Schon wieder ein Weltrekord beim Berlin-Marathon? Ja, aber diesmal haben nicht ein Läufer oder eine Läuferin mit einer Superzeit für Aufsehen gesorgt, sondern 54.280 Läuferinnen und Läufer wie Du und ich. So viele haben nämlich den 50. Berlin-Marathon erfolgreich beendet. Eine Zahl, die bisher bei keinem Marathon weltweit erreicht wurde. Nach 13 Weltrekorden gilt der Berlin-Marathon als der schnellste der Welt. Jetzt ist er auch der größte. Herzlichen Glückwunsch.
50 Jahre Berlin-Marathon – dies ist nicht nur die Geschichte einer Sportveranstaltung, sondern auch die Geschichte einer einstmals geteilten Stadt. Sinnbild hierfür ist der stillgelegte Flughafen Berlin-Tempelhof, in dem die Marathonmesse untergebracht ist. Wer sich mit der Historie des Flughafens beschäftigt, weiß um seine Bedeutung bei der Versorgung der Stadt während der Blockade von Berlin 1948 durch die damalige Sowjetunion.
Das Luftbrückendenkmal im Park vor dem Empfangsgebäude erinnert uns daran, wird aber kaum wahrgenommen. Schon eher beeindruckt sind die Besucher der Messe von der historischen Empfangshalle und dem Ausmaß des Baukomplexes mit seinen Hangars, welches sich erst vom Flugfeld aus dem Betrachter erschließt. Dort auf dem Flugfeld sind auch einige historische Flugzeuge ausgestellt. Darunter die Douglas C54 "Skymaster", im Volksmund „Rosinenbomber“ genannt, weil sie während der Blockade nicht nur Güter nach Berlin brachte, sondern auch Süßigkeiten für die Kinder abwarf.
Zurück in der Gegenwart müssen wir zunächst die Anmeldeformalitäten erledigen, erste Hürde ist die Kontrolle des Startpasses und des Ausweises. Die lange Schlange der Teilnehmer wird durch Absperrgitter im Zickzack geführt, gefühlt kommen hier schon die ersten Kilometer zusammen. Danach bekommen wir ein Armbändchen, mit dem wir uns morgen ausweisen müssen, um in den Startbereich zu gelangen. Drittens dann nochmals eine Ausweiskontrolle bei der Ausgabe der Startnummern. Ein kompletter Hangar mit Dutzenden von Ausgabestellen ist hierfür vorgesehen, so dass sich trotz der vielen Teilnehmer keine langen Schlangen bilden. Für uns Jubilees ist ein extra Schalter vorgesehen, dort bekommen wir eine besondere, grün unterlegte Startnummer, die uns als mindestens 10-fachen Starter ausweist.
Nachdem die Formalitäten erledigt sind, öffnen sich die Türen für weitere Hangars mit einer Sportartikelmesse. Besonders beliebt sind die käuflich zu erwerbenden Finisher-Shirts, viele davon schmücken ihre Besitzer schon während des Laufes, in der Hoffnung, dass das auf dem Shirt Geschriebene auch eintritt. Neben Sportartikelanbieter sind auch Veranstalter anderer Marathons präsent, ich interessiere mich für den Hannover-Halbmarathon im nächsten April. Wer will, kann sich für Erinnerungsfotos vor besonderen Hintergrundleinwänden in langen Schlangen anstellen oder sich massieren lassen.
Ich finde mich lieber im Jubilee-Café ein, extra für uns Mehrfachstarter eine Oase in der Hektik der Messe. Neben Kaffee und Kuchen erhalten wir dort unsere Rückennummer, an der erkennbar ist, wie oft wir hier schon gestartet sind. In meinen Fall 27x, am morgigen Sonntag werde ich also den 28. Berlin-Marathon im Kasten haben. Dies scheint viel, aber es gibt mindestens 200 Läufer, die noch öfter dabei waren, der Rekordhalter sogar 47-mal. Einige von diesen Haudegen werde ich morgen oft der Strecke treffen. Wenn es eine Wertung gäbe mit der Zählung der meisten aufeinanderfolgenden Teilnahmen, dann wäre ich mit ebenfalls 27 – ich habe keinmal ausgesetzt – wohl weit vorne. Dies ist zwar völlig unerheblich, macht mich aber trotzdem ein wenig stolz. Auf einer großen Leinwand sind alle der über 5000 Jubilee-Mitglieder namentlich verewigt. Natürlich ist jeder bestrebt, dort seinen Namen zu entdecken.
