Auf die Idee, dass die Hornisgrinde ein Berg ist, mit 1163 m sogar der höchste im Nordschwarzwald, kommt ein Außerbadischer nur schwer. Dass der Hornisgrinde Marathon dann aber nicht folgerichtig ein Berglauf ist, muss auch manchem eingeborenen Läufer erklärt werden.
Egal was, es ist immer am besten, man fängt mit dem Erklären ganz vorne an:
Nicht eine große Messe- oder Sporthalle ist das Veranstaltungszentrum beim Hornisgrinde Marathon, sondern ein Festzelt auf einem Parkplatz mitten im Wald auf 900 m Höhe, genannt Hundseck. Hundseck Marathon – wie hört sich das denn an? Eine Ortschaft gibt es weit und breit nicht. Der veranstaltende Turnverein ist in Bühlertal zu Hause, das liegt 10 km weiter, ganz unten in der Rheinebene. Nach Baden-Baden sind es ungefähr 20 km. Der nächstgelegene markante Punkt ist tatsächlich die Hornisgrinde, jener kahle Bergrücken (Grinde), den man an dem über 200 m hohen Sendemast schon von der Autobahn aus erkennen kann. Beim Lauf sieht man den Berg dann allerdings nicht. Das ist den Veranstaltern wurscht (egal), seit 40 Jahren heißt der Lauf nun so und dabei bleibt es.
Hört sich an wie Arsch der Welt? Täuscht Euch nicht. Der Start liegt direkt an der B 500, das ist die Schwarzwaldhochstraße, die älteste, bekannteste und schönste Ferienstraße in Deutschland. Nicht weit vom Startplatz weg liegt das Schlosshotel Bühlerhöhe, das im kommenden Jahr wieder eröffnet werden soll und dann bestimmt erneut zu den besten Hotels weltweit zählen wird. Internationalen Ruf genießt auch die Max Grundig Klinik. In die andere Richtung kommt man nach ein paar Kilometern zum sagenumwobenen Mummelsee, einem Überbleibsel aus der Eiszeit. Schwarzwald aus dem Bilderbuch ist das hier, im Sommer wie im Winter. Wer in einem der traditionsreichen Gasthöfe und Hotels nicht mal einen Kaffee und ein Stück Schwarzwälder Kirschtorte genossen hat, sollte das nachholen.
Genau so ist es mit dem Hornisgrinde Marathon. Wer sich seit 40 Jahren in den Terminlisten hält, muss was zu bieten haben. Hier ist es Wald, viel Wald. Man könnte auch sagen: Nur Wald. Auf alles, was nicht unmittelbar mit Wald und Laufen zu tun hat, wird verzichtet. Laufen und Natur pur. Und das erstaunlicherweise ohne nennenswerte Anstiege. Höhenmeter kommen gerade so viel zusammen, dass man nicht von einem langweiligen flachen High-Speed-Kurs reden kann.
Für 23 Euro Startgeld gibt es für die Marathonis gleich mit der Startnummer ein praktisches Buff-Tuch, aber nach getaner Arbeit keine Medaille, nur eine Urkunde. Für ausreichend Verpflegung ist gesorgt. Ein Läuferpaar ist trotzdem so ausgerüstet, dass ich sie direkt fragen muss, ob sie ein mobiler Verpflegungsposten sind oder ob alles in ihren Rucksäcken Eigenbedarf ist. Ich predige ja auch immer, sich nicht auf die Streckenverpflegung zu verlassen und je nach Vorliebe Gel und/oder Riegel mitzuführen.
Einen Halbmarathon gibt es auch, der wird schon am Samstag gelaufen und kostet sogar nur 13 Euro. Die Streckenführung ist völlig anders. Wer will, kann also zweimal starten. Ich will nicht und kann daher nichts weiter über die Strecke sagen. Auf dem gleichen Kurs wird am Sonntag (Startgebühr 6 Euro) ein 10er gelaufen.
Der Sommer 2012 fällt auch im Schwarzwald bisher weitgehends aus. Ohne Regen vergeht kaum ein Tag und die Temperaturen sind im Keller. Für Sonntag sind die Prognosen gut, es soll trocken und wärmer werden. Aber auch bei Hitze, die es beim Hornisgrinde Marathon auch schon gab, braucht man sich nicht zu fürchten. Hier auf der Höhe ist sie wesentlich erträglicher und trotz etlicher lichter Stellen im Wald (Gruß vom Lothar) gibt es auch viel Schatten.
Wie jetzt in der Früh auf fast dem ganzen Startgelände. Fast … Wo die Sonne schon durch die Bäume scheint, stehen in Grüppchen die Läuferinnen und Läufer zusammen, um den Start um 8.30 Uhr abzuwarten. 7 Grad zeigt das Thermometer, knapp 20 werden es um die Mittagszeit. So was nennt man ideal. „Wer am Start friert, ist richtig angezogen“, sagt der olle Steffny. Also lass ich die Jacke im Auto und setz mir die Sonnenbrille auf. Dann geht’s auch schon los.
Um die 200 Läuferinnen und Läufer gehen auf die Strecke. Zuschauer? Musst du selber mitbringen. Außer den Begleitern und Organisatoren ist niemand da. Aber mehr braucht man ja auch nicht. Obwohl es sich gleich nach dem Parkplatz auf einem Schotterweg mit Gefälle anbieten würde, so richtig loszubrettern, tut das niemand. Stattdessen wird geschwatzt, gescherzt und gelacht. Der Weg verläuft genau parallel zur Schwarzwaldhochstraße. Beim alten Kurhaus Sand wechseln wir kurz auf Asphalt. Mehr als fünf oder sechs Fahrzeuge muss die Polizei nicht anhalten, um uns eine gefahrlose Passage zu ermöglichen. Ein paar Stunden später staut sich hier der Verkehr.
Das Hotel Plättig liegt genau gegenüber der erwähnten Nobelherberge „Bühlerhöhe“. Dort wartet eine erste nennenswerte Steigung, die aber nur kurz ist und kaum einer muss deswegen seinen Lauf unterbrechen. Ziemlich eben geht es danach weiter. Nach 6 km kommt schon die erste Verpflegungsstelle.
Wenn man von den Lichtungen aus, allesamt dem Orkan „Lothar“ (1999) zu „verdanken“, über die bewaldeten Hügel schaut, beantwortet sich die Frage, woher der Schwarzwald seinen Namen hat, von selbst. Man braucht auch nicht viel Phantasie sich vorzustellen, dass hier vor nicht allzu langer Zeit noch Urwald war, Lebensraum für Wölfe, Luchse und sogar Bären. Erst im 18. Jahrhundert wurde die Gegend erschlossen, um den Wald wirtschaftlich zu nutzen. Wege wurden gebaut und die Murg für die Flößerei ausgerichtet. Auf dem wilden Fluss wurden die Baumstämme bis nach Steinmauern, wo die Murg in den Rhein mündet, gebracht und dort für den Weitertransport bis nach Holland zu noch größeren Flößen zusammengebunden.
Flößer zu sein war ein harter und gefährlicher Job und das Geschäft machte nur die Holzhändler und Säger reich, die sich zur Murgschifferschaft zusammenschlossen. Neben der Holz- entwickelte sich im Murgtal besonders die Papierindustrie. Noch heute sind etliche Firmen mit ihren speziellen Papier- und Pappe-Sorten Weltmarktführer.