marathon4you.de

 

Laufberichte

Über uns die See

 

Sechs Jahre ist es her, dass Judith und ich In Rostock angetreten sind. Da ich im Sommer gerne auch in der Nacht laufe, sind wir in diesem Jahr mal wieder auf dem Weg gen Norden. Die Bahn hatte vor einigen Monaten Tickets zum Preis von 37 € für die Hin- und Rückfahrt aus München angeboten. Und das Ganze in 7,5 Stunden. Da ist die Reise schnell gebucht, samt zweier Tage an der Ostsee.

Rostock ist mit seinen über 200.000 Einwohnern die bevölkerungsreichste Stadt Mecklenburg-Vorpommerns. Die dortige Universität wurde 1419 als erste Uni Nordeuropas gegründet. Wegen der Semesterferien bemerkt man vom studentischen Treiben allerdings wenig. Seit 1283 Mitglied der Hanse, blühte Rostock in den nächsten Jahrhunderten durch den Freihandel auf, wovon heute noch viele Bauwerke im Stil der Backsteingotik zeugen. Der 16 Kilometer entfernte Stadtteil Warnemünde, an der Ostsee gelegen, beherbergt den bedeutendsten deutschen Kreuzfahrthafen.

Wir reisen am Freitagnachmittag an. Das sehr frühe Aufstehen am Samstag mit Anreise und Marathon am selben Tag wäre uns zu hektisch und wegen der Unzuverlässigkeit der Bahn auch zu abenteuerlich gewesen. Dafür geht es erst am Samstagmittag zur Marathonmesse, die diesmal auf der Haedgehalbinsel am Stadthafen aufgebaut ist. Hier verläuft die Warnow, ein 155 Kilometer langer Fluss, der in der Gegend von Schwerin entspringt. Der Name bedeutet Krähen- oder Rabenfluss. Genau genommen handelt es sich hier schon um die Unterwarnow, ein Küstengewässer mit Meerwasserbeimischung.

Viel ist auf dem Marathonplatz nicht los, wir bekommen zügig einen Umschlag mit Startnummer inclusive Chip. Nachhaltig finde ich, dass es keinen einheitlichen Kleiderbeutel gibt und man einen eigenen abgeben kann. Einige Sponsorenstände sind auf dem großzügigen Areal in der Nähe historischer Kräne aus den 1950er und 1960er Jahren aufgebaut.

Für uns geht es gleich weiter nach Warnemünde, wo bei 21 Grad Wassertemperatur sogar ein kurzes Bad in der Ostsee möglich ist. Am frühen Nachmittag fahren wir zurück nach Rostock, wo wir Nudeln im Asien-Restaurant essen und dann im Hotel noch ein wenig entspannen.

Um 17:00 Uhr brechen wir vom Hotel zum Startbereich auf, der sich neben der Marathonmesse befindet. Die Marathonis starten um 18:00 Uhr, während die Halbmarathonis mit Schiffen flussabwärts zum Start am Warnowtunnel gebracht werden. Wenn ich das richtig verstanden habe, wurde wegen des aufwendigen Transports die Kapazität auf 1.300 Meldungen begrenzt. Das erste Schiff wird kurz nach unserem Start ablegen.

 

 

Nochmal auf die Toilette und dann stellen wir uns bei den 4:30-Pacern auf. Pünktlich um 18:00 Uhr der Start. Die Route ist einfach erklärt: erst eine kleine Runde in Zentrumsnähe, dann nach 10 km auf eine Strecke Richtung Meer. Die Halbmarathonmarke ist vor der Zufahrt in den Warnowtunnel erreicht. Auf der anderen Warnowseite wird eine Schleife gelaufen, dann zurück durch den Tunnel und auf etwas kürzerer Strecke zurück zum Startpunkt.