Wer mag, kann sich auch noch die Sonderausstellung „Move“ anschauen, die anlässlich des Jubiläums in einem eigens dafür errichteten Pavillon am Brandenburger Tor zusammengetragen wurde und unter anderem eine Medaillensammlung sowie historische Jacken und Laufschuhe beinhaltet.
Am nächsten Morgen fahren Andreas und ich mit der S-Bahn bis zum S-Bahnhof Brandenburger Tor - die Fahrkarte für das Veranstaltungswochenende ist im Teilnahmebetrag von 200 € enthalten. Vom S-Bahnhof ist es nicht weit zum Veranstaltungsgelände am Reichstagsgebäude, welches wir nach Kontrolle der Startnummer und des Armbändchens betreten dürfen.
Es ist noch ein wenig Zeit und ich kann die unterschiedliche Art der Vorbereitung beobachten: Warmlaufen oder Kräfte sammeln, Ausrüstung überprüfen, ein letzter Toilettengang. Dann Abgabe der Startbeutel (Preisaufschlag 5 € bei der Anmeldung zu errichten) und sich den Massen auf dem Weg in die insgesamt vier Startblocks anschließen.
Im Startblock treffe ich auf M4You-Reporter Markus, der einen weiteren Laufbericht beisteuern wird. Auf großen Leinwänden sehen wir einige hundert Meter von der Startlinie entfernt, wie der Start des ersten Blocks erfolgt. Wir im zweiten Block haben noch 35 Minuten Zeit, der vierte und letzte Startblock geht sogar erst 1:25 Stunden nach den Profis auf die Strecke – solange braucht es, um ungefähr 58000 Starter auf den Weg zu bringen und das Teilnehmerfeld etwas zu auseinanderzuziehen, was auch dringend notwendig ist.
Dann heißt es Hände in die Höhe und die Arme schwenken. Ein tolles Bild, wenn dies zigtausende gleichzeitig tun. Nicht mehr lange, und auf den Leinwänden am Starttor fängt der Countdown an: 60 sec, 30, 15, 3, 2,1 und, optisch untermalt durch Feuerspeier auf dem Tor, endlich unser Start zum Jubiläumsmarathon.
Auf den ersten Kilometern durch den Berliner Tiergarten, einem großen Landschaftspark mitten in der Stadt, kann sich das Feld auf der breiten Straße des 17. Juni, die an einen Volksaufstand 1953 in der damaligen DDR erinnert, entzerren. „Fridolin Flink“, das Maskottchen des Berlin-Marathons, steht in der Mitte der Straße und klatscht Läufer ab. Schon von weitem ist die in der Mitte des Tiergartens gelegene Siegessäule, wegen der vergoldeten Viktoria-Figur auch „Goldelse“ genannt, zu sehen. Dieses an drei Kriege im 19. Jahrhundert erinnernde (und mit vergoldeten Kanonenrohren „verzierte“) Denkmal umströmen die Läufer rechts und links auf dem „großen Stern“, einem riesigen Kreisverkehr.
Durch das Charlottenburger Tor und vorbei an der TU geht es auf der noch immer breiten Straße weiter gerade aus zum Ernst-Reuter-Platz. Dieser ist benannt nach dem Berliner Oberbürgermeister, der mit dem Aufruf "Völker der Welt, schaut auf Berlin!" zur internationalen Unterstützung während der Blockade aufrief. So gesehen ist der diesjährige Marathon mit Teilnehmer aus 161 Nationen auch eine politische Veranstaltung, nämlich eine der friedlichen internationalen Verständigung. Wir biegen scharf rechts ab in Richtung des Stadtteils Moabit. Jetzt wird die Straße schmaler und das Teilnehmerfeld muss zusammenrücken, an dieser Stelle verträgt die Strecke nicht viel mehr Läufer. Es kommt schon mal zu Körperkontakt …
Über die Gotzkowskybrücke queren wir die Spree. Die insgesamten sechs Brücken über Spree und Kanäle sind die einzigen Anstiege der topfebenen Strecke, die auch deswegen nicht nur für Weltrekorde, sondern vielfach auch für persönliche Bestzeiten gut ist. Auch meine Bestzeit bin ich hier gelaufen, bei der dritten Teilnahme.
