, Zelalem (DEU) LG Neckar-Enz  02:29:32

Frauen

1 Krull, Silvia (DEU) LG Lage Detmold  02:38:21 
2 Bohn, Birgitt (DEU) Spiridon Frankfurt  02:43:06
3 Jedras, Barbara (DEU) Tusem Essen  02:57:44

Streckenbeschreibung:

Flacher Rundkurs, 2 x zu durchlaufen. Sehr gut zu laufende asphaltierte Straßen und Wege.

Zeitnahme:

Champion-Chip, Zwischenzeiten alle 5 km

Rahmenprogramm:

Pasta-Essen am Samstag. Startunterlagen gibt es Samstag von 12.00 bis 19.00 Uhr und Sonntag ab 7.30 Uhr in der Turnhalle des R.a.B.-Clubhausen, ca. 200 m hinter dem Regattahaus der Stadt Essen.

Auszeichnung:

Medaille, Urkunde

Logistik:

Ausreichend Parkplätze im Umkreis, am Startgelände stehen nur begrenzt.

Verpflegung:

8 Verpflegungs- und Getränkestationen mit Wasser, Iso, teilweise Tee und Cola, Bananen

Zuschauer:

Viele Zuschauer im Ziel auf der Regattatribüne, auch auf der Strecke an den Aktionspunkten und bei den Musikgruppen.

 

 

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