Ich habe erlebt, dass ich auf einem Fahrradweg flanierend nicht böse angeredet oder „weggeklingelt“ wurde. Der Finne wartet einfach, bis er ohne Murren um den Touristen herum fahren kann. Bitte liebe Finnen, geht nie auf einem Münchner Fahrradweg spazieren!
Auf der ersten Insel ist übrigens auch die deutsche Botschaft zu sehen. Kurz darauf verlassen wir Helsinki und kommen in die benachbarte Stadt Espoo und in ein neues Büroviertel. Der Großraum Helsinki besteht aus vier Städten, die zu einem Großraum mit über 1,3 Millionen Einwohnern angewachsen sind.
Die nächste Musikkapelle hat sich unter dem Dach eines großen finnischen Handyherstellers versteckt, der hier mehrere riesige Bürogebäude belegt. Auf einer langen Geraden Richtung Osten kann man sich über den frischen Wind freuen, der die warmen Temperaturen etwas erträglicher macht, aber bei meinem Tempo noch nicht so anstrengend ist. Vor mir fällt mir eine Laufbiene auf (siehe Foto), bisher kannte ich nur Laufschnecken...
Verpflegungsstände gibt es auf jeden Fall genug, so alle 3-4 Kilometer. Mir fällt auf, dass die Finnen sehr ordentlich sind. Sehr viele Becher fliegen in die aufgestellten Eimer. Die nassen Schwämme kann man bei vielen Kindern abgeben.
Kurz danach kommen wir wieder nach Helsinki und der Blick geht in Richtung des Hafens mit mehreren Kreuzfahrtschiffen. 200 dieser schwimmenden Hotels sollen pro Jahr anlegen. Heute Nacht kamen schon vier davon an.
Hatte ich schon von den kurzen Anstiegen erzählt? Positiv ist, dass dort immer sehr viele Zuschauer sind, die für Stimmung sorgen. Danach kann man beim Abwärtslaufen ja wieder Zeit gutmachen.
Als nächstes hat sich der Veranstalter wieder ein Schmankerl ausgedacht: Anstatt über eine Straße zu laufen, dürfen wir sie über eine Fußgängerbrücke laufen. Bei Kilometer 19 sind wir auf einer großen Klappbrücke. Wer muss eigentlich warten: Die Marathonis oder die großen Schiffe? Gut, dass der Hafen vor wenigen Jahren nach Osten verlegt wurde.
In Gegenrichtung kommt uns jetzt die Spitzengruppe entgegen. Auch hier im Industriegebiet gibt es viele Zuschauer. Kurze Zeit später kommt uns die erste Frau mit blonden Zöpfen entgegen, die Finnin Leena Puotiniemi wird heute in 2:38:05 gewinnen und qualifiziert sich für die Olympiateilnahme.
Beim Halbmarathonpunkt sind wir wieder im Stadtzentrum und laufen fast an unserem Hotel vorbei. Hier kommt nun auch die nächste Besonderheit auf uns zu: in den Laufhinweisen stand etwas von „salted pickles“ und es handelt sich wirklich um Gewürzgurken, die auch viel Zuspruch finden. Meine Begleiterin Judith startet nun auch einen Selbstversuch, der ihr aber keinen zusätzlichen Schwung verleiht. Mir fällt dann noch auf, dass man auch auf Gewürzgurken gut rutschen kann.
Am Meer entlang geht es an den Festungsinseln Suomenlinna aus dem 18. Jahrhundert vorbei Richtung Zentrum. Man kann den Dom und die rote orthodoxe Uspenski-Kathedral sehen. Die Stadt ist übrigens recht jung: Sie wurde 1550 auf Befehl des schwedischen Königs Gustav I. Wasa angelegt und 1640 an diese Stelle verlegt, so dass man keine mittelalterlichen Gebäude findet.
Am Rathaus biegen wir auf die Esplanadi ein, den Flanierboulevard der Stadt. Hier sitzt man gerne bei einem Getränk und beobachtet das Treiben und nun kommt auch noch der Marathon vorbei. Die Zuschauerdichte ist hier am größten, da der Start nur zwei Kilometer entfernt liegt. Nach einer Schleife geht es nun den Hinweg in verkürzter Form zurück. Dabei sehe ich auch wieder zwei junge Damen, die mir nochmals mit Sektgläsern zuprosten.
Ab Kilometer 30 laufen wir wieder auf der langen Straßenbrücke, diesmal in westlicher Richtung geradewegs in die tief stehende Sonne. Einen Kilometer später kommt mir der letzte Läufer vor dem Besenwagen entgegen. Hoffentlich kann er das Tempo halten. Das Ziel bleibt sechs Stunden offen. Während ich laufend fotografiere, bückt sich vor mir ein Läufer und ich kann nur durch einen Sprung einen Zusammenstoß vermeiden. Der einzige, der flucht, bin ich – Finnen bleiben gelassen.
Den Rückweg laufen wir nicht mehr über Espoo, sondern über eine Schäre, bei der wir wieder auf die 11-Kilometer-Markierung stoßen. Und diese kleinen Hügelchen sind immer noch da. Der Finne mit dem Cowboyhut auch. Ganz ordentliches Durchhaltevermögen!
Das Schöne ist, dass es durch die Abkürzungen jetzt viel schneller geht. Vor km 35 geht es wieder mal bergauf und es gibt den versprochenen Energybeutel einzeln überreicht.
Jetzt laufe ich so dahin und warte auf den letzten großen Anstieg zum Olympiastadion. Bei Kilometer 39 ist es so weit. Wir werden auf eine andere Strecke geschickt als beim Start und ich hoffe, dass die Steigung sich mehr streckt als beim Hinweg. Das erweist sich aber als Irrtum. Es scheint noch steiler zu werden. Nach der Getränkestelle muss man schon hart sein, um nicht mal kurz ein Gehpäuschen einzulegen. Auch hier gibt es wieder viele Zuschauer.
Es geht nach meiner Schätzung auf einem halben Kilometer über 30 Meter bergauf und dann geht es einen Kilometer wieder leicht bergab, was mir eine sehr gute Kilometerzeit einbringt. Der Turm des Olympiastadions rückt immer näher und wie im Fluge laufe ich durch das Marathontor ins Stadion, wo ich von Sprecher begrüßt werde. Gleichzeitig spielt man eine deutsche Schnulze an. Auf der Anzeigetafel sehe ich meine Fabelbruttozeit (3:53:17) - 26 Minuten schneller als in Hamburg.
Im Ziel ist alles wieder perfekt organisiert: Wunderbar massive Medaille, Chipabnahme, dann eine Tüte mit Banane und anderen Goodies, wieder Gewürzgurken und Kaffee so viel man wollte!
Ich lasse den tollen Lauf auf dem weichen Rasen ausklingen.
Die finnischen Läufer scheinen das Ganze gelassener zu nehmen: Man ruht sich kurz aus, zieht sich um und geht heim. Richtig euphorisch sieht da fast niemand aus. So sind sie halt, die Finnen.
Am nächsten Tag gibt es noch weiteres Sightseeing und bei der Kontrolle am Flughafen viel Rätseln über den massiven metallischen Gegenstand in meinem Rucksack: Bis ich die schwere Medaille vorzeige.
Ich kann den Helsinki City Marathon nur empfehlen. Es passt alles:
Viele Teilnehmer, perfekte Organisation (auch für Ausländer), Starterpaket mit Laufhemd, viele Zuschauer, tolle Stimmung, hoher Frauenanteil, Zieleinlauf im Olympiastadion (fast so schön wie in München), viele Verpflegungsstationen - aber: welliger Kurs.