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Laufberichte

Ehrlich währt am längsten

 

„Graubünden Marathon, warst du da nicht schon vergangenes Jahr?“  enau! Und dass ich schon wieder hier bin, ist sicher ein erstes Gütesiegel.

Ich laufe gerne den Graubünden Marathon, einen der drei klassischen Schweizer Bergmarathons mit Start im Tal und Ziel in der Höhe. Das Praktische ist für mich zudem, dass ich diesen Lauf als Tagesausflug gestalten und gut in der für eine weitere Woche zum Platzen gefüllte Agenda unterbringen kann. Besonders in diesen Momenten brauchen wir doch das Laufen erst recht.

Das Trauerspiel des Winters ging in diesem Jahr schon zu oft in die Verlängerung. „Soll der Kerl doch Cricket spielen gehen, da kann er das Spielfeld in Beschlag nehmen, bis er seinen Akt endlich zusammen hat“, denke ich mir mit Blick auf das Wetter-App auf dem Smartphone. In (der) Lenzerheide (so sagt der Schweizer) wird für Samstag eine knapp zweistellige Temperatur erwartet. Mit der Faustregel, dass für hundert Höhenmeter ein Grad abgezogen werden kann, komme ich demzufolge für das Ziel auf dem Rothorn auf einen Wert unter dem Gefrierpunkt. In Kombination mit dem für Lenzerheide angekündigten Regen gibt das für die letzten Kilometer Schneefall. Wohlverstanden, in einem Gebiet, wo stellenweise noch zwei Meter Schnee liegen.

Die Frage, wie das unter diesen Umständen so werden wird, ist zwei Tage vor dem Marathon bereits geklärt. Das OK teilt mit, dass aus Sicherheitsgründen das Ziel zur Mittelstation Scharmoin hinunter verlegt wird. Damit die Einbuße an Kilometern und Höhenmetern nicht zu drastisch wird, gibt es eine Zusatzschlaufe auf dem Panoramaweg bei Valbella. Dennoch ist mit dieser frühzeitigen Meldung das Risiko groß, dass potentielle Nachmelder von einer Teilnahme abgehalten werden.

Diese transparente Kommunikation des Organisationskomitees weiß ich sehr zu schätzen. Wir erinnern uns nur allzu gut an die Umstände des letzten New York Marathons und ich habe mich an dieser Stelle auch schon dezidiert geäußert, was ich davon halte, wenn der Veranstalter meint, er könne die Teilnehmer – sagen wir es diplomatisch - für dumm verkaufen. Bevor ich abreise, kann ich also schon ein weiteres Gütesiegel verteilen.

Das dritte Siegel gibt es dafür, dass die Karte und das Höhenprofil der Ausweichstrecke auf der Website einzusehen sind. Es muss niemand im Dunkeln tappen, jedermann kann sich informieren, was auf ihn zukommt.

Andere Informationen zur Veranstaltung schaue ich im Trubel des Alltags nicht so genau an und schlage bei meiner Ankunft in Chur prompt die falsche Richtung ein. Wie im vergangenen Jahr bewege ich mich zur Quaderwiese, wo ein Veranstaltungsaufbau im Gang ist: für den Kinderspieltag. Meines ist nicht das einzige, mit Sporttasche umherirrende Gesicht, das von aufmerksamen Helfern des Spieltags zum Stadttheater verwiesen wird, wo im Foyer die Startnummern zusammen mit einem gut dimensionierten und mit verschiedenen Goodies gefüllten Kleiderbeutel aus Stoff und einem T-Shirt – dieses Jahr in Baumwolle - ausgegeben werden und die Garderoben in Nebensälen eingerichtet sind. Umziehen unter Kristallleuchtern, das ist nicht alltäglich. Und wenn der Start nicht auf der Quaderwiese ist, kann ich noch mehr hoffen, dass es mir heute rund läuft. Ein DNF nimmt man als Hypothek eben zum nächsten Lauf mit…

Leichter Nieselregen setzt etwas früher ein als prognostiziert und vom Moderator wir mit Nachdruck darauf hingewiesen, dass auf angemessene, sprich genügend wärmende Kleidung zu achten sei. Für die vorderste Startreihe gilt das nicht im gleichen Maße, aber auch bei den Anwärtern auf den Sieg, Jasmin Nunige, Marc Lauenstein, Gerd Frick, Vorjahressieger Martin Cox  und weiteren Favoriten ist kleidungstechnisch die Referenz an dieses winterliche Sommerwetter zu sehen.

