Linz, Hauptstadt Oberösterreichs und mit 206.000 Einwohnern drittgrößte Stadt der Alpenrepublik, wird unser Ziel für ein leider recht kurzes Marathonwochenende. Von München ist die Stadt an der Donau leicht in 2,5 Stunden per Auto oder Zug zu erreichen.
Wir lassen uns vom Navi direkt zur Tips Arena leiten, welche die Marathonmesse beherbergt. Am Eingang der Arena wird unser Impfcode geprüft, dann dürfen wir in die Halle. Maske muss man anscheinend hier nicht tragen. Am Nachmeldeschalter steht eine Schlange an, ansonsten muss man auf seine Startnummer nicht warten. Linz verwendet den Champion-Chip, den man auch gleich testen lassen kann. Das recht robust erscheinende Startersackerl enthält unter anderem eine Dose Hopfengetränk 0% und eine gute Fitnesssemmel, die wir gleich verzehren. Wir schauen uns noch ein wenig auf der Messe um.
Es wird schon dunkel und es ist schon recht frisch, sodass wir nur einen kurzen Spaziergang durch die gute Stube der Stadt unternehmen. Am Hauptplatz ist schon das große Zielareal aufgebaut. Der Linz Marathon ist einer der großen österreichischen Marathons und findet dank der eigens verpflichteten TopläuferInnen auch das entsprechende mediale Echo. Auch der ORF wird am Sonntag von den Laufveranstaltungen berichten.
Der Wecker klingelt um 6:30 Uhr und wir erleben am Fenster im siebten Stock eine wunderbare Morgendämmerung samt Sonnenaufgang. Nicht so einladend ist die aktuelle Temperatur von 1 Grad. Aber es soll sonnig bleiben und wärmer werden.
Zu Fuß geht es zum Brucknerhaus, ein vom finnischen Architektenpaar Kaija und Heikki Sirén konzipiertes und nach dem Komponisten Anton Bruckner benanntes Konzert- und Kongresshaus an der Donau. Auf der Straße davor rasen gerade die früher gestarteten Inlineskater vorbei. Im Foyer ist es angenehm warm. Hier kann man sich umziehen und dann auch sein Sackerl abgeben.
Wir zögern den Weg zum Start recht lang hinaus, fast zu lang. Dann machen wir uns auf den Weg zur Autobahn. Ja, der Linz Marathon startet auf der A7, die vom Knoten Linz Richtung Prag führt. Die Brückenanlage ist neu renoviert. Neben dem Startblock befinden sich auch noch viele Toilettenhäuschen. Die Marathonis stellen sich auf der linken Spur auf, die Halbmarathonis auf der rechten. Der Startbogen für letztere ist weiter vorne, da sie beim Verlassen der Autobahn einen weiteren Weg haben werden.
Judith und ich gehen wieder einmal recht weit nach hinten und treffen dort viele bekannte Gesichter. Ja, ältere Marathonsammler haben mehr Zeit und müssen nicht in der ersten Reihe stehen, um es mal positiv zu formulieren. Herbert schickt viele Halbmarathonis auf die richtige Startseite. Die Nationalhymne verkündet den baldigen Start und um 9:30 Uhr geht es los.
Eigentlich könnte man den Blick auf die Donau genießen, aber so kurz nach dem Start ist man noch zu aufgeregt. Zum ersten Mal fällt mir auf, dass das Abdrücken der Laufuhr zu einem kurzen Ausbremsen des schon vor dem Starttor begonnenen Laufschritts führt.
Die Sonne wärmt jetzt schon ausreichend und ich überlege, ob ich mit zwei Hemden nicht doch zu viel angezogen habe. Die Handschuhe habe ich bereits weggepackt. Ich komme mit einem Läufer vom Münchner Road Runners Club ins Gespräch. Er hat längere Zeit in Linz gewohnt und bisher alle 18 Marathons mitgemacht. Im Moment gibt es ein Dutzend Teilnehmende, die von Anfang an und somit heute zum 19. Mal in Linz dabei sind.
