Nach 5 Kilometern sind wir auf der Humboldtbrücke und gleich darauf im Grünen im Park Babelsberg am Havelufer. Aufmerksamen Beobachtern entgeht der markante, mit Zinnen verzierte Flatowturm (1856) nicht. Und fleißige Marathonläufer erkennen auch sofort, dass es sich um eine „Kopie“ des Eschenheimer Turms in Frankfurt handelt. Aus neuerer Zeit, aber ebenfalls das Zeug zum Evergreen hat das Hans-Otto-Theater am anderen Ufer des Tiefen Sees. Ist die Ähnlichkeit mit der Oper in Sidney Zufall, oder setzen die modernen Baumeister die Tradition des „Abkupferns“ fort?
Der schmale Pfad durch die Wiesen des Havelufers (km 6,5) ist wunderschön, die Strandbäder noch kaum besucht. Vereinzelt trifft man auf Zuschauer oder Spaziergänger. Die Temperaturen sind noch ganz angenehm, der Lauf ein Genuss für’s Auge und für die Seele. Gleich sind wird am weißen Kleinen Schloss, das einmal vom einfachen Gartenhaus zum Wohnsitz des späteren Kaisers Friedrich III und seiner Frau Victoria 1833/34 umgebaut wurde. Wenig später taucht vor uns der schlanke Turm des Dampfmaschinenhauses (1843-45) auf. Mit sagenhaften 65 PS wurde die Bewässerung de Parks bewerkstelligt und eine 40 m hohe Wasserfontäne auf der Havel erzeugt. Im Obergeschoss wohnte Prinz Wilhelms Hofmarschall, dessen Passion der Landschaftsbau war, der aber mit einer Eiskreation weltberühmt wurde: Fürst Pückler.
Über den Teltowkanal erreichen wir eine kleine Wohnsiedlung (Klein Glienicke, km 8). Für nur ein ganz kurzes Stück sind wir im Berliner Bezirk Wannsee, werden aber mit Sehenswürdigkeiten überschüttet. Leider kann man von dem Jagdschloss (um 1682 erbaut) hinter der hohen Schutzmauer kaum was sehen. Auch vom Schloss Glienicke (km 9) sieht man nicht viel mehr als den von zwei goldenen geflügelten Löwen bewachten Zugang an der Berliner Straße.
Dann zieht aber sowieso die Glienicker Brücke (km 9) die ganze Aufmerksamkeit auf sich. Seit dem 17. Jahrhundert gibt es hier einen Übergang über die Havel, die jetzige Brücke wurde 1907 dem Verkehr übergeben. Zu DDR-Zeiten verlief die innerdeutsche Grenze direkt auf der Brücke. Dreimal stand sie im Blickpunkt der Weltöffentlichkeit, als es nämlich 1962 (U-2 Pilot Powers), 1985 und vor allem 1986 (u. .a. Anatoli Schtscharanski, späterer Handelsminister von Israel) zu einem Agentenaustausch kam. Heute verläuft über die Glienicker Brücke die B 1 von Berlin nach Potsdam.
Berliner Vorort ist ein Potsdamer Stadtteil, Markenzeichen herrschaftliche Villen, fast alle inzwischen restauriert und herrlich in großen Parks direkt am Wasser gelegen. Hier möchte man wohnen. Schatten spenden hin und wieder die alleenartig gepflanzten Bäume oder ein kleines Waldstück.
Links sehen wir Schloss Cecilienhof (km 11), das Kaiser Wilhelm II für Kronprinz Wilhelm 1914-17 und seine Frau Cecilie im Neuen Garten im Stil Englischer Landhäuser bauen ließ. Vom 17. Juli bis 2. August 1945 tagten hier Stalin, Truman und Churchill und beschlossen im Potsdamer Abkommen die Teilung Deutschlands. Während der Konferenz gab Truman den Befehl zum Abwurf der Atombombe auf Hiroshima. Nach der Konferenz wurde das Schloss Schulungsheim und Luxusherberge, in dem die DDR-Bonzen Devisen für ihren teuren Machtapparat scheffelten. Das Hotel gibt es noch heute, zusätzlich wird das Schloss gelegentlich von der Landesregierung für Empfänge genutzt.
Das nächste historische Bauwerk ist schon in Sichtweite. Das Brauhaus im Neuen Garten war früher eine Meierei und ein Pumpenhaus, aber seit 1860 auch ein Bewirtungsbetrieb. Nach dem Krieg verfiel der Bau am Jungfernsee immer mehr und erst 2002 fand sich ein Investor, der das Gebäude liebevoll restaurierte und jetzt als Gasthof betreibt.
Einigermaßen schattig ist der folgende Streckenabschnitt, zusätzlich sorgen Anwohner für Erfrischung aus ihren Gartenschläuchen. Spätestens nach 4 Kilometern kommt auch immer eine Verpflegungsstelle mit Wasser, teilweise Tee, Äpfel und Bananen, später gibt es auch Cola. Zuschauer sind selten, die Aufgabe der Stimmungsmacher und Motivatoren übernehmen die Streckenposten.
Langweilig wird es einem nicht eine Minute. Die Attraktionen reihen sich wie Perlen an einer Schnur. Als nächstes wird die Russische Kolonie Alexandrowka (km 13) erreicht. 1812 kamen 62 russische Gefangene nach Potsdam. Auf Wunsch des Königs (Friedrich Wilhelm III.) wurden unter ihnen talentierte Sänger ausgewählt, die künftig zur Unterhaltung des Garderegiments singen sollten. In der Folge unterstützte der Zar das Projekt und entsandte weitere Sänger. Um sie bei Stimme und Laune zu halten, wurden für sie 1826 eine Kirche und 13 Holzhäuser im russischen Stil errichtet, jedes mit einem schönen und großen Garten. Noch heute wohnen hier einige direkte Nachkommen der Sänger.