Die letzten Sekunden werden heruntergezählt und dann schießt uns der Bürgermeister Walter Bersch auf die Strecke. Vor traumhafter Kulisse mit vielen Zuschauer links und rechts und „Vater Rhein“ als ständiger Begleiter startet unser heutiges Erlebnis. Nach ein paar Metern können wir uns ein erstes Bild von dem engen Rheintal machen. Kurz danach biegen wir zwei Mal links ab, denn die fehlenden Kilometer, gut 20 an der Zahl, müssen wir uns auf der Südroute auf einem Wendepunktkurs erst erlaufen.
Oben auf der Bundesstraße 9 erkennen wir vor uns den Säuerlingsturm, einem der Wahrzeichen der Stadt. Heute ist da ein Weinkontor eingerichtet und einmieten kann man sich in eine Ferienwohnung auch. Schöne Ausblicke haben wir auf die Höhen rechts oder auf die Reste der Stadtbefestigung links. Von einer Fußgängerüberführung winken eine Handvoll Zuschauer zu uns herunter. Die Stimmung gefällt mir.
Nach einem kurzen Wegstück verlassen wir dann Boppard, das durch Weinbau und Tourismus sein Haupteinkommen erzielt. Aufmerksam werde ich auf einen Läufer, der seinen Gurt mit Trinkfläschchen und Gel aufmunitioniert hat wie John Wayne im Wilden Westen. Das muss alles mitgeschleppt werden. Da würde ich mir eher geistige und bayerische Freigetränke von den Zuschauern erbetteln. Schaun `mer mal, denn Klaus hat eine Brauerei an der Strecke erwähnt.
Das Tal wird enger und die Bebauung bleibt jetzt zurück. Ich kann regen Verkehr auf dem Rhein sehen. Rechts fahren immer wieder Züge vorbei. Dann höre ich Pfeifen von einer Lokomotive, an der ein IC der schweizerischen SBB hängt. Die Läufer winken eifrig zurück.
Mittlerweile habe ich mich einem Zeitläufer angeschlossen. Vier Pacer im Zeitkorridor von 3.30 bis 4.20 Stunden wurden verpflichtet. Wir laufen Richtung 3.45 Stunden. Stefan Uedelhofen aus Euskirchen wurde eingespannt. Sein Trikot und auch seine Startnummer 345 weist auf seinen Job und Aufgabe hin. Rund 20 Läufer hängen an ihm dran.
Bad Salzig, wir verlassen für kurze Zeit die Bundesstasse 9 und schwenken in den Ort ein. Kurz zuvor sehen wir auf der anderen Rheinseite die Burg Liebenstein. Die Burg Levenstein, so der frühere Name, bildet zusammen mit der Burg Sterrenberg die sogenannten „feindlichen Brüder“, wobei Sterrenberg die am besten erhaltene Burg am Mittelrhein darstellt. Tatsächlich soll es zwischen beiden Festungen nie zur Auseinandersetzung gekommen sein.
Auch friedlich kommt uns Bad Salzig daher. Im Ortskern spielt gerade eine Musikkapelle für uns auf. Schade, dass wir dem Spiel nicht länger zuhören können. Da haben es die vielen Zuschauer schon besser. Der 2500 Einwohner zählende Ort gehört seit 1975 zu Boppard. Bad Salzig ist Kurort mit Gesundheit bringendem Wasser, das eine Rehaklinik der Rentenversicherung nutzt. Wir verlassen den Ort Richtung Hirzenach.
Ein kurzes Wegstück später laufen wir parallel zur Bundesstrasse 9, leicht überhöht. Dazwischen verläuft die Bahnlinie. Dann ist Bewegung auf der Uferstrasse festzustellen. Ein Fahrzeug vornedran, und dann sehen wir den Führenden mit einem gehörigen Abstand zu beiden Verfolgern. Da glaube ich Marko Diehl zu erkennen.
Hirzenach: Ein kleiner Ort mit 300 Einwohnern, doch das Weindorf hat eine 1000jährige Geschichte. Sehenswert ist auf unserer Rennbahn rechts das ehemalige Propsteigebäude und jetzige Pfarrhaus, daneben die Pfarrkirche. Immer wieder sitzen Anwohner vor ihrem Haus, machen Brotzeit, genießen ein „Schöppche“ Wein und feuern uns auch an. Zwei Vorwitzige haben ihre Hornblasinstrumente herausgeholt und sorgen so für Stimmung.
Wir wechseln nach dem Ortsausgang wieder auf die Bundesstrasse 9, wo uns der Zeitläufer für 3.30 Stunden entgegenkommt. Stefan berichtet, dass er jetzt eine Minute schneller als sein Plan ist. Und diesen Vorsprung will er als Zeitpuffer haben.
Die Wende ist unspektakulär: Ein paar Helfer passen auf, dass jeder um das Absperrgitter herumläuft. Rote Zeitmatten liegen jedoch nicht aus. Aber wer will bei diesem schönen Landschaftsgenuss schon abkürzen. Jetzt geht es zurück.
Die Sonne scheint uns ins Gesicht, sie hat jetzt schon ein wenig Kraft verloren, aber Schatten wird trotzdem gerne aufgesucht. Rund 10 bis 15 Läufer sind jetzt an Stefan dran. Ihm und auch mir interessiert es, wie viele davon bis ins Ziel dranbleiben können.
Ein Wort zur Verpflegung: Da ist alles zu haben, Wasser, Iso, Bananen, Riegel, später auch noch Cola. Alle fünf Kilometer können wir auftanken. Und Wasserstellen sind zusätzlich dazwischen eingerichtet.
So verläuft unser weiterer Weg idyllisch zurück nach Boppard. Ich bleibe immer wieder zum Fotografieren stehen und kann dann wieder hinter herspringen. Ja, wenn ich wieder an meine 3.30 Stunden hinlaufen möchte, würde das zu Lasten einiger Aufnahmen gehen. Lieber brauche ich ein wenig länger und kann Euch mit viel Bildmaterial versorgen.