Bei aller Ruhe vor dem Start, mit dem Startschuss geht vorne die Post ab. Im hinteren Drittel, wo ich mich einreihe, hat die Ruhe Bestand. Auch entlang der Strecke ist es ruhig, es wird kein großes Aufheben um die wetterfesten Unentwegten mit Laufschuhen gemacht. Nach ungefähr einem Kilometer ist man schon beim Arkadengang der Volksbibliothek und damit schon am Stadtrand. Auf der Straße geht es der gletschermilchigen Plessur entlang zum zweiten Kilometerschild. Auf der einen Talseite winden sich Bahn und Straße weiter gegen Arosa zu (wo die Bündner Laufsaison im Januar mit dem Snow Run beginnt), auf der anderen führt die Strecke des Marathons nach Passugg hoch, wo beim Kurhaus der erste Verpflegungsposten aufgebaut ist. Swiss School of Tourism and Hospitality steht an der Fassade. Eingangs erwähnter Veranstalter hat diese Institution mit gutem internationalem Ruf kaum je von innen gesehen oder einen Fensterplatz besetzt.

Nach dieser ersten Stärkung ist Schluss mit ebenem Untergrund. Ein paar Treppenstufen geht es abwärts, dann beginnt ein anfangs knackiger Wanderweg im Wald, der irgendwann in eine Wirtschaftsstraße übergeht und stetig nach oben führt. Auf der anderen Talseite ist das nächste Dorf, Malix zu sehen, auf unserer Seite in gefühltem kurzem Abstand ein Kilometerschild nach dem anderen. Schon vor dem neunten ist wieder ein Verpflegungsposten, bei welchem ich gerne die Flüssigkeitsspeicher fülle, denn beim zügigen Vorankommen bin ich ordentlich ins Schwitzen gekommen. Irgendwie scheint nicht nur die Strecke, sondern auch jeder einzelne Kilometer verkürzt zu sein. Mir soll es recht sein, es ist ein Zeichen, dass es mit meiner Formkurve langsam wieder aufwärts geht.

Vergangenes Jahr wurden wir auf diesem Abschnitt von einer ausgebüxten Ziege begleitet und überholt, heute hat sich der Ausreißer mit seiner Gang am oberen Rand der Weide vom Regen geschützt unter die Sträucher gestellt. Interessiert schauen sie von der gedeckten Tribüne herab  dem für sie sonderbar anmutenden Alpaufzug zu.

Vorerst geht es aber nicht auf die Alp, Churwalden ist das nächste Zwischenziel. Hier startet der Halbmarathon mit Ziel in Lenzerheide. Es geht ein Stück ebenen Wegs der Hauptstraße durch das Dorf entlang, dann folgt bei der Abzweigung ein weiterer Verpflegungsposten. Auch mit Informationen werden wir versorgt. Ich vernehme zum Beispiel, dass die Spitze eben Km 18 passiert habe; das bedeutet, dass sie siebeneinhalb Kilometer vor mir liegt. Und ich meinte, ich sei heute flott unterwegs…

Frisch gestärkt nehme ich den Anstieg hinauf nach Foppa in Angriff. Vier Kilometer später werden weitere 300 überwundene Höhenmeter mit einem Verpflegungsposten gefeiert.  Gehen und Laufen wechseln bei mir ab. Als Referenz nehme ich die anderen Teilnehmer und versuche, mindestens gleich schnell oder einen Tick schneller als sie unterwegs zu sein, mich dabei aber so effizient wie möglich zu bewegen.

Trotz des trüben, nassen Wetters bin ich wieder beeindruckt von den von Blumen übersäten Magerwiesen, welche den Hang überziehen. Ein Blick auf die Karte gibt dann auch noch etwas für die Ohren: Klangmalerische Flurnamen wie Vargan, Runcalätsch und Capätsch säumen die eingezeichnete Strecke. Und für den Gaumen gibt es auch schon wieder etwas. Beim Kulminationspunkt steht schon der nächste Verpflegungsposten. Diese Tanke muss nun aber für die nächsten sechs Kilometer bis nach Parpan reichen. Bis dorthin werden ganz ordentlich Höhenmeter abgebaut. Es beginnt mit Rollen auf der Teerstraße, dann gibt es einen Wiesen- und Wurzelweg, auf welchem mir die weiche Gummimischung an den Füßen den gewohnt guten Dienst erweist, nachher gibt es wieder einen Straßenschuh tauglichen Abschnitt.

Bei der Kirche in Parpan gibt es das ganze Angebot an Verpflegung und für den Läufer vor mir Schelte von seinem Familien-Fanclub. „Du bist im Verzug“, geben sie ihm zu verstehen. „Schon wieder“, heiße es aber unter dem Jahr, wenn er seine Schuhe für eine Trainingsrunde schnüren wolle, gibt er mir zu verstehen. Das Härteste für einen Läufer sind nicht die Wettkämpfe…

Ein Aufmerksamkeit heischender Wurzelpfad lenkt ihn kurz danach von seinem kleinen Frusterlebnis ab. Gut zwei Kilometer sind es bis zum Heidsee, wo schon wieder verpflegt werden kann. Bald wird die Abzweigung kommen, nach welcher ich einen neuen Streckenabschnitt kennenlernen werde. Unter der Straße durch geht es rechts über einen gemähten Weg hoch zu einer unbefestigten aber bestens hergerichteten Straße. Es ist der Beginn des Panoramawegs nach Spoina, für die Familien unter den Sommergästen absolut kinderwagentauglich präpariert und zwischendurch sogar bei diesem Wetter mit Ausblick zu dem uns verwehrten sonstigen Ziel, dem Rothorn.

