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Laufberichte

Milano fortunata

04.12.05
Autor: Klaus Duwe


Ich hatte mir schon im letzten Jahr vorgenommen, wieder nach Mailand zum Marathon zu fahren ...

 

... und lasse mich jetzt auch nicht vom aktuellen Wetterbericht, der heftige Schneefälle im Tessin und in Oberitalien vorhersagt, abhalten. Ich habe meine Abfahrt so optimal gewählt, dass ich fast ohne Verkehrsstörung durch die Schweiz komme. Allerdings liegen dort, wo noch vor 3 Wochen beim Maratona Ticino bunter Herbstwald grüßte, dicke Schneemassen und ich kann mir vorstellen, dass noch vor ein paar Stunden hier gar nichts ging.

 

Auch die letzten 80 Kilometer nach Mailand sind trotz des vielen Schnees auch hier kein Problem und kurz nach der Mittagszeit stehe ich vor Dom.  Zu meiner großen Enttäuschung ist die Vorderseite bis auf die vielen Turmspitzen eingerüstet und bietet einen weinig attraktiven Anblick. Auf dem Piazza Duomo wird noch fleißig gearbeitet, nur das lang gezogene Zelt, in dem verschiedene Firmen ihre Verkaufsstände eingerichtet haben und die Ausgabe der Startunterlagen erfolgt, ist schon gut frequentiert.

 

Trotzdem mache ich zunächst einen kleinen Stadtrundgang und fange damit gleich gegenüber in der Galleria Vittorio Emanuele II. an. Seit 1877 ist sie mit den vielen Luxus-Geschäften, Ristorantes und Cafés der Salon der Mailänder. Jetzt in der Vorweihnachtszeit herrscht hier eine ganz besonders festliche Atmosphäre. Am anderen Ende kommt man zur  Piazza della Scala mit der weltberühmten Mailänder Scala und dem Denkmal Leonardo da Vincis.

 

Nur ein paar Straßen weiter, und man ist in der Via Monte Napoleone, der Modestraße in Mailand. Alles was in der Branche Rang und Namen hat, betreibt hier in einem der herrlichen, stilvollen Häuser eine Boutique. Die Straße ist festlich geschmückt und noch schöner als sonst.

 

Die Preise eines Schuhgeschäftes finde ich nach kurzer Betrachtung zum Kopfschütteln. Dann rechne ich nach. Was haben meine letzten Laufschuhe gekostet? Wie lange halten Sie? Wie viel Paar stehen davon bei mir rum? Überhaupt, ganz schön teuer ist unser Hobby mittlerweile geworden. Noch einmal rechne ich nach. Die Kosten für Funktionssocken und –Unterwäsche, Shirt, Windstopper-Jacke und –Hose, Mütze und Handschuhe, die Schuhe für den Winter selbstverständlich mit Gore-Tex,  addieren sich leicht auf an die 600 Euro und da ist noch keine Pulsuhr dabei. Und wechseln sollte man ja auch mal.

 

Das soll aber jetzt nicht das Thema sein. Ich gehe zurück zum Piazza Duomo, holte meine Startunterlagen und bekomme, hat jemand mein Klagen gehört, ein super-tolles, bunt bedrucktes Langarm-Wintershirt von asics. Der Ladenpreis einer solchen Qualität übersteigt die bezahlte Startgebühr bei weitem. Im Starterbeutel sind Getränke, Riegel und der Gutschein für die Pastaparty. Ein weiterer Sponsor verteilt kostenlos Orangen.

 

Die Nudeln gibt es in einem separaten Zelt. Wieder hat Autogrill das Catering übernommen. Es gibt Nudeln, Kartoffeln, ein Getränk und Kuchen. Es schmeckt köstlich und ich wundere mich, dass das Zelt nicht brechend voll ist.

Im Zeitalter der Billigflieger ist Mailand mit seinen zwei Flughäfen und Bergamo in der Nähe auch für Läufer aus ganz Deutschland kein Problem. Schnell hat sich am hinteren Ende eine deutsche Kolonie gebildet. Dann wird erzählt, wohin man zum Taxipreis schon überall geflogen ist. Manche haben den Flugplan sämtlicher Billig-Airlines im Kopf.

 

Am nächsten Morgen ist der sorgenvolle Blick aus dem Fenster völlig unbegründet. Trotz nur leichter Bewölkung ist es nicht zu kalt, jedenfalls sind die Schneereste nicht gefroren. Es verspricht ein schöner Tag zu werden. Das Frühstück ist für italienische Verhältnisse feudal, ich vermisse nichts.

