marathon4you.de

 

Laufberichte

Das Dach Tirols ist undicht

 

An einem wunderbar sonnigen Samstag machen wir uns von München auf ins Pitztal. Trotz Ferienbeginn in einigen Bundesländern kommen wir gut über den Fernpass, queren das Inntal und sind schon mittags am Talanfang in Wenns. Alternativ kann man das Pitztal auch sehr gut mit der Bahn erreichen. Vom Bahnhof Imst gibt es oft Busverbindungen.

In Wenns im PitzPark gibt es die Startunterlagen. Ein wenig müssen wir in der Schlange mit Blick auf die Becken des Naturbads warten, dann bekommen wir die Startnummer, ein schönes Laufhemd, ein Sonnengel und eine Massagecreme, An der Startnummer befindet sich auch ein Gutschein für die Pasta- und Knödelparty gleich nebenan. Besonders die Tiroler Knödel haben es mir angetan. Das Ganze erhalten wir zu einem Preis von 65€. Nur die Benutzung des Shuttlebusses für den Transport zum Start und vom Ziel zur Unterkunft kostet 8€ extra.

 

 

Unser Hotel liegt gleich hier in Wenns. Nach den zwei vorherigen Teilnahmen habe ich mich für die Zielnähe entschieden, da es hier, weiter unten, sommerlicher ist. Am Start in Mandarfen ist es meist 10 Grad kühler, aber wenn man dort abgestiegen ist, kann man länger schlafen. So hat alles seine Vor- und Nachteile.

Wir genießen den lauen Sommerabend in den Bergen auf dem Balkon.

 

Marathontag

 

Um 5:15 Uhr klingelt am nächsten Morgen der Wecker. Das Wetter hat total umgeschlagen und als wir um 6:30 Uhr den Shuttlebus nehmen, sind wir froh über unsere wärmenden Jacken. 30 Minuten später kommen wir in Mandarfen an. 8 Grad zeigt das Thermometer. Kurz kann man die umgebenden Berge sehen, dann zieht eine Wolkenbank vom Tal herauf. Das war es mit dem Ausblick auf die Berge für fast vier Stunden. Die Talstation der Rifflseebahn bietet genug Platz zum Unterstellen, auch die warmen Toilettenanlagen werden gut besucht.

Ein Schweizer Teilnehmer bedankt sich bei uns für die schönen m4y-Artikel, die auch in seiner Heimat gerne gelesen würden. Da wird mir gleich viel wärmer ums Herz. Danke! Erst 10 Minuten vor dem Start ziehen wir die Jacken und langen Hosen aus und geben unsere Taschen ab. Diese werden im Bus regensicher zum Ziel gefahren und können dort dann abgeholt werden.

Der Startbogen befindet sich auf einem kleinen Damm hinter dem Parkplatz. Um 8:00 Uhr dann ein kurzer Countdown und los geht´s. Hier wird Bruttozeit gemessen. Wir starten talaufwärts. Die Teerbahn ist breit. Hier sind irgendwo die Parkplätze für den Gletscherexpress, der als Tunnelstandseilbahn auf 2.840 Höhe führt. Von dort geht es weiter auf die Wildspitze, den zweithöchsten Berg Österreichs, bis auf 3.444 Meter. Dieses Jahr lag eine Tageskarte für die Bergbahnen dem Starterpaket bei und der Sommerbetrieb des Gletscherexpress sollte am Samstag starten. Leider verzögerte sich die Revision, sodass es erst nächstes Wochenende so weit ist. Wie gerne wäre ich da mal hochgefahren. Aber der Gutschein gilt noch für ein Jahr.

 

 

Das regentrübe Ambiente macht das Ganze recht unwirtlich. Die dünne Luft und der Anstieg bremsen Judith und mich ziemlich aus. Wir keuchen vor uns hin. Eine große Anzahl Kälber stürmt bei einer Wiese von rechts auf uns zu. Gut, dass uns ein Zaun von ihnen trennt. Hinter der Gletscherbahnstation kommt ein kurzes Stück trailartiger Weg, dann bei den Mittelberger Felder (1.735 m) über den Pitzbach und auf Teer hinunter Richtung Mandarfen. An der Talstation der Rifflseebahn vorbei drehen wir und kommen nach ca. 3 Kilometern wieder zum Startbogen. In Abänderung der früheren Strecke ist das Ganze noch einmal zu absolvieren. An der Bushaltestelle Mittelberg sehen wir, wie Wanderer aus dem Linienbus steigen. Heute wandern? Es soll den ganzen Tag konstant regnen und weiter oben schneit es vielleicht.

