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Laufberichte

Hinter Gittern: Oldenburger JVA Marathon

18.10.13 Special Event
 

"Track and field running is not ice skating. It is not necessary to smile and make a wonderful impression on the judges." - Emil Zatopek

Fahrgemeinschaften haben schon etwas Gutes! Einer der Vorteile ist, dass man bei gegenseitigem Weckdienst nicht so leicht verschlafen kann, und so weckte mich denn am 12.10.2013 statt meines Handys der Anruf von Christine Schroeder, die sich auf dem Weg zu mir befand, um dann gemeinsam mit mir zum 6. Oldenburger JVA Marathon nach Oldenburg i. O. zu fahren.

Wir waren äußerst großzügig mit unserer Zeitplanung gewesen und trafen um 8.40 Uhr an der JVA ein, wo auch auf der gegenüber liegenden Straßenseite ein großer Parkplatz lag. Noch vor dem Erreichen der JVA-Außenpforte wurden unsere Namen zum ersten Mal kontrolliert. Im Vorraum der Pforte tauschten wir dann unsere Personalausweise gegen Besucherausweise, die wir an einem Band um den Hals zu tragen hatten. Alle Wertgegenstände, Geld (bis auf die 7 Euro Startgeld), Handys, Kameras etc. mussten abgegeben werden und wurden in Verwahrung genommen, ehe unsere Gruppe gegen 9 Uhr in das Innere der JVA und durch den Hafttrakt geführt wurde.

Im Sportbereich erhielten wir unsere Startnummern und zahlten im Gegenzug unsere 7 Euro Startgeld in bar. Alles war äußerst konsequent durchstrukturiert, sauber und abgesichert. Zum Umkleiden stand uns "Externen" hinter einer Sichtschutzwand ein Teil der Turnhalle zur Verfügung. In einem anderen Teil gab es Kaffee und Tee "satt".

Die heutige JVA Oldenburg wurde am 13. Januar 2001 auf einem 10 Hektar großen Gelände der ehemaligen Hindenburg-Kaserne im Oldenburger Stadtteil Kreyenbrück in Betrieb genommen. Der Neubau, der damals nach 3 Jahren Planung und 2 ½ Jahren Bauzeit entstanden war und aus dem alten Kasernenbestand zwei Gebäude, die Sporthalle und der Werkstatttrakt, integrierte, kostete damals 53 Millionen Euro. Die neue JVA hat 304 Haftplätze für Strafvollzug und Untersuchungshaft und ist übrigens Niedersachsens größte Untersuchungshaftanstalt.

Die Sicherheitsmaßnahmen der JVA - davon hatten wir uns ja bereits beim Einlass schon teilweise überzeugen können - entsprechen den höchsten derartigen Standards. Dazu gehören unter anderem 6,5 Meter hohe Anstaltsmauern aus Beton, detektierte Zäune, Videotechnik und ein hoch qualifizierter Sicherheitsdienst. Während unseres Laufes kamen sogar noch auf der 1-km-Runde sechs Posten (fünf davon in Fahrzeugen) dazu, die nahezu jeden Meter der Strecke einsehen und überwachen konnten.

Der Oldenburger JVA Marathon, dessen 6. Auflage nun anstand, ist eine Kreation der beiden Sportbeamten Rex Meyer und Wilfried Dannebaum. Er wurde 2008 erstmals - damals mit 31 Strafgefangenen und 22 Gästen - durchgeführt, und zwar damals wie heute über die Distanzen Halbmarathon und Marathon, um den Gefangenen ein sinnvolles Ziel vorzugeben, das es mit Training und Willenskraft zu erreichen galt.

Wilfried Dannebaum war auch 2013 unser verantwortlicher Ansprechpartner, der nach einem Briefing in der Turnhalle 35 Gefangene aus ganz Niedersachsen und dazu 55 externe Gastläufer (einschließlich JVA-Bediensteter der beteiligten JVAs) hinaus in den Regen und auf die Strecke schickte. 20 hatten für den Marathon gemeldet, die übrigen 70 für den Halbmarathon.

Pünktlich auf die Minute um 10 Uhr setzten sich die beiden Starterfelder von unterschiedlichen Punkten auf dem Sportplatz in Bewegung. Nach den Auftaktstücken von 195 bzw. 97,5 Metern hatten die Läufer dann noch 42 bzw. 21 Runden um den Hafttrakt, die Sportgebäude und den Sportplatz vor sich.