Bald erreichen wir die erste Getränkestelle bei km 5. In der Folge werden alle 5 km Getränke (Wasser, Tee, Iso) und Obst (Äpfel, Bananen) geboten, auch Eigenverpflegung kann tags zuvor auf der Messe abgegeben werden und steht dann hier bereit. Bei der Versorgung ist ebenfalls erkennbar, dass die Teilnehmerzahl jetzt an ihre Grenzen stößt. Zwischen den Verpflegungsstellen gibt es jeweils noch eine Getränkestelle mit Wasser, so dass alle 2,5 km Flüssigkeit aufgenommen werden kann.
Wir streben dem Regierungsviertel zu, die Kuppel des Reichstagsgebäudes ist sichtbar, auch das Bundeskanzleramt und linker Hand grüßt der Hauptbahnhof. Hier stehen die Zuschauer in dichten Reihen. Sicher haben viele von ihnen eben noch den Läufer auf dem nahegelegenen Startgelände zugejubelt. Bei km 7 wieder eine der kleinen Spreeanstiege, zur Belohnung können wir anschließend Richtung Friedrichstadt rollen. Eine Läuferin erzählt auf einem Rückenplakat ihre überstandene Krankheitsgeschichte. Wir werden noch viele andere sehen, die auf Ihren Shirts eine Botschaft mitteilen, manche erinnern an einen lieben Verstorbenen.
Schon von weitem sehen wir den Friedrichsstadtpalast, eines der größten europäischen Revuetheater. Heute stehen nicht die Beine der Tänzerinnen und Tänzer im Fokus, sondern auf die unsrigen kommt es an, denn es sind noch 34 km bis zum Ziel. In der Torstraße bei km 10 dann die erste Verpflegungsstation. Wir befinden uns im Scheunenviertel, dessen Name an die Scheunen erinnert, die ehemals außerhalb der Stadtmauer errichtet wurden. Heute mitten in der Stadt gelegen, erinnert nur wenig daran. Rechts und links begleiten uns schon eine Weile vier- bis fünfstöckige Wohnhäuser.
Vor mir läuft Peter. Er, Altersklasse 80, nahm am allerersten Berlin-Marathon 1974 teil. Seit Jahren unterstützt er die letzten Läufer des Marathons und ermuntert sie, nicht in den Besenwagen einzusteigen, sondern zu finishen. Heute nimmt er anlässlich des Jubiläums als einer von vier Läufern der ersten Stunde noch einmal selbst teil, ein wenig mit Wehmut, wie er mir sagt, denn er erinnert sich an seine Marathons unter 3 Stunden. Am Ende wird er der letzte Finisher von 54.280 sein und gebührend gefeiert werden. Respekt, Peter.
Hier gibt es dazu ein sehr emotionales Video
Dann ein weiteres Urgestein. Michel, der fröhliche Franzose. Lange Jahre habe ich ihn im blau-weiß-roten Clownkostüm als Teilnehmer erlebt, heute feuert er uns vom Streckenrand aus an.
Wir kommen zum Alexanderplatz und über die breite Frankfurter Allee zum Straußberger Platz, dort erwartet uns die nächste Getränkeversorgung bei km 12. Auf der Dreiviertelrunde um diesen großen Kreisverkehr ist sehr schön die endlose Reihe der Läufer zu erkennen. Wenig später ertönt Samba-Musik an der Strecke. Ein Läufer in einem Superheldenkostüm unterbricht seinen Lauf und tanzt eine Weile mit. Dutzende von Bands, Drummer, Blasorchester, Kombos liefern heute eine Geräuschkulisse, die ihresgleichen sucht. Außerdem sind noch viele Zuschauer mit ihrer Musikanlage an die Strecke gekommen.
Der nächste kostümierte Läufer lässt nicht lange auf sich warten, König Frank mit Zepter, Krone und Reichsapfel gibt sich die Ehre. Kurz danach dann Bertrand als Wildkatze. Wir kommen nach Kreuzberg. Hier verlief früher die Berliner Mauer, am Boden durch zwei Reihen von Pflastersteinen erkennbar, von denen allerdings kaum jemand Notiz nimmt. Am Moritzplatz vorbei erreichen wie die nächste Verpflegung bei km 15. Hier ist die Versorgung beidseitig der Straße angelegt, somit kommt kein Gedränge auf.
Vorbei am „Kotti“, dem Kottbusser Tor, nachts sozialer Brennpunkt, aber heute friedlich, geht es über den Kottbusser Damm zum Hermannplatz, Zentrum des Stadtteils Neukölln. Auf dem Weg dorthin sehe ich einen Läufer mit bereits 40 Teilnahmen, Volker, ebenfalls Altersklasse 80. Echte Vorbilder.