Etwas aufpassen muss ich beim Fotografieren. Hier wird gerade der Festplatz für die Hanse Sail aufgebaut, das größte jährlich stattfindende Traditionsseglertreffen der Welt. Über 100 Schiffe sind angekündigt. Neu war mir, dass es sich hier außerdem um einen Rummel mit Fahrgeschäften, Gastronomie und einem bunten Veranstaltungsprogramm an Land handelt. Entlang des Hafenkais befinden sich auch einige Restaurants, deren Kundschaft uns häufig anfeuert.

Wir laufen an alten Getreidespeichern und an neuen Gebäuden vorbei. Unter anderem hat hier die Kreuzfahrtgesellschaft AIDA ihren Sitz. Vor dem Haus die Skulptur „Große afrikanische Reise" des Rostocker Bildhauers Joachim „Jo“ Jastram. Und immer mal wieder der Blick auf die Petrikirche mit ihrem 117 Meter hohen Turm.

Das Neubaugebiet am ehemaligen Hafen gefällt mir auch ganz gut. Von vielen Balkonen werden wir angefeuert. Zwei junge Ordnerinnen führen ein Tänzchen auf und weisen uns den Weg nach links, wo schon eine Trommelgruppe auf uns wartet. Bei km 3,5 hinunter zur Unterwarnow und den ganzen Weg leicht verändert zurück. Die Führenden kommen uns entgegen.

 

 

An dem Eisbrecher „Stephan Jantzen“ vorbei und wieder auf die bekannte Strecke. Ähnlich wie beim Venedig-Marathon wird man vor Kellnerinnen gewarnt, die den Laufweg kreuzen. Aber hier komme ich gut durch. Überall steht Aperol Spritz für uns bereit oder doch eher für die Restaurantgäste? Kilometer 10 ist erreicht, die Ordnerinnen sind immer noch bei ihren Übungen und an der Unterwarnow biegen wir nach rechts flussabwärts ab. Der sandige Parkweg ist glatt und gut zu laufen. Es kann nicht schaden, sich die Laufuntergründe ein wenig einzuprägen. Für später.

Schöne Ausblicke auf die Altstadt werden uns heute begleiten. Ein Verpflegungspunkt wartet auf dem Gelände des Rostocker Ruderklubs auf uns. Ein Stück weiter stehen Angler an der Unterwarnow. Ein Junge hält mir einen kleinen zappelnden Fisch entgegen. Danke, gerade kein Bedarf. Schöne Villen gibt es zu sehen und deren Bewohner, die das warme Sommerwetter genießen. Kilometer 14, über einen schmalen Weg werden wir in ein Wohngebiet geleitet. Eine Passage durch Felder folgt. Es riecht gar nicht mehr nach Meer, sondern irgendwie frisch gedüngt. Ausblicke auf die Kräne des neuen Hafens und einen Kühlturm in der Ferne. Zwei Heißluftballons sind unterwegs.

 

 

Im Neubaugebiet, oder besser gesagt im damaligen Neubaugebiet, war schon bei unserem ersten Rostocker Marathon Nacht anno 2014 die Hölle los. Die Anwohner nutzen das Event für Partys vor den Häusern. So gefällt es mir. Über die Backbordstraße weiter. „Up’n Warnowsand“, so heißt eine andere Straße, kommen uns die führenden Marathonis entgegen. Die zweitplatzierte Dame strahlt mich an. Nebenan wird gegen ein neues Industriegebiet demonstriert.

Die Straße „Zur Warnow“ führt uns direkt auf den Fluss zu. Hier haben früher wohl Fähren abgelegt, heute wurden von drei Schiffen die Halbmarathonis an Land gelassen, nach dem Motto „Eine Seefahrt, die ist lustig“.