Wieder zurück nach Mandarfen. Einige Pferde gibt es am Wegesrand zu betrachten. In Mandarfen wieder einige Zuschauer. Eine lange Abwärtspassage bis km 28 steht an. 700 Meter hinunter, fast keine Anstiege. Links ein großer schöner Nadelbaum, mit Lichterkette geschmückt. Ja, Weihnachten ist nicht mehr weit. Und dann eine urige Bar namens Hexenkessl, die zum Après-Ski einlädt.

Inzwischen hat sich eine Gruppe gebildet, die eine Weile gemeinsam unterwegs sein wird. Der Läufer im ORF-Plastiküberzug - wahrscheinlich vom Wien Marathon - begleitet als Coach eine Dame und macht mit gelegentlichen Jodlern gute Laune. Auch hier im hinteren Bereich werden wir nie alleine unterwegs sein. Die Teilnehmerzahlen sind in diesem Jahr gestiegen. Man konnte sich auch bis kurz vor dem Start noch nachmelden. Fragt sich nur, ob das bei diesem Wetter jemand gemacht hat.

An unserer Laufstrecke liegen nun viele kleine Weiler, meist mit großen Hotels und Ferienwohnungen. Das Tal wurde schon Anfang des 19. Jahrhunderts für den Tourismus entdeckt. Den größten Schub brachte die Eröffnung der Gletscherbahn im Jahr 1983. Das Pitztal verläuft in Nord-Süd-Richtung und wird auf beiden Seiten von hohen Bergen gesäumt, was die Zeit der Sonneneinstrahlung etwas verkürzt. Die Vegetationsphase ist nur vier Monate lang. Wir kommen nach Plangeroß, ein Dorf mit vielen Hotels.

 

 

Der erste lange Lawinentunnel steht an. Über vierhundert Meter. Ich lasse mich zu der Bemerkung verleiten, dass man hinter dem Felbertauerntunnel oft viel besseres Wetter vorfindet als auf der Nordseite. Eine Läuferin zerstört die Illusion, dass es hier genauso sein könnte: „Wir sind hier nicht in Osttirol und im Pitztal gibt es einheitliches Wetter: Entweder von oben bis unten Sonne oder von oben bis unten Regen.“

Berge? Eher nicht zu sehen. Dafür mehrere Wetterkonstellationen: Regen, Wolken und ganz selten: kein Regen. Positiv: Es plätschert gleichmäßig, Wolkenbrüche bleiben uns erspart. Lauftechnisch hatte ich wohl die richtigen Schuhe gewählt. Da rutscht nichts. Und der Untergrund ist sehr gut. Das Wasser fließt wohl schnell zur Seite, es gibt so gut wie nie Spurrillen, in denen sich viel Wasser sammeln würde. Also perfekt. Und auch die Autos, die uns überholen, fahren immer am linken Straßenrand. Wir müssen uns laut Reglement so weit rechts wie möglich halten. Also trifft uns auch kein Wasser von der Seite.

An einem Verpflegungspunkt wartet eine Dusche auf uns. Und die Betreuer sind wohl überrascht, dass Getränke heute so wenig Ansatz finden. VPs gibt es recht oft, immer mit Wasser und Iso-Getränken. Auch Bananen gibt es immer wieder, später Cola und Melonenstücke.

Zu sehen gibt es genug: Ziegen, Pferde, Kühe, Langhornrinder. Der oft zitierte Esel scheint heute im Stall geblieben zu sein.

In der Gemeinde St. Leonhard, genauer im Weiler Eggenstal, wurde der Halbmarathon gestartet. Um 9:00 Uhr, weshalb nur die ganz schnellen Marathonis davon etwas mitbekommen haben dürften. Dafür kann man in der Ausschreibung lesen, dass es für die Halbmarathonis 565 Meter bergab und 72 Meter bergauf geht. Für die Marathonis folgt in Arzl noch eine kleine Schleife mit ein paar zusätzlichen Höhenmetern. Klingt aber nicht so schlimm.