Am Hermannsplatz biegen wir rechts ab und laufen nach der nächsten Getränkestation bei km 18 auf den Südstern mit der eindrucksvollen Kirche in Insellage zu. Die jetzt folgenden Kilometer sind einer meiner Lieblingsabschnitte. Eine schöne, schattige Mittelallee, viele Zuschauer und Musikgruppen. Zum Beispiel eine kleine indigene Gruppe, die Musik aus den Anden darbietet, sie steht immer an der gleichen Stelle. Ich freue mich immer auf den Klang der Panflöten.
An der Verpflegungsstelle bei km 20 laufe ich auf Günter auf. Er ist 82 und heute das 43 mal dabei. Wir kennen uns schon seit Jahren und daher weiß ich, was sonst keiner um uns herum zur Kenntnis nimmt. Günter Hallas ist der Sieger des allerersten Berlin-Marathons 1974. Natürlich finisht er heute auch, es dauert halt ein wenig länger als vor 50 Jahren.
Mit großem Respekt vor Peter, Michel, Volker und Günter laufe ich weiter. Als nächstes folgen die Yorckbrücken, eine Reihe von Eisenbahnbrücken, deren Gleise über die Yorckstraße zu den ehemaligen Bahnhöfen Potsdamer und Anhalter Bahnhof führten. Ein eindrucksvolles technische Denkmal und Hot-Spot, Zuschauer unter und auf den Brücken. Dann ist der Halbmarathon geschafft.
Kurz danach freue ich mich auf eine Gruppe von Alphornbläsern, auch sie haben ihren festen Platz. Leider machen sie gerade Pause, als ich vorbeikomme. Als nächstes dann das Schöneberger Rathaus bei km 23, hier rief Kennedy 1963 angesichts der 1961 erfolgten Teilung der Stadt „Ich bin ein Berliner“. Ich bin es auch, zumindest gefühlt, erst recht heute.
Kilometer 24, Innsbrucker Platz. Gleich zwei Highlights erwarten mich, nachdem mich mein Sohn hier angefeuert hat. Die Drumband unter der Bahnbrücke. Hier fliegen Dir die Ohren weg und Du möchtest im Takt der Trommeln hüpfen. Für mich der musikalische Höhepunkt. Nur 100 Meter weiter der „Marathon-Balkon“, fetzige Musik und Anfeuerung von oben. Die Marathon-Party dort hat Tradition.
Bald darauf erreichen wir nach Stärkung an einer weiteren Verpflegungsstelle den Friedrich-Wilhelm-Platz. Wir laufen direkt auf eine mit roten Ziegeln verblendete, imposante Kirche zu. Nun sind wir in Friedenau angekommen, die Anwohner machen hier richtig Party. Dies braucht es langsam auch, 26 Kilometer stehen auf der Uhr. Eine Gruppe von Dudelsackspielern in schottischen Kostümen feuert uns an. Dann geht es weiter Richtung „Wilder Eber“, benannt nach dem gleichnamigen Platz, km 28. Hier ist ein Stimmungskulminationspunkt, Band, Cheerleader, viele Anwohner, die ihr Bestes geben, um uns anzutreiben.
Danach wird es in der Rheinbabenallee, die schmaler ist, ein wenig eng sogar. Eine schöne Allee, alte Gaslaternen, eine gediegene Wohngegend. Aber aufpassen: Mein Chef ist bei km 29 an der Strecke, um zu schauen, ob ich auch alles gebe… Spaß muss sein. Danach biegen wir auf den Hohenzollerndamm ein. Hier ist wieder Platz, dennoch fällt dieser Abschnitt vielen schwer, denn die Strecke zieht sich in einer endlos scheinenden Geraden hin. Wir sind bei km 30, der Mann mit dem Hammer schlägt zu. Bei mir noch nicht, ich erreiche am Fehrbelliner Platz in Wilmersdorf den nächsten Hotspot, auch hier eine Drumband und sehr viele Zuschauer, die wissen, dass wir jetzt Unterstützung brauchen.
