Linz in Oberösterrreich ist mir durch den Prix Ars Electronica bekannt. Dieser wird seit 1990 im Rahmen des Ars Electronica Festivals verliehen und würdigt den zunehmenden Einsatz der elektronischen Medien und Computer in der Kunst. Zusammen mit der "Linzer Klangwolke" trägt das Festival wesentlich zum Wandel des Images der Stadt Linz von einem Industriestandort zu einem Zentrum zeitgenössischer und zukunftsorientierter Kunst bei.
Das zugehörige Museum of the Future liegt an der Donau und erstrahlt abends dank 40.000 LEDs in wechselnden Farben. Im Museum kann man unter anderem virtuelle Welten bestaunen. Ein Thema, das gerade den Weg in unsere Wohnzimmer findet. Die ersten virtuellen Brillen sind seit kurzem erhältlich und mir stellt sich natürlich gleich die Frage, wann wir den ersten Marathon virtuell auf dem Laufband zurücklegen. Das wäre dann die Möglichkeit, New York oder London einmal für wenig Geld zu absolvieren. Glaubt mir, da wird sich in den nächsten Jahren viel tun.
Vorerst sind wir aber ganz real nach Linz gereist. In der Tips Arena findet die große Marathonmesse mit über 50 Ausstellern statt. Die Startnummernausgabe geht schnell über die Bühne. Es gibt leckere Weckerl vom Sponsor Resch & Frisch und alkoholfreies Bier. Dann noch zur Pasta-Party mit Nudeln und Kaiserschmarrn. Im Stadion nebenan werden nachmittags die Kinder- und Jugendläufe ausgetragen. Überall sieht man große Startnummern, hinter denen die kleinen Sportler fast verschwinden.
Linz Tourismus, Oberösterreich und die österreichischen Bundesbahnen halten für die Veranstaltung spezielle Pauschalangebote bereit. So kann man etwa zwei Tage zum Preis von einem übernachten und bekommt noch eine Tageskarte für den öffentlichen Nahverkehr dazu.
Kurzes Sightseeing in der Innenstadt, dann kommt mein persönliches Highlight: Als alter Trambahnfan (hier sagt man "Straßenbahn" oder "Bim", wie in Wien) muss ich natürlich auf den Pöstlingberg, eines der Wahrzeichen der mit 240 000 Einwohnern drittgrößten Stadt Österreichs. Im Jahr 1898 eröffnet, überwindet die Bahn auf vier Kilometern 254 Meter Höhenunterschied. Sie ist damit eine der steilsten Schienenbahnen im Adhäsionsbetrieb ohne Zahnrad.
2009 wurde die Bahn komplett renoviert und auf eine Schienenbreite von vorher 100 auf 90 Zentimeter umgerüstet, sodass die Wagen nun über die Straßenbahngleise bis auf den Linzer Hauptplatz fahren können. Die neuen Züge wurden im ursprünglichen Design gebaut und einige alte Wagen sind mit neuen Drehgestellen weiter im Einsatz. Die Ausflugsmöglichkeit auf den Berg nutzen beim heutigen "Kaiserwetter" viele Einheimische und Touristen. Der Blick auf die Stadt ist wunderschön. Die Basilika auf dem Pöstlingberg werden wir am Marathontag noch oft zu Gesicht bekommen.
Anschließend geht es mit der Straßenbahn in das Neubaugebiet Solar City vor den Toren der Stadt, bevor wir uns mit den Orlingers und Freunden zur privaten Pasta-Party treffen. M4Y-Autor und "Lokalmatador" Herbert wird morgen zum 14. Mal an einem Lauf des Linz Marathons teilnehmen und freut sich schon auf einen Wettbewerb ohne Fotoapparat.
Nach einem ausgiebigen Frühstück spazieren wir zur Donau. Vorbei am Lentos Kunstmuseum der Avantgarde, das nachts blau leuchtet, geht es weiter zum Brucknerhaus, benannt nach dem lange Zeit in Linz tätigen Komponisten und Organisten Anton Bruckner und häufig als schönstes Konzerthaus an der Donau gerühmt. Dort befindet sich die Taschenabgabe samt großen Toilettenanlagen. Weiter am Fluss in Richtung Eisenbahnbrücke, die durch einen Neubau ersetzt werden soll, und schon sind wir im Startbereich an der Voest-Autobahnbrücke. Die Marathonis starten auf der uns zugewandten Seite. Oben herrscht eine ungezwungene Atmosphäre, auch WC-Häuschen gibt es viele. Der Sprecher befragt Prominente und Veranstalter zum bevorstehenden sportlichen Ereignis. Wir stellen uns im Vier-Stunden-Bereich auf und treffen viele bekannte Gesichter. "Veteran" Herbert begrüßt im Getümmel den "Novizen" Markus, mit dem zusammen er in der Freitagsausgabe der Oberösterreichischen Nachrichten ein Interview gegeben hat. Markus, so viel sei vorab verraten, wird sein Debüt in 4:38 h meistern.
Die Bundeshymne wird gespielt, instrumental und daher ohne den neuen geschlechterneutralen Text. Dann geht es los. Die Halbmarathonis starten 250 Meter weiter vorne wegen des späteren Zusammenflusses an der Autobahnauffahrt. Beeindruckend: Für den Linz-Marathon wird die A7 komplett gesperrt. Wo sonst wird auf der Autobahn ein Warnschild mit dem Zusatz „Marathon“ angezeigt? Nach zwei Kilometern ist der Spaß vorbei und wir nehmen die Ausfahrt, also eigentlich die Einfahrt Linz-Dornach.