An der nächsten Ausfahrt (bei km 2,5) verlassen wir die Autobahn. Ist schon ungewöhnlich, so als Geisterläufer unterwegs zu sein. Wir sind im Stadtteil Dornach und anscheinend freuen sich die Anwohner hier auch sehr auf den Lauf. Es wird angefeuert, als hätte es seit Jahren keinen Marathon mehr gegeben. Stimmt ja gewissermaßen, denn der letzte fand im Frühjahr 2019 statt.
Eine Tankstelle muss immer aufs Bild. 1,38 € kostet der Liter Super, 33 Cent weniger als in München.
Die Feuerwehr hat an der nächsten Kreuzung Posten bezogen. Das „hopp hopp hopp“ steht wohl nur heute auf dem Gerätewagen. Dafür beeindruckt mich die laute Sirene schon sehr. Neben dem Rasengleis der Trambahn, hinter uns liegt das Linzer Universitätsgelände, laufen wir unter einer schönen Platanenallee dahin.
Bei Kilometer 7 treffen wir auf eine Art neues Wahrzeichen der Stadt Linz: Der Bruckner Tower ist mit 98,6 Metern zehn Zentimeter höher als der Terminal Tower am Bahnhof. Der Wohnturm nimmt für sich einen Ökologierekord in Anspruch: Der Grundflächenverbrauch ist sehr gering; für eine 62-qm-Wohnung werden nur 2 qm Boden versiegelt.
Aber Läufer sollen ja nicht so viel in die Luft schauen. Wir drehen nach links auf die Donaubrücke zu. Rechts sieht man das Linzer Schloss, erbaut an der Stelle des früheren Römerkastells Lentia. Vor dem Hauptplatz drehen wir nochmals links, am Brucknerhaus vorbei und dann in die Stadt hinein. Die Gruberstraße ist eine breite Allee am östlichen Ende der Innenstadt. Wir kommen am ORF OÖ vorbei. Auf der anderen Seite beherbergt die große Glashalle das Designcenter Linz. Rechts ein Tisch vor dem Café Butterfly. „Glühwein 2,80 €“ lese ich vor. Der Besitzer meint, in seinen Bechern wäre nur Wasser. Schade. Ein Blick zurück zeigt die Kirche auf dem Pöstlingberg.
Die Füchselstraße wird im Gedächtnis bleiben, da hier Heerscharen von kleinen Leuten uns ihre Hände zum Abklatschen entgegenstrecken. Dann unter der Bahn hindurch und in ein etwas einsameres Industriegebiet. Links sieht man die Schlote von Voestalpine. Hier wird im Dreischichtbetrieb Stahl hergestellt. Der Hauptsitz des 50.000 Mitarbeiter beschäftigenden Konzerns befindet sich auch hier in Linz.
Rechts ein Gebäude der Linz AG, die Energieversorgung, kommunale Dienste und öffentlichen Nahverkehr anbietet. Es handelt sich um eine Remise für die O-Busse. Die schicken Doppelgelenkbusse sind in der Stadt unterwegs, wenn nicht gerade ein Marathon stattfindet. Und hier gibt es große Herzskulpturen am Straßenrand. Wir sind wieder zurück in schöneren Gegenden und auch auf dem Rückweg in die Stadt. Der große Bulgariplatz. „Km 36“ steht hier an der Strecke, ab hier wird der Laufweg zwei Mal bewältigt werden müssen. Die km-Markierungen stehen meines Erachtens immer exakt dort, wo die Vermessung sie platziert haben wollte. Und die Streckensperrungen sind auch sehr gut. Gelegentlich kreuzen später Autos die Laufstrecke, aber immer unter der Kontrolle von Polizei und Helfern. „Ich bin Österreich“ steht als Werbung beim Penny-Markt.
Nach einigen Neubauten nun in die Friedhofstraße. St.-Barbara-Friedhof, einer der ältesten Gottesäcker in Österreich. Der Schriftsteller Adalbert Stifter ist dort begraben. Dann unter der Bahn hindurch. Wir kommen wieder in die City. Auf dem Plan geht es nun zur Donau, zurück, wieder Richtung Donau. Die Dinghoferstraße bringt erst mal alle möglichen Wohnhäuser, die Elisabethenstraße das Ordensklinikum der Elisabethinen, was sonst. Über die Straße verbindet eine Glasbrücke die Gebäudeteile und da muss ich gleich zweimal hinschauen: Medizinisches Personal tanzt hinter der Scheibe. Links sogar eine Ordensschwester im Ornat. Ein Simon wird hier angefeuert. Sind die echt? Ich glaube schon.
