5 Uhr früh, das Radio geht an. Verdammt früh für einen Sonntag, aber heute ist ein ganz besonderer Sonntag, Laufsonntag, Ruhrmarathonsonntag. Große Dinge brauchen eine gute Vorbereitung, dazu gehört auch ein ruhiges, ausgiebiges Frühstück.
7 Uhr, immer noch früh, die Stadt ist noch leer. Wir verlassen das Haus und fahren nach Bommern zum Treffpunkt. Als Erste erreichen wir den Parkplatz, aber das ändert sich schnell, ein Läuferauto nach dem anderen kommt, bald ist der Parkplatz an der Nachtigalstraße voll. Pünktlich um 7:30h kommen unsere Busse an. Als alle sich schon gemütlich hingesetzt hatten, kommt von Matthias die Aufforderung: „Alle noch mal raus, wir machen ein Foto.“ Es wurde ein besonderes Foto, denn Hans kletterte auf den Bus und fotografierte uns vom Dach aus, eine schöne Gruppe war da versammelt.
Endlich, endlich fahren wir los. Die Fahrt kommt uns sehr lange vor, irgendwie ist es jetzt, als rase die Zeit. Noch eine Stunde bis zum Start, wir sitzen im Bus. Noch 45 Minuten bis zum Start, wir sitzen immer noch im Bus. Noch 30 Minuten bis zum Start, wir steigen aus.
Vereint marschieren wir los, erste Station vor den Startblöcken sind die Dixis. Anders als in Berlin, ist es hier nicht so voll, geht es relativ schnell voran. Ohne Ballast gehen wir in unseren Startblock D, jetzt entledigen wir uns der Altkleider und stehen schön einheitlich gekleidet zwischen tausenden von Läufern, von denen eine nette uns noch schnell fotografiert.
8:59:50 Uhr, die letzten Sekunden werden rückwärts gezählt, Luftballons steigen auf, es geht los. Geht ist richtig, wir gehen, wir stehen, wir gehen, wir laufen, wir gehen, wir laufen, wir starten, auf geht’s nach Essen. Ein breiter Läuferstrom wälzt sich über die Provinzialstraße, schön anzusehen ist das, da die Straße richtig „wellig“ ist.
Der Tunnel am Bahnhof Langendreer kommt, wir erwarten jetzt eigentlich viel Krach, so war es 2005, aber in diesem Jahr sind die Läufer still, es waren wohl nicht die richtigen Stimmungskanonen dabei, so war es nur dunkel – schade. Langendreer Markt, in der Kurve zur Unterstraße sind viele Leute, zum ersten Mal kommt die Stimmung auf, die uns von jetzt an weiter begleiten wird.
Km 5, die erste Verpflegungsstation ist erreicht, der erste Becher Basica wird getrunken und weiter geht es, ein Berg wartet, der Anstieg zum Erfrischungspunkt bei Opel. Erstaunlich, dass wir immer noch Walker überholen, wahrscheinlich standen viele Walker direkt hinten den Kenianern in Startblock A - dass da niemand drauf achtet!
Viele bekannte Gesichter sehe ich bei Opel, es wird gegrüßt, es wird gewunken, danke an meine 80 Kollegen, die uns da versorgt haben.
Beim Möbelhaus Hardeck wartet Harry mit seinem Diskofahrrad und Axel. Unsere Radbegleitung bis Essen. Harry zauberte mit seinem Musikfahrrad ein Lächeln in die Gesichter der Läufer.
Vor uns wird es laut, sehr laut, total laut. Altenbochum empfängt uns, schickt uns das erste Gänsehautfeeling des Tages. Wir traben durch eine Zuschauergasse, die uns anfeuern, als ginge es gleich um den Olympiasieg, absolut klasse ist das. Jetzt können wir es ruhig angehen lassen, bergab rollen Richtung Bochumer Innenstadt.
Wieder ein Tunnel, leider wieder Ruhe bei den Mitläufern. An der Komödie Bochum, vor zwei Jahren war hier total viel los, war auch nur sehendes Publikum. Wie in Bochum, so geht es weiter bis Herne - kein Punkt, von dem wir sagen können, da ist es toll, da ist viel los. Das ändert sich aber schlagartig, als wir Herne erreichen. Jetzt ist es wieder laut, hier ist ja auch das Halbmarathonziel.
Viele, viele Zuschauer treiben die „Halben“ an, damit sie auf den letzten Kilometern noch mal alles geben. Jetzt laufen wir in zwei Strömen, auf der linken Straßenseite Läufer, rechts, uns entgegenkommend, die Halbmarathonläufer, die dem Ziel entgegen laufen. Dank unserer T-Shirts können wir immer sehen, wer uns entgegen kommt, können winken und anfeuern und werden selbst mit besten Wünschen auf den weiteren Weg geschickt. Wir dürfen noch weiter laufen, wäre ja auch schade, wenn es hier schon vorbei wäre. Allerdings wissen wir auch, dass es jetzt erstmal ruhiger wird, der Abschnitt zwischen Herne und Gelsenkirchen ist total ruhig, nur vereinzelt sahen uns einige Anwohner zu.