Rechts auf einen Pfad, wenige zehn Meter lang, aber recht steinig. In Oldendorf, wo es allerlei kleine Datschen gibt, warten viele Zuschauer auf uns. Die Halbmarathonis sind gerade 25 Minuten unterwegs und wir treffen die ersten an der Mautstelle des Warnowtunnels. Der 790 m lange Tunnel wurde 2003 als das erste größere, privat finanzierte und mautpflichtige Straßenbauwerk in Deutschland eröffnet. Er verbindet in zwei Röhren insgesamt 4spurig die beiden Ufer im Norden Rostocks zwischen Schmarl und Krummendorf. Ein ganz besonderes Erlebnis, denn über uns ist die See, genau genommen die hier 11 Meter tiefe Warnow.

 

 

Wo sonst kann man so etwas erleben? Hongkong könnte ich anführen, aber da kommt man nicht so leicht hin. Die Steigung auf der anderen Seite kommt mir gar nicht so schwer vor. Dumm nur, dass wir nun auch noch über eine Brücke die Tunnelzufahrt queren müssen.

Heiko aus Wolgast, wie wir 100-Marathon-Club-Mitglied, hat schon zehnmal beim Rostock Marathon mitgemacht und setzt sich langsam von uns ab. Für uns beginnt eine 5 km lange Schleife durch den IGA-Park, 2003 Schauplatz der Internationalen Gartenbauausstellung. Gleich am Eingang gibt’s einen Chinesischen Garten, einen Leuchtturm und das große Museumsschiff „Dresden“ zu bewundern. Links sind Anker ausgestellt, dann Schiffsschrauben. Auf der anderen Seite der Unterwarnow liegt eine große Fähre. Dahinter befinden sich die Hafenbecken des Überseehafens. Für mich als Landratte wäre es auch mal interessant, dort entlang zu laufen.

Auf einmal höre ich opernartige Klänge. „Nabucco Open Air“ steht auf einem Plakat und kurz danach laufen wir entlang der Parkbühne. Einige Kunstliebhaber verfolgen das Spektakel von einem Platz hinter den Zäunen. Mir gelingt ein Foto durch einen Schlitz im Sichtschutz.

21:00 Uhr, Sonnenuntergang. Nach drei Stunden sind wir wieder am Tunnel angelangt. Den haben wir jetzt ziemlich für uns allein. Auf den folgenden Kilometern werden wir mit einigen Mitstreitern um die Platzierung kämpfen. Ich schalte unsere farbigen Lämpchen an, die ich wie immer bei Nachtläufen um die Startnummer drapiert habe und die bei den Zuschauern für viel Aufmerksamkeit sorgen. Die Trommelgruppe ist immer noch zugange. Sehr schön, danke.

 

 

An den Oldendorfer Tannen ist es schon recht dunkel. Und es beginnt leicht zu regnen. Ich finde die Atmosphäre Up’n Warnowsand ganz nett. Die gelbliche Straßenbeleuchtung spiegelt sich schön auf der feuchten Straße, solange kein Auto entgegenkommt, was eher selten ist. Ich versuche etwas Tempo zu machen, da die Strecke später wahrscheinlich schwieriger zu laufen sein wird. Im Neubauviertel sind alle Partystände samt musikalischer Beschallung noch im Gange. Abklatschen ist nach wie vor gefragt.

Auf der einen Kilometer langen Pressentinstraße in eine leichte Senke, die den Blick auf die Mitstreitenden ermöglicht. In Gehlsdorf bei km 34 ein großer und von der Feuerwehr gut ausgeleuchteter VP samt Party. Mir wird ein Bier angeboten, dummerweise mit Alkohol, da lehne ich vorsichtshalber ab und freue mich schon auf den Gerstensaft bei der Zielverpflegung

Ein 200 Meter langer Hohlweg mit groben und nassen, rutschigen Kopfsteinen wird sehr vorsichtig gemeistert. Dann weiter auf dem Radweg entlang der Unterwarnow. Gegenüber wird hinter der Altstadt ein Feuerwerk abgebrannt. Bei Kilometer 36,5 sind wir auf Zielhöhe.