Nun das Landesmuseum Francisco-Carolinum aus den 1880er Jahren mit einem beeindruckenden Fries, jedoch gerade eingerüstet. Vor dem Gebäude der Oberbank drehen wir nach links. Verpflegungsstelle, wie immer mit Wasserflaschen, süßem Iso, Bananen, Cola. Und auch einige Toilettenhäuschen. Ich bin auf diesen sechs Kilometern immer mit dem Spruch: „Ich komme wieder“ unterwegs.
Über die Dametzstraße nun wieder nach Süden. Beim Pfarrplatz geht es ein wenig bergauf. Aber die vielen Zuschauer verhindern mit ihrem Beifall, dass man langsamer wird. Am Hessenpark vor dem Park Inn Hotel eine Bläsergruppe. Auch Trommler haben wir schon gesehen. Den aktuellen Namen bekam der Platz im April 1934 und geht auf das k.u.k. Infanterieregiment „Ernst Ludwig Großherzog von Hessen und bei Rhein“ Nr. 14 zurück. Durch die Goethestraße geht’s zum Schillerplatz, was sonst.
Nun also die Landstraße. Das ist die Einkaufsstraße von Linz. Das Erlebnis steigert sich mit jedem Meter. Menschenmassen auf beiden Seiten. Mehrere Bands. „DU BIST SUPA“ steht auf einem Schild, das ein Mann hochhält und das ich in zweieinhalb Stunden noch mal sehen werde. Das gibt Schwung. Ich lese über der Straße groß: Marathon links, Finish geradeaus. Also links, Judith lässt sich von den Halbmarathonis mitreißen, aber Helferinnen passen auf, dass es nicht zu einem neuen Damenweltrekord kommt.
Am Linzer Landhaus, dem Sitz der oberöstereichischen Regierung, vorbei. Kurz danach die 21,1-km-Matte. Hier gibt es wirklich viele elektrische Geräte, auf die eine junge Dame aufpasst. Die Herrenstraße ist auch ein nettes Einkaufssträßlein. An der Konditorei Jindrak vorbei. Ein guter Ort, um die Linzer Torte zu probieren. Das älteste bekannte Tortenrezept aus dem 17. Jahrhundert geht angeblich schon auf die Römer zurück. Wirklich gut.
Die Straße öffnet sich mit Blick auf den Dom Mariä Empfängnis, die größte Kirche Österreichs mit Platz für 20.000 Gläubige. Am 29.4.1924 wurde der Dom nach 62 Jahren Bauzeit eingeweiht. Wieso kommt mir jetzt der Flughafen Berlin-Brandenburg in den Sinn? Und da gibt es ja auch noch den Kölner Dom...Gut Ding will eben Weile haben.
Ich ziehe nun etwas an, wäre doch gelacht, wenn ich die 4:30-Truppe nicht überholen könnte. Natürlich ist es nun ohne Judith und die „Halben“ etwas ruhiger. Vor uns das Gebiet des Linzer Hauptbahnhofs. Am Landestheater geht es unter der Bahn hindurch. Wobei die Bahn eigentlich über uns verläuft. Oder anders gesagt: Der Marathon ist flach. Der Höhenunterschied beträgt 18 Meter zwischen niedrigstem und höchstem Punkt.
Die breite Wiener Straße gefällt mir ganz gut. Viele kleine Kneipen in den Häusern und Streifen mit blühenden Blumen. Aber jetzt erst mal unterbrochen von einer gut einen Kilometer langen Pendelstrecke in der Unionstraße. Rechts ein großes ÖBB-Ausbesserungswerk. Mein Blick geht aber nach links. Herbert kommt entgegen. Der ist recht schnell unterwegs. An der Wendestelle wieder Diskomusik. Km 26: Die A7 wieder mal über uns.