 

 

Gegen Ende des Hochtals geht es etwas steiler hinunter. Eine engere Kurve ist mit Warnkegeln gesichert, da hier auch eine Straße abgeht. Damit müssen sich Autofahrende in unsere Läuferschlange einreihen. Steil geht es nach unten in eine Klamm. Ich mache ein paar Fotos und merke erst dann, dass ein Postbus hinter mir wartet. Also schnell Land gewinnen. Ich sprinte Judith hinterher.

In Ritzenried dann eine große Alpaka-Herde. Oder sind diesmal doch Lamas dabei? Egal, auf jeden Fall keine Giraffen, die würde ich auch als Stadtkind erkennen.

Links steht auf einem großen Schild: „Pitztal - Das Dach Tirols“. „Mit vielen undichten Stellen“ dichte ich angesichts der aktuellen Witterung hinzu.

Wir überqueren die Pitze an der Einmündung des Stuibenbachs und damit ist das Kapitel „Downhill“ vorerst beendet. Es geht spürbar hinauf. Zeit, Judith noch einen schönen Lauf zu wünschen und dann nach oben zu schnaufen. Eine nette Aufholjagd beginnt. Oben angekommen, empfängt mich die Ortschaft „Schön“. Nach der Kurve ein VP. „Schön habt ihr´s hier“ rufe ich, aber so recht scheint keiner den Witz zu verstehen. Wobei das mit dem Dialekt zu tun haben kann. Das hier gesprochene Tirolerisch ist dem Oberbayerischen doch nicht so ähnlich, wie ich immer dachte. Dafür fragt mich jemand beim Vornamen, ob noch viele Laufende kommen. Stimmt, der Name steht auf der Startnummer, aber ohne Nationalitätenfähnchen. Diesmal sollen 37 Länder vertreten sein, wobei die größte Gruppe aus Ungarn zu kommen scheint. Meine Antwort an den Betruer ist, dass hinter mir noch einige unterwegs sind. Zeit, die Beine in die Hand zu nehmen, und nun geht es mal wieder bergab. Inzwischen sind wir auf 1.000 Metern Meereshöhe und es ist nicht mehr so kalt, gemäß der Regel, dass beim Abstieg pro 100 Höhenmetern die Temperatur um 1 Grad steigt.

Spannend wird es noch mal an der hohen Brücke über den Pillerbach. Hier wird gearbeitet und die Straße ist nur einspurig. Die Feuerwehr regelt den Verkehr, was ganz gut zu funktionieren scheint.

Und dann öffnet sich der Blick Richtung Wenns. Das Tal ist hier viel breiter und lieblicher geworden. Na ja, 50 Höhenmeter hinauf geht es auch, auf weniger als 2 Kilometern. Oben der Startbereich des 8 km langen Run & Fun-Laufs und des 5,5-km-Laufs. Wir sind bei km 34. Ein Sprecher feuert uns an. Die Partyzone ist ganz gut besetzt.

 

 

Eine Bergspitze, hurra, eine Bergspitze, spitzt aus den Wolken hervor! Das kann doch nur der 2.370 Meter hohe Tschirgant sein, wo m4y-Berichterstatter Bernie vor ein paar Wochen unterwegs war. Und obwohl ich die Aussicht genieße, habe ich wieder zwei Mitstreiterinnen überholt. Schön flach geht es dahin. Rechts ein breites Tal. Die grünen Masten der Hochspannungsleitung fallen überhaupt nicht auf. Leider scheinen sie aber nun in Rot-Weiß-Rot angemalt zu werden. So wird es wohl sicherer und farbenfroher.

 

Dann Arzl im Pitztal, rasant die Straße hinunter. Ein Zuschauer steht an der verlassenen Straße. Die Kanaldeckel sind rutschig, da gilt es aufzupassen. Km 39, Trennung an der großen Kreuzung beim Gemeindeamt. Die Freiwillige Feuerwehr entwirrt Laufende in zwei Richtungen und querende Autos. „Grün“ wird geschrien. Das ist die Startnummernfarbe der Marathonis, also bin ich gemeint. Ein Auto bremst ab, damit ich auf den Gehweg gegenüber komme.