Ab hier ist jetzt zuschauermäßig viel los. Die erste Musikgruppe und vor uns der 539 Meter hohe Pöstlingberg mit der Basilika zu den Sieben Schmerzen Mariä. Nach meinem Fotostopp muss ich mich nun wieder an den Vier-Stunden-Pacemaker samt Judith herankämpfen.
Hier in der Ecke gibt es auch den Campus der Johannes-Kepler-Universität. Deren Namensgeber lebte 16 Jahre in Linz in der Nähe des Hauptplatzes und beschäftigte sich unter anderem mit einer Formel zur Ermittlung des Inhalts von Fässern, als es daran ging, Wein für seine Hochzeit zu bestellen. Der Begründer der modernen Astronomie hätte sich, anders als einige Mitläufer heute, wohl nicht darüber gewundert, dass unsere GPS-Uhren in den Straßen der Altstadt einige Zusatzmeter zählen. Meine scherzhaft gemeinte Anmerkung, dass es wohl an den österreichischen Satelliten liegt, bleibt unkommentiert.
An der Anton-Bruckner-Privatuniversität für Tanz, Musik und Schauspiel wartet ein großes Orchester auf uns. Bei km 8,5 verlassen wir über die Nibelungenbrücke die linke Donauseite. Vor uns der Hauptplatz, unser Ziel in 34 Kilometern und dementsprechend auch hier viele Zuschauer. In einem stählernen Gebilde, das an einen Schornstein erinnert, gibt es eine Titanic-Ausstellung zu sehen.
Jetzt geht es erst mal ein Stück geradeaus. Das ORF-Landesstudio Oberösterreich auf der rechten Seite und links die markante Halle des Design-Centers. Vor uns steigen weiße Wolken in den Himmel, ein Zeichen des riesigen Voestalpine-Stahlwerks und was da sonst noch dazu gehört. Wir kommen da nicht hin, obwohl es mich persönlich sogar interessiert hätte. Der Titelsponsor Borealis hat übrigens mit Chemie zu tun. Geschäftsführer Hubert Puchner von der Borealis Agrolinz Melamine GmbH hat seinen Sohn Markus aus Dänemark einfliegen lassen, um den Marathon zu absolvieren. Der Linzer Bürgermeister Klaus Luger wiederum läuft heute selbst in der Staffel und ist nach mehreren Teilnahmen immer noch begeistert bei der Sache. Dr. Franz Gassselsberger, Generaldirektor des Halbmarathon-Sponsors Oberbank, ist samt Familie ebenfalls am Start.
Rechts von uns ein "Routemaster"-Doppeldeckerbus aus London. Beim Viertelmarathon-Sponsor Linz AG stehen viele große Herzen vor dem Verwaltungsgebäude. Wir drehen zurück Richtung Innenstadt.
Km 16: Am St.-Barbara-Friedhof vorbei, dann auf die Elisabethstraße Richtung Donau. Am Weg eine Super-Band. Dann das Elisabethinenkrankenhaus. Viele Ordensschwestern spenden Beifall. Vergelt's Gott. Nun das Landesmuseum Francisco-Carolinum aus den 1880er Jahren mit einem beeindruckenden Fries auf der linken Seite. Auf der Parallelstraße wieder zurück. Rechts am Pfarrplatz befindet sich der Versorgungsbereich des Ziels. Viele Viertelmarathonis feuern uns mit Bierchen in der Hand an. Über einem Parkhaus gerät ein großer Holzturm ins Blickfeld. Sieht aus wie ein Aussichtsturm. Da müsste man auch mal rauf.
An der Goetheschule vorbei noch ein Schwenk in die Landstraße, eine wichtige Einkaufsmeile. Das Kopfsteinpflaster zwischen den Gleisen erfordert einiges an Aufmerksamkeit. Die Halbmarathonis geben Gas, wir sind dabei. Viele Zuschauer und Musik. Jetzt Trennungsstelle und ab nach links. An der Promenade vor dem Landhaus, dem Sitz der Oberösterreichischen Landesregierung, erfolgt ein Staffelwechsel. Rechts dahinter die Altstadt mit vielen Kneipen und Musikklubs. Judith biegt in die Herrenstraße, ich hinterher.
An der Konditorei Jindrak vorbei. Ein guter Ort, um die Linzer Torte zu probieren. Das älteste bekannte Tortenrezept aus dem 17. Jahrhundert geht angeblich schon auf die Römer zurück. Wir laufen weiter, die Torte gab es zu Herberts 100. Marathon. Wirklich gut.
Rechts die größte, wenn auch nicht höchste Kirche Österreichs: Der Neue Dom, auch Mariendom oder Mariä-Empfängnis-Dom genannt, wurde seit Mitte des 19. Jahrhunderts erbaut, fungiert seit 1909 als Kathedrale, wurde aber erst 1924 geweiht und 1935 fertiggestellt. Besonders bermerkenswert sind seine schönen neogotischen Glasfenster. Wer der Hektik des Alltag entfliehen möchte, kann sich hier für eine Woche in der Eremitenstube auf 68 Metern Höhe einquartieren.
Ein Trio aus Stuttgart-Feuerbach hat genausoviel Spaß an diesem Marathon wie Judith und ich bei diesem wunderschönen und nicht zu heißen Wetter. Das Musiktheater Linz am Volksgarten wurde 2013 eröffnet und ist seitdem bei nahezu jeder Veranstaltung ausgebucht. Der 74 Meter hohe Power Tower könnte uns ja auch mal etwas Energie bringen. Danach sieht es aber leider nicht aus. Der Vier-Stunden-Pacer hat sich inzwischen mit seinem Grüppchen davon gemacht. Irgendwie scheint er ein wenig zu schnell unterwegs zu sein.