 

Ich schnappe meinen Kleiderbeutel, natürlich rosa, der Farbe der Gazetta dello Sport, und mache mich auf den kurzen Weg zum Dom, wo das Depot eingerichtet ist. Der Start ist ein paar hundert Meter weiter auf dem Corso Venezia. Es wimmelt geradezu von Paradiesvögeln und ich versuche, einige für Euch im Bild festzuhalten. Etliche laufen halb nackt durch die Gegend, dabei hat es nur knapp über Null Grad.

 

Die Zugänge zu den Startblocks werden streng kontrolliert. Wolfgang Schwabe erzählt mir gerade von seiner Begegnung gestern mit den Deutschlandläufern Karlheinz Kobus und Klaus Neumann, als die Zwei wie auf Geheiß aus der Menge auftauchen. Auch Sabine Schneider aus Hachenburg ist schon auf dem Gelände, bleibt aber „unsichtbar“.

 

Um 9.20 Uhr wird aus einer Kanone der Startschuß abgefeuert. Es dauert nur eine gute Minute, dann sind wir über der Startlinie und laufen los. Wie immer, wenn über 5.000 Läuferinnen und Läufer das gleiche Ziel haben, ist es zunächst etwas eng. Mir scheint, hier wird das Rennen noch schneller angegangen. Umso schneller habe ich Platz und kann mein Tempo finden. Ich hab’s nämlich wieder gar nicht eilig, „zwischen 4:15 und 4:30 Stunden“, so meine Prognose.

 

Nach der Porta Nuova geht’s direkt auf den Monumental-Friedhof (Cimitero Monumentale) zu, wo sich seit über 150 Jahren die Reichen nicht nur begraben, sondern sich ein Denkmal setzen lassen. Das kann dann schon mal ein Mausoleum sein, ein Pavillon, ein Portal oder eine Statue. Einen schlichten Gedenkstein wirst Du dort nicht finden.

 

Es ist ein herrlicher Sonntagmorgen, die Sonne scheint und dort, wo man aus dem Schatten der Häuser kommt, sind die Temperaturen schon jetzt sehr angenehm. Trotzdem muß man etwas aufpassen, ganz rechts sind die Schneereste und das Tauwasser stellenweise doch gefroren und es ist glatt. Auf den Straßen ist ruhig, es sind nur ganz wenige Autos unterwegs.

Über die Piazza Repubblica kommen wir auf die Viale Tunisia und zum Corso Buenos Aires, einer sehr beliebten Mailänder Einkaufsstraße, wo sich auf ungefähr 1 ½ Kilometern Schaufenster an Schaufenster reiht.  Gleich am Anfang empfangen uns viele Zuschauer und feuern uns an. „Dai, dai, dai“ und „Forza, forza“, rufen sie. 

 

Zweimal geht es rechts ab, dann sind wir auf der Viale Romagna, deren zwei Fahrbahnen durch Baumreihen getrennt sind. An einer großen Straßenkreuzung hat sich ein Kneuel von Autos gebildet und ich würde gerne sehen, wie der sich wieder auflöst. Erstaunt bin ich über die vielen Leute, die sich auch hier versammelt haben. Jetzt heißt die Straße Viala Campania, später Viale Molise, geht aber immer noch in die gleiche Richtung. Auch die 8- bis 10-stöckigen Wohnhäuser rechts und links sehen immer gleich aus.

 

An der nächsten Kreuzung ein Riesen-Hupkonzert. Man weiß nie, ist das Protest oder Beifall. Bei Kilometer 10 kommt die zweite Getränkestelle mit Wasser und Iso.  Die Bebauung ist inzwischen nicht mehr ganz so dicht, es gibt schon mal Grünflächen mit Spielplätzen und Brachland. Dann kommen wir in ein Gewerbegebiet mit etlichen Hinweisen auf Fabrikverkauf, der in und um Mailand immer häufiger praktiziert wird.

 

In der Via Lampedusa (km 15) spielt sich eine Musikkapelle warm und wir sind an der dritten Getränkestellestelle, diesmal mit Verpflegung. Die lässt keine Wünsche offen: Obst, Riegel, Rosinen, Kekse und die üblichen Getränke. Wir sind die ganze Zeit in südwestliche Richtung gelaufen und kommen jetzt zum Naviglio Pavese.