Am höchsten Punkt, nach ungefähr 30,5km ist ein weiterer Verpflegungsposten, nachdem schon auf den drei Kilometern im Aufstieg einer eingestreut war. Vielleicht trägt auch das dazu bei, dass mir die Strecke gar nicht lang vorkommt. Beim Abstieg zum See holt mich Daniel ein, mein Co-Zugläufer beim Swiss City Marathon im Herbst. Im Flachstück um den See herum habe ich eine kleine Krise und bin froh um seine Begleitung.

Bevor wir das Schulhaus umkreisen, passieren wir Km35 und während die Halbmarathonis und 20-Milers links halten, nehmen wir die rechte Spur. Die führt an einem Verpflegungsposten vorbei ins Dorf und dort direkt in den Schlussaufstieg. Zum Finale gibt es nochmals Trail in Reinkultur. Wald, Steine, Wurzeln und Steigung satt. Daniel zieht mir langsam aber sicher davon, trotzdem fühle ich mich fit und kann ebenfalls noch an einigen Läufern vorbeiziehen. Es ist ein wirklich gutes Gefühl, in einer solchen Laufumgebung das Erfolgserlebnis zu haben, dass der Formstand Aufwind hat.

Gut zwei vergnüglich anstrengende Kilometer weiter ist beim Wasserfall die letzte Verpflegung vor dem Ziel eingerichtet. Alle Achtung, wie die Helfer hier in der Mitte von Nirgendwo diesen Posten aufgebaut haben. Das war wohl eine zünftige Schlepperei – härter als das, was ich da mache. Salzstangen, Cola und aufmunternde Worte, damit mache ich mich auf zum Endspurt. Na ja, das ist eher eine Übertreibung, doch trotz der anspruchsvollen Unterlage bin ich für meinen Begriff noch flott unterwegs.

Es geht am letzten Kilometerschild vorbei, hinaus aus dem Wald auf eine Weide, unterhalb der Kühe zu den letzten 500 Metern. Jetzt nochmals in einen kleineren Gang schalten und dann den finalen Anstieg zur letzten Markierung packen. Noch hundert Meter, noch ein bisschen weiter nach oben, dann geht es nach einer Linkskurve hinunter zum Ziel. Wie ich oben um die Ecke biege, höre ich den Moderator, wie er mich ankündigt: „Und da kommt er, unser Mann von der Baustelle!“ Gerade heraus und ehrlich, so wie er es empfindet. Dabei bin ich gar nicht von der Baustelle – ich bin die Baustelle! Aber wenigstens geht es mit der Arbeit voran und kann ich wieder beruhigter auf die vor mir liegenden Läufe blicken.

Auch wenn das leuchtende Orange nicht als Sicherheitskleidung gedacht ist, unsere Portalfarbe wird wahrgenommen. Aber nicht nur die Farbe. Kurz nach meinem Zieleinlauf bekomme ich die Rückmeldung eines Läufers, dass er im Vorfeld unsere Berichte genau gelesen habe und deshalb seinen Lauf optimal einteilen konnte. Das freut mich, denn dafür sind wir da.

Im Ziel werden Wolldecken angeboten, damit man sich geruhsam an der Zielverpflegung laben kann. Ich ziehe es vor, gleich die Gondel ins Tal zu nehmen, wo uns ein Shuttlebus zum Festgelände beim Schulhaus fährt. Meiner guten Stimmung tut es auch keinen Abbruch, dass die Dusche nur wenig wärmer als kalt ist. Ich beeile mich umso mehr und kann im Festzelt noch meinen Gutschein für die Pasta einlösen, bevor ich den nächsten Bus (schw.: das Postauto) nach Chur nehme. Die Fahrt ist im Startpreis inbegriffen und mit meinem abgekämpften Gesichtsausdruck muss ich keinen weiteren Beweis vorzeigen, dass ich Teilnehmer – nein, sogar Finisher – des Graubünden Marathons bin.

Das Organisationsteam und allen Helfern gebührt ein Riesenlob für die ehrliche Kommunikation bezüglich der Streckenänderung und -verkürzung und die mustergültig organisierte Alternative. Auch das Wetter an diesem Tag hinderte die Freiwilligen nicht daran, freundlich und aufmerksam die laufenden Gäste zu betreuen. Da komme ich gerne wieder.

 

Informationen: Graubünden Marathon
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