Aufpassen muss man auf die Schienen der Bootsanlagen. Teilweise gibt es Stellen ohne Licht. Mitunter haben Wurzeln den Teer angehoben. Judith und ich sind vorsichtig. Links auf einen Sandweg. Wie auf dem Hinweg schon bemerkt, ist der gut zu laufen. Außerdem befinden sich einige Lämpchen am Boden und geben den Weg vor, den man aber auch ohne Licht als helles Band zwischen dunklem Grün gut erkennt. Am Dierkower Damm dann Straßenlampen. Leider immer wieder mit dunklen Stellen hinter Bäumen. Ich hoffe, dass die kleinen Pflastersteine allesamt eben verlegt sind.

 

 

Zurück zur Unterwarnow. Einige entgegenkommende Radelnde sollten ihre Lampen mal neu einstellen. Da wird, wie woanders auch, sehr stark geblendet. Dann ist es fast geschafft: Ab Kilometer 39 ist der Weg gut beleuchtet. Den letzten VP nutzen wir noch mal für ein Getränk. Es ist immer noch recht warm. Dann dem Ziel entgegen. Judith und ich können noch einige Laufende überholen. Ich nehme an, dass auch noch langsame Halbmarathonis darunter sind. Später stelle ich fest, dass man sie nur anhand der Startnummern über 1.000 erkennen konnte. Ansonsten sahen die Startnummern gleich aus.

In den Lokalen auf der Silohalbinsel ist nicht mehr viel los. Vielleicht hat der Regen die Gäste vertrieben. Mehr Stimmung dann bei den Kneipen im Stadthafen. Auf den letzten 300 Metern wird richtig was geboten. Kurz nach 23:00 Uhr kommen Judith und ich gut gelaunt ins Ziel. Die Medaille ist schön gestaltet. Der Sponsor Hella verteilt Mineralwasser und Iso-Getränke großzügig und flaschenweise. Bananen gäbe es auch noch, nur für das Rostocker Bier kommen wir zu spät. Hatte nicht vorhin noch jemand erzählt, dass man sich bei Brauereiführungen gerne mal über Nacht einsperren lässt, um dann von der Morgenschicht völlig benebelt aufgefunden zu werden?

Wir ratschen noch mit einigen Marathon-Novizen, die nach uns ins Ziel kamen und die nicht alle wissen, ob sie sich dem Abenteuer „42 Kilometer“ nochmals aussetzen wollen. Ein Duschcontainer ist vorhanden und es werden Massagen angeboten.

 

Fazit:

Eine schöne Marathonstrecke an der Unterwarnow entlang und unter ihr hindurch.  Viele Zuschauer und Gartenpartys an der Strecke. Sehr häufig Verpflegungsstellen mit Wasser, Iso, Bananen. Gut abgesicherte, abwechslungsreiche Strecke.

Wer länger als 4 Stunden unterwegs ist und sich im Dunkeln schwertut, sollte eine Stirnlampe dabei haben, da es einige Stellen mit rustikalem Untergrund gibt. Die Bürgerliche Dämmerung ist um 21:45 Uhr zu Ende, dann sollte man bei Km 39 sein, von wo aus die Strecke bis ins Ziel beleuchtet ist. Das Zeitlimit liegt bei 5:30 h im Ziel und bei 2:40 h an der  Halbmarathonmarke.

 

Sieger Marathon

 

Frauen

1. Antonia Müller                    3:07:55
2. Leonie Johanna Richter     3:19:33
3. Claudin Dittrich                  3:23:01

 

Männer

 

1. Christoph Weigel                2:40:39
2. Philipp Karpeles                 2:42:33
3. Julian Sinke                        2:46:56

 

Finisher

Marathon        315
Halbmarathon 1089
7km                 406

 
 

Informationen: hella marathon nacht rostock
Veranstalter-WebsiteE-MailErgebnislisteFotodienst HotelangeboteOnlinewetterGoogle/Routenplaner

 
NEWS MAGAZIN bestellen
Das marathon4you.de Jahrbuch 2024