Die Navigli (Wasserstraßen) von Mailand sind ein Kapitel für sich. Die Stadt liegt ja an keinem Fluß. Deshalb wurde schon im 12. Jahrhundert damit begonnen, durch die Navigli die natülichen Flüsse so miteinander zu verbinden, dass Mailand praktisch einen Zugang zur Adria hat. Der älteste Kanal, der Naviglio Grande, an dem wir später auch noch entlang laufen, wurde von 1177 bis 1257 gebaut und ist ein über 50 Kilometer langer Transportweg zum Lago Maggiore und der Schweiz. Über ihn wurden die Marmorblöcke zum Bau des Doms bis in die Innenstadt transportiert. Die Straße hinter dem Dom heißt noch heute Via Laghetto (Straße am Teich).


Via della Chiesa Rossa und später Via Valleambrosia heißt die Straße, die uns immer entlang des Naviglio Pavese, vorbei ein Felder, Wiesen, kleinen Wäldchen und ein paar Gewerbebetrieben nach Rozzano bringt, wo wir den Kanal überqueren und nach 2:11 Stunden die Halbdistanz erreichen. Wie an jeder Versorgungsstelle ist auch hier ein großes, beheiztes Zelt aufgebaut. Etliche steigen aus und ich bin sicher, sie hatten von vornherein vor, nur den „Halben“ zu laufen. Sie sehen so zufrieden aus.

 

Gleich darauf sind wir in Assago und Buccinasco. Hier in den Außenbezirken herrscht dichter Nebel. Man sieht keine 100 Meter weit. Die Schneeberge rechts und links der Straße machen mir bewusst, dass der Marathon wohl haarscharf an einer Absage vorbei geschrammt ist. Wäre der Schnee 24 Stunden später gefallen, hier hätte man nie und nimmer laufen können. Trotz der nassen Kälte freue ich mich, denn eine Absage hatte  ich keinen Moment auf meinem Zettel. Milano fortunata (Mailand im Glück)!


Jetzt kommt ein Anstieg, es geht über die Autobahn (Tagenziale Ovest) und dann vorbei am Teatro della Luna, einem großen Musikpalast mit moderner Infrastruktur, Hotel usw. .  Auch hier kommt es an einer Kreuzung zu einem fast einen Kilometer langen Stau. Nicht einer hupt. Das ist in Italien schon erwähnenswert. Links sind die riesigen Autohäuser von Giacomel  für Skoda, VW und Audi. Ich habe so etwas noch nie gesehen. Als ich ein paar Bilder mache, spricht mich ein Italiener in gebrochenem deutsch an: „Hey, Du arbeiten bei Audi?“ „Nein, nicht arbeiten, ich fahre Audi“, antworte ich ihm. „Auto okay, aber Radio Scheiße“, meint er. Ich muss laut lachen, weil ich gerade ein Problem mit meinem Navi/Radio-Teil habe und mich der Werkstatt  gegenüber ähnlich geäußert habe.


Rechts geht es in die Via della Costituzione (km 26), eine offensichtlich gute Wohngegend. Die Wohnanlagen haben gepflegte Gärten, es gibt Tennis- und Sportanlagen und links in einer großen Grünanlage mit See sehe ich einen Gutshof oder ein Schloss, genaueres ist nicht zu erkennen, es ist zu neblig.


Die nächste Straßenkreuzung kann ich noch nicht sehen, da höre ich sie schon. Ohrenbetäubendes Gehupe signalisiert, wir sind wieder in Mailand. Der Nebel hat sich schlagartig gelichtet. Aber die Sonne ist nicht mehr zu sehen. Der Himmel hat sich komplett zugezogen. Es geht unter einer Bahnlinie durch und dann rechts auf die Via Lodovico il Moro, die parallel zum schon erwähnten Naviglio Grande (km 28) läuft.  Rechts reihen sich kleine Geschäfte aneinander.

 

Fünf Kilometer geht es jetzt immer gerade aus, die Straße heißt zuerst Via Tobagi, später Viale Cassala, nach der Überquerung des Naviglio Pavese dann Viale Tibaldi und  nach der Parkanlage links schließlich Viale Isonzo. Ich bin gut drauf und seit der zweiten Hälfte praktisch nur noch am Überholen. Allerdings lässt sich das der Eine oder Andere so ohne weiteres nicht gefallen. Giovanni ist so einer. Er geht, als ich ihn überhole. Sofort nimmt der wieder den Laufschritt auf und hat auch gleich wieder einen deutlichen Vorsprung. Ich laufe stur mein Tempo und es dauert vielleicht 10 Minuten, dann habe ich ihn wieder eingeholt, weil ihm die Luft ausgegangen und er wieder am Gehen ist. Das Spiel setzt sich so noch ein paar Mal fort, bis er schließlich akzeptiert, dass er zwar jünger, damit aber nicht automatisch schneller ist.