Auf diesem Streckenabschnitt treffen wir die „Borbecker Raketen“. Gerd, einer der wie ich für die WAZ geblogt hat, begleitet uns eine Weile. Er erzählt, dass sie sich in Gelsenkirchen Punktgenau mit einer Gruppe, die in Oberhausen gestartet ist, treffen wollen. Hoffentlich klappt das, ohne dass eine Gruppe lange auf die andere warten muss.
Wir konzentrieren uns auf den „Come together Point“. Wenn wir den erreicht haben, dann sind es nur noch 13 km, nur noch eine Seerunde, bis zum Ziel. Meine kleine Gruppe hat sich ein wenig auseinander gezogen, bis vor kurzem waren wir noch 6, jetzt sind es zwei Gruppen mit jeweils 3 Leuten geworden. Meine Liebste an meiner Seite plagt sich immer mehr mit schmerzenden Knien. Vor 2 Jahren war in Gelsenkirchen ein Powerbar Stand an der Strecke, diesmal nicht. Keine Ahnung, warum ich mir nur 2 Geltüten eingesteckt habe, liegt vielleicht am Alter. Ich habe, entgegen meiner sonstigen Gewohnheit, mal zu einer Banane und einem Apfel gegriffen.
Im Gegensatz zum letzten Ruhrmarathon, ist es in Gelsenkirchen nicht ganz so stimmungsvoll, wie wir erwartet hatten, wo sind die Brasilianerinnen? Schon weg?
Auf geht’s, Essen ist nicht mehr weit. Wir durchqueren einige Bergmannssiedlungen, sehen viele hausgemachte Marathonparties, müssen ein paar mal durch den Rauch laufen, der beim Grillen entsteht, einmal wird sogar Fisch gegrillt.
Die Strecke steigt an, jetzt ist es nicht mehr weit, diese Berge zeigen es uns an. Km 35 wird passiert. Die Knie meiner Liebsten rebellieren jetzt richtig, richtig leid tut sie mir jetzt, wie sie sich quälen muss. Ist schon blöde, da ist der Körper total trainiert, hat noch Kraft und dann geht es doch nicht, weil ein kleines Teilchen im Räderwerk Störungen verursacht.
Die Läufer neben uns meinen dann immer, man ist mit seiner Kraft am Ende. Sie können ja nicht wissen, was wirklich los ist. Die gut gemeinten Ratschläge „es ist ja nicht mehr weit“ helfen da auch nicht wirklich.
Was hilft ist Rüttenscheid, ist der lauteste Abschnitt des Marathon, hier beginnt das Finale Furioso, wie es der Veranstalter treffend beschrieben hat. Durch eine Gasse aus lärmenden Zuschauern streben wir dem Ziel entgegen. Das Ziel, wo ist es eigentlich, man sieht es nicht, denn der letzte Kilometer windet sich wie eine Schlange. Kurve links, Kurve rechts, noch eine Kurve, es kann doch nicht mehr weit sein. Noch eine Linkskurve, dann sehen wir es endlich, da wollten wir hin.
Nur noch wenige 100 Meter, wir werden empfangen, wie die Sieger. Jetzt nur noch ein paar Meter, was hören wir da für eine Musik? Happy Birthday wird gespielt, Happy Birthday für Kerstin, denn sie hat heute Geburtstag und ihr Mann hat das so arrangiert. Klasse war das, wir haben mitgefühlt. Zu dritt laufen wir über die Matte, Umarmungen, Fotos, Jubeln, alles direkt hinter dem Ziel. Da gibt es die Medaillen, jetzt haben wir schon zwei davon. Die anderen aus meiner Gruppe empfangen uns, gemeinsam holen wir uns die Finishershirts, die haben wir alle redlich verdient. Alle aus unserer Vorbereitungsgruppe treffen wir wieder, draußen machen wir noch ein letztes Foto, diesmal in den neuen Shirts.
Wir sind Finisher, wir haben es mal wieder geschafft, lächelnd geschafft.
Am Abend treffen wir uns alle wieder, um den Tag mit einem gemeinsamen Essen ausklingen zu lassen. Schnitzel und Pommes, das haben wir uns jetzt verdient.
Laufpause haben wir jetzt, wenigstens ein paar Tage. Als letzter Höhepunkt wartet am kommenden Samstag noch die große Marathonparty auf uns, dann werden wir für einige Wochen auseinander gehen. Es war schön mit euch zu trainieren, die 12 Wochen sind wie im Flug vergangen, ihr ward, nein in seit, eine tolle Truppe. Ich werde euch vermissen.
Wie heißt es so schön, nach dem Marathon ist vor dem Marathon, wir haben schon die Musik im Ohr:
Start spreadin' the news, I'm leavin' today
I want to be a part of it
New York, New York
These vagabond shoes, are longing to stray
Right through the very heart of it
New York, New York