Ich bin auf dem Weg in die „Neue Welt“, mal sehen, was mich erwartet. Sechs Kilometer durchs Grüne. Der Wasserwald ist 1,5 km² groß und dient der Wassergewinnung für Linz. Der Salzburger Straße ist lang und durch Mäuerchen eingegrenzt. Am langen Zaun drehen wir langsam nach links. Km 30-Zeitmessung. Ein Kater quert seelenruhig den Laufweg, direkt vor einem Läufer. Später kommt ein Stubentiger auch mich besuchen. Wir kommen nach Kleinmünchen. Hier stehen wieder viele Bewohner vor den Häusern. Eine ältere Dame ruft: „Bald habt ihr’s geschafft“. Wenn die wüsste, wie ich mich fühle.
Große Party, dann wieder ins Grüne. Auf einmal höre ich den „Crazy Frog“, ist aber gleich vorbei und es folgt ein Titel von Supertramp. Auf einem halbem Kilometer werden wir hier beschallt. Das macht Spaß. Die Schuhmannstraße wird von schönen Häusern gesäumt.
Bei km 35 am Gebäude der Linz AG erreichen wir die bekannte Strecke, der wir nun bis zum Ziel folgen werden. Am VP treffe ich Helene, mit der ich nun unterwegs sein werde. Hier gibt es auch Iso-Gel, wie an einigen anderen Stellen. Helene und ich treiben uns gegenseitig voran. An einer Straße ruft mir eine von der ersten Runde bekannte Dame zu: „Ich habe gewartet“ „Und ich bin wieder gekommen“, antworte ich. Beim Personal des Krankenhauses hat sich die Begeisterung gelegt, der Favorit Simon ist anscheinend schon durch, vielleicht war er Halbmarathoni? Bei km 39 greife ich mir eine Cola-Flasche. Weiter Helene hinterher. Am Hessenpark wurde die Bläsertruppe durch einen Akkordeonspieler ersetzt. Der will gerade einpacken und nach meinem Dank setzt er sich doch wieder hin und spielt weiter. Sind ja nur noch 90 Minuten bis zum Besenwagen.
Kurz nach km 40 dann die Landstraße. Hier ist immer noch die Hölle los. Helene braust davon. Ich wundere mich über das Kopfsteinpflaster. War das vorher schon so schwer zu laufen? Die Landstraße ist schon ein beeindruckender 1200 Meter langer Zieleinlauf.Der Hauptplatz öffnet sich. Ich komme glücklich und vollkommen fertig im Ziel an. Sogar Sternchen sehe ich.
Judith läuft fast direkt hinter mir ins Ziel, fast hätte sie mich überholen können. Wir genießen noch die Zielverpflegung. Es gibt ein Finisher-Shirt, im Preis enthalten. Die Medaillen liegen, wie man hört, am Flughafen Frankfurt/Main. Werden wohl irgendwann auftauchen, dann kommen sie per Post nach Hause. Vielleicht sollte man noch einen Blick auf die Dreifaltigkeitssäule werfen: Die 20 Meter hohe Säule erinnert an die Pestepidemie 1708-1714, welche die Stadt Linz glimpflich überstanden hatte.
Einen Marathonnovizen lernen wir bei der Taschenabgabe kennen. Niklas Hoheneder wollte als ehemaliger Fußballprofi seinen ersten Marathon in seiner Heimatstadt laufen. Im Gegensatz zu seiner Schwester Stephanie mit eher wenig Training. Er hat es geschafft und wird es hoffentlich noch mal probieren.
Gleich einen neuen Streckenrekord von 2:30:27 stellte bei ihrem Debüt über 42,2 km Brenda Cherotich Kiprono aus Kenia auf. Ihr Landsmann Ezekiel Koech Kiprop siegte wie schon 2016 bei den Männern, verfehlte allerdings mit 2:09:43 die Linzer Rekordmarke aus dem Jahr 2007 um gut zwei Minuten.
Fazit:
Der Linz Marathon ist ein großartiger Stadtmarathon in Österreich. Die Bewohner stehen hinter ihrem Lauf. An vielen Stellen werden die Teilnehmer angefeuert. Einige Kilometer geht es durchs Grüne, noch kürzer durchs Gewerbegebiet.
Linz ist ein verlängertes Wochenende auf jeden Fall wert: Es locken viele Museen, Kunst, die wahrscheinlich steilste Straßenbahnstrecke der Welt auf den Pöstlingsberg und natürlich die Donau.