Die "Teichwiesen Friends On Tour" waren optimal aufgestellt: Christine und ich hatten mit Dr. jur. Tammo Seemann gleich einen ortsansässigen Rechtsanwalt dabei. Ob er im Bedarfsfall auch René Wallesch und Wolfgang Weitkämper vom 100MC vertreten hätte, mussten wir nicht klären.

Da das Zeitlimit bei 5:30:00 h angesetzt war und kein Gefangenentransport in die anderen Haftanstalten diese JVA verlassen durfte, solange sich noch Läufer auf der Strecke befanden, legten Christine und ich "zur Feier des Tages" bzw. "aus gegebenem Anlass" deutlich zügiger als sonst los. Während der ersten 250 Meter kamen wir dabei kurz ins Gespräch mit einem aus Kasachstan stammenden Gefangenen, der hier seinen ersten Marathon lief und den ich später in 4:26 h finishen sah.

Nach dem Verlassen des Sportplatzes und einer 180°-Kurve nach rechts passierten wir den Verpflegungsstand - hier gab es Wasser, isotonisches Sportgetränk, Bananen, Apfelstücke und "Plastiksprengstoff" (kleingeschnittene Powerbars) -  umrundeten in einer Links-Rechts-Links-Links-Kombination den Werkstatttrakt und liefen dann in einer lang gezogenen Linkskurve am eigentlichen Hafttrakt vorbei.

Von hier kam - vor allem während der ersten Runden - viel Resonanz, wobei ich  mir, neben Christine laufend, des Neids vieler Zuschauer sicher sein durfte. Auch im weiteren Verlauf kamen immer wieder Zurufe, vor allem nett und anerkennend gemeinte Aufmunterung.

Kurz vor dem Ende des Hafttakts sahen wir in einem engen, mit hohen Gittern abgetrennten Bereich, einen Häftling stundenlang seine 30-Meter-Runde laufen.

An zwei Dixis und einem weiteren Posten vorbei liefen wir dann wieder auf das Areal des Sportplatzes, vorbei am Startpunkt und immer an der Betonmauer entlang zum elektronischen Zeitmesssystem und in die nächste Runde.

Die ersten 21 Runden liefen Christine und ich gemeinsam, wobei wir mit einer Halbmarathonzeit von 2:36:46 h schon mal ein gutes Polster vorlegten, das wir dann in der zweiten Streckenhälfte kontrolliert "verwalteten".

Ab Runde 22 hing Christine ein wenig hinter mir zurück, jedoch nie mehr als knapp zwei Minuten. Dabei kam sie - ebenso wie Tammo - ins Gespräch mit mitlaufenden Gefangenen.

Während der letzten Runden verkürzte Christine nach und nach ihren Rückstand auf mich, und eine halbe Runde vor dem Ziel wartete ich dann auf sie, so dass wir gemeinsam in 5:27:28 h (Christine) bzw. 5:27:29 h (ich) ins Ziel liefen.

In der Sporthalle warteten noch reichliche Mengen an Kaffee, Tee und Kuchen auf uns, ferner unsere Finisher-Funktionsshirts und die Soforturkunden (mit Zeit, aber ohne Platzierung) und außerdem noch ein kleines Interview mit einem Journalisten der JVA-internen Zeitung und einer Mitarbeiterin der "externen" Oldenburger Presse. "Irgendwie" hatte es sich herum gesprochen, dass wir beide schon ziemlich viele Marathons/Ultramarathons "auf dem Kerbholz" haben. (Für Christine war es Nummer 451, für mich Nummer 2064.)

Fazit:

Dieser 6. Oldenburger JVA Marathon fiel schon sehr aus dem üblichen Rahmen.  Allerdings sahen wir beide - Christine hatte als Krankenschwester ja auch in der Forensik in Ochsenzoll gearbeitet, ich war im Rahmen des Kassenärztlichen Notfalldienstes des Öfteren in "Santa Fu" im Einsatz gewesen - eine  derartige Umgebung nicht zum ersten Mal. Trotzdem war es schön, am nächsten Tag wieder in der freien Natur an den Teichwiesen laufen zu können!

Tammos flapsige Idee, in Anbetracht dieser flachen und perfekt auszuleuchtenden Laufstrecke hier einmal einen 24-Stunden-Lauf anzubieten, stieß bei den JVA-Bediensteten indessen auf eine Mischung aus Entsetzen und Unverständnis. Nett, aber unmissverständlich erklärte man uns sofort, derartige Projekte seien mit dem Sicherheitsdienst nicht verhandelbar.

Damit kann ich sehr gut leben: 7-8 Stunden im Knast reichen als Eindruck völlig aus.

 


 
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