 

 

Nun also die kurze Pendelstrecke zum Sportplatz, bekannt vom vergangenen Jahr. Da werden noch mal einige Wellen präsentiert. Einige Stellen sind sogar recht steil. Die Wendestelle liegt vor dem Sportplatz in einer Senke. Im Gegensatz zum Vorjahr entfällt die Runde rund ums Stadion samt Tour durch ein angrenzendes Wohngebiet. Dafür haben wir diesmal die Schleife beim Start in Mandarfen doppelt absolviert.

Egal ob auf oder ab, bei mir läuft es ausgezeichnet. Mein Ziel unter 4:30 h habe ich schon in der Tasche. Auf dem Weg zurück sehe ich Judith. An der großen Kreuzung queren und dann etwas überraschend um einen Wohnblock (km 42) herum. Ein Fußweg im Grünen samt 180-Grad-Kehre und dann hinunter auf eine Wiese. „Obacht, rutschig“, ruft man mir zu. Stimmt.

Strahlend laufe ich durch den Zielbogen und bekomme auch gleich ein Foto von mir in die Hand gedrückt. Vielen Dank.

Ich labe mich an der Zielverpflegung. An warmen Tee und Heizstrahler hat niemand gedacht. Nur Spaß, hier unten hat es mollige 16 Grad. Dafür gibt es wieder sehr guten Kuchen und natürlich auch Bier.

Einige Bekannte kommen nun ins Ziel, Helene wird Zweite ihrer AK. Die Erste muss ganz kurz vor ihr angekommen sein. Bald kommt auch Judith ins Ziel, dieses Jahr als Dritte. Die schnelleren Bekannten mit Zeiten um die 3 Stunden sind wohl schon weg.
Im Gruba-Zentrum gibt es Duschen und Massagen. Die Preisverleihung wird wegen des anhaltenden Regens in den überfüllten Saal verlegt. Judith und mir ist so kalt, dass wir schnell aufbrechen, um den Bus zum Hotel zu erwischen. Eine heiße Sauna wartet auf uns.

Und am Montag ist der Sommer wieder im Pitztal.

 

Fazit:

Laut Auskunft der Verantwortlichen das erste Mal seit 2006 ein „verregneter“ Gletschermarathon. Statistisch ist also die nächsten Male wieder mit Sonne zu rechnen. Berichte darüber hier bei M4Y. Eigentlich sollte man meinen Bericht gut verstecken, um niemanden abzuschrecken.

Der Gletschermarathon bietet aufgrund des Gefälles die Möglichkeit, sehr gute Zeiten zu erzielen. Die leicht angepasste Strecke macht ihn noch ein wenig schneller. Die Organisation ist sehr gut, die Pitztalerinnen und Pitztaler stehen voll hinter der Veranstaltung. VPs gibt es ausreichend. Die Straße ist perfekt präpariert. Ein internationaler Lauf mit Infos auch in Englisch.

Das Pitztal bietet wirklich alles für einen schönen Sommerurlaub. Die Infos im Internet zu Wanderungen sind sehr gut und ausführlich. Die Einheimischen sind sehr freundlich. Alles Gründe, hier etwas länger zu bleiben.

 

Marathon Siegerinnen

 

1. Ellen Tuchscherer  AUT    3:02:16,8       

2. Raluca Apostol       GER    3:03:42,2

3. Liliana Szavai        HUN   3:05:43,2       

 

Marathon Sieger

 

1. Jonas Müller           GER    2:30:44,8       

2. Franz Rennhofer    AUT    2:41:06,8

3. Steffen Schlegel     GER    2:41:41,7

 

Teilnehmende:


Marathon                    206

Halbmarathon            274     

8,1 km                        100

5,5 km                        81

 

 

 

Informationen: Gletschermarathon Pitztal
Veranstalter-WebsiteE-MailFotodienst HotelangeboteOnlinewetterGoogle/Routenplaner

 
NEWS MAGAZIN bestellen
Das marathon4you.de Jahrbuch 2024