Über die Konstanzer Straße erreichen wir den Kurfürstendamm in Charlottenburg. Die preußische Blaskappelle am Straßenrand macht auch gerade Pause, so ein Pech. Dann weiter an der Gedächtniskirche, von der seit dem Krieg nur noch eine Turmruine ergänzt durch Neubauten steht, vorbei zum Wittenbergplatz, km 35. Jetzt sagt der Mann mit dem Hammer auch „Hallo“ zu mir und ich muss öfters gehen. Damit bin ich bei weitem nicht der Einzige. Auch hier am Wittenbergplatz ist richtig was los – wie auch kurz darauf am Nollendorfplatz. Den Vogel schießen aber die „Midnight Runner“ an der Bülowstraße ab, eine Laufcommunity, die uns förmlich ins Ziel schreit.
So beflügelt geht es auf die letzten 5 Kilometer. Schon bald werden wir von der nächsten Berliner Laufcommunity „Run Berlin“ und einer weiteren Trommlergruppe angefeuert. Keine Gnade für die Ohren … und die Wade, denn jetzt folgt der Zuschauer-Hotspot Potsdamer Platz und da wollen wir keinen schlechten Eindruck hinterlassen.
Der Potsdamer Platz war nach dem Krieg so etwas wie ein Dreiländereck zwischen dem sowjetischen, dem britischen sowie dem amerikanischen Sektor der geteilten Stadt. Ab August 1961 verlief über den Platz die Berliner Mauer. Beliebtestes Fotomotiv bei Touristen ist hier das aus Mauerelementen gebildete Denkmal und nicht etwa die imposanten Atrium-, Kollhoff-, und BahnTower.
Auf der Potsdamer Straße ist es etwas ruhiger. Es gilt auf müden Beinen auf die in der Straße eingelassenen Straßenbahnschienen zu achten, Stolpergefahr. Schon bald folgt die letzte Getränkestelle, hier wurden Wasserbecher zu einer Pyramide aufgetürmt. Das war sicher vor dem Lauf, denn bei dem Ansturm der Massen dürfte danach hierzu wenig Zeit gewesen sein. Ich frage, ob ich den Becher aus der Mitte der Pyramide haben darf …
Dann folgt der Gendarmenmarkt mit Berliner und Französischen Dom und dem Konzerthaus. Ein einzigartiges Bauensemble, aber leider schon seit Jahren Baustelle. Vor mir läuft ein Barfuß-Läufer, nicht der einzige heute, die insgesamte glatte und saubere Straßenoberfläche lässt dies sicher ohne größere Verletzungen zu. Ich bleibe lieber in den Schuhen und gelange schon bald auf die Zielgerade, auf die Straße „Unter den Linden“. Auch hier gibt es eine Pyramide, aber nicht aus Wasserbechern, sondern aus einer Gruppe von Cheerleadern – wie lange die das wohl durchhalten?
Ich will mir keine Blöße geben und gehe wieder in den Laufschritt über, angefeuert von den nun dicht im Spalier stehenden Zuschauern rechts und links der Straße.
Für viele sicher der Höhepunkt: die Passage über den Pariser Platz und durch das Brandenburger Tor. Im Ziel sind wir noch nicht, ca. 300 Meter folgen nach dem Brandenburger Tor, an das sich dieses Jahr der Ausstellungspavillon „MOVE“ anschließt.
Auf der Strecke wird Horst Milde von einem Fernsehteam interviewt. Horst Milde, 85, ist der Begründer des Berlin-Marathon, in seiner Backstube wurde die ersten Veranstaltungen organisiert. Jahrzehnte hat er den Berlin-Marathon geprägt, aber schon vor langer Zeit den Staffelstab übergeben. Mark, sein Sohn, ist seit 20 Jahren Race-Director. Was alles in einer Backstube entstehen kann…
Fast möchte ich noch ein wenig bleiben, aber das Ziel, das wir über einen blauen Teppich erreichen, lockt. Ich blicke mich zu den nach mir folgenden Läufern um und sehe Emotionen pur. Auch für mich war es heute ein besonderes Erlebnis, abgerundet durch eine besondere Medaille.
Nun heißt es noch, eine Wärmefolie aufzunehmen (heute hat es mit 15 Grad zwar optimales Laufwetter, aber im Ziel kühlen wir schnell aus) sowie einen Verpflegungsbeutel, meinen Startbeutel mit den Wechselsachen abzuholen und zu duschen (in erstklassigen Duschcontainern).
Damit ist für mich der 50. Berlin Marathon Geschichte. Vielen Dank für 28 Jahre Emotionen.
Und in einer Woche öffnet die Anmeldung für die 51. Ausgabe. Ich bin dabei. Ist doch klar.