Viale dei Mille heißt die Straße inzwischen und ich bin überrascht, als ich das 39er Kilometerschild sehe. Ich habe schon eine ganze Zeit nicht mehr zur Uhr geschaut  und auch ein paar Schilder übersehen. Links geht es jetzt wieder in den Corso Buenos Aires (km 40). Die Einkaufsstraße ist jetzt sehr belebt. Alle Geschäfte, nicht nur hier, haben übrigens an jedem Advent-Sonntag von 10.00 bis 20.00 Uhr geöffnet. Die Leute stehen vor den Schaufenstern oder sitzen in den Straßencafés (bei dem Wetter!), mit dem Marathonlauf können sie nicht viel anfangen.


Bei Kilometer 41 sind auf dem Corso Venezia, wo wir heute früh gestartet sind. Jetzt kommt die lange Gerade auf den Dom zu und dann ein unbeschreiblicher Zieleinlauf. Der Dom selbst gibt eine wahrlich imposante Kulisse ab, ebenso daneben die Galeria Vittoria Emanuele II. Die Tribüne ist noch gut besetzt, die Zuschauer klatschen Jedem begeistert Beifall. Der Speaker redet ununterbrochen, und die Trommlergruppe gibt ihr Bestes. Was aber links auf dem Domplatz abgeht, habe ich noch nicht erlebt. Ein paar hundert  Mädchen, alle so zwischen 12 und 14 Jahre alt, kreischen und schreien, als ginge es um ihr Leben. Ich komme mir wie ein Pop-Star vor und laufe mit stolz geschwellter Brust nach 4:23 Stunden ins Ziel.

 

Erst bekomme ich eine Isomatte umgehängt, dann die Medaille. Im Anschluß gibt es eine Versorgungstüte mit Obst, Riegel und Getränken. An einem Stand gibt es etwas Warmes zu trinken, dann hole ich meinen Kleiderbeutel, damit ich in trockene Klamotten komme.

 

Auf dem Domplatz will ich wissen, was es mit den Teenies auf sich hat. Dass die wegen so ein paar oller Marathonis außer Rand und Band geraten, will ich nämlich nicht glauben. Wie gebannt schauen sie auf das gegenüberliegende Gebäude, halten Transparente hoch mit Aufschriften wie „Lee, Dein Lächeln ist mein Leben“ und so was. Ihr kennt Lee nicht? Ich auch nicht. Ich will mich erkundigen, bekomme aber von den Mädchen aber nur ein mitleidiges Lächeln. Ein Vater, der sein Töchterchen begleitet hat, klärt mich dann auf. Lee heißt mit ganzem (Künstlernamen) Lee Ryan und gibt in einem der oberen Räume der Galleria gerade ein Fernseh-Interview. Er war Frontman der Boygoup Blue und hat sich gerade selbstständig gemacht. Sein Mailänder Konzert war mit 4.000 Fans ausverkauft. Alles klar?

 

Streckenbeschreibung:

Neuer Rundkurs mit Start in der Nähe des Dom (Corso Venezia) und Ziel am Piazza Duomo


Rahmenprogramm:

Startunterlagen gibt es am Piazza Duomo, dort ist eine richtige kleine Zeltstadt aufgebaut, mit kleiner Messe, Kleiderdepot, Massagezelten und dem Zelt für die Pasta Party. 

 

Auszeichnung:

Medaille super-tolles Funktions-Winter-Langarm-Shirt 

 

Logistik:

Startgelände mit Metro gut erreichbar. Kleiderabgabe in unmittelbarer Nähe.


Zeitnahme:

Champion-Chip oder kostenloser Leihchip, Zwischenzeiten alle 5 km 

 

Verpflegung:

alle 5 km Getränke (Wasser, Iso), Bananen und Schwämme. 

 

Zuschauer:

Schon wesentlich mehr als im letzten Jahr. Sogar Musik- und Trommlergruppen gab’s unterwegs. Aber noch nicht mit der Stimmung bei den großen Cityläufen in Deutschland zu vergleichen.

 

Informationen: Milano Marathon
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