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Laufberichte

Sightseeing-Tour

28.09.08
Autor: Heike Mohr

Mit Raubrittern, Asterix und Obelix und Pumuckl auf Sightseeing-Tour – der Berlin-Marathon 2008

„Bitte verlassen Sie Ihren Platz nicht mehr und legen Sie den Sicherheitsgurt an, wir beginnen mit dem Landeanflug auf Berlin!“ kam es Freitagvormittag aus den Lautsprechern und ich schaute aus dem Fenster meines Flugzeuges hinunter auf unsere Hauptstadt. 13 Jahre ist es jetzt her, dass ich nach dem Grundstudium hier weggezogen bin, und ich schmunzelte bei der Erinnerung an so manche Geschichte aus meiner Berliner Studentenzeit. Vor allem bei der Erinnerung an einen Besuch meiner Eltern, die – während ich in der Uni saß – auf eigene Faust die Stadt erkundet hatten und mir nun samstags sämtliche Sehenswürdigkeiten zeigten, für die ich noch keine Zeit gehabt hatte. Die Sightseeing-Tour an diesem Samstag hatten wir weitestgehend zu Fuß gemacht und waren abends völlig platt. Eine solche Sightseeing-Tour zu Fuß hatte ich nun wieder vor mir, nur ein bisschen anders gestaltet als vor 13 Jahren mit meinen Eltern… Nämlich beim Berlin-Marathon.

Aber der war ja erst am Sonntag. Nun hieß es erstmal Hotel suchen und dann auf in die Stadt. Ich war verabredet mit einer großen Gruppe Läufer/-innen aus Wien, die ich aus einem Laufforum im Internet kenne und zum großen Teil auch schon mehrmals in Wien getroffen habe. Das letzte Mal vor anderthalb Jahren, und ich freute mich wie ein Schneekönig auf das Wiedersehen. Außerdem war noch eine Läuferschar aus der Steiermark da, die ich auch schon lange nicht mehr gesehen hatte.

Informationen: BMW Berlin-Marathon
Veranstalter-WebsiteErgebnislisteHotelangeboteOnlinewetterGoogle/Routenplaner

Als ich die Wiener Truppe dann endlich antraf – sie saßen vier Stunden am Wiener Flughafen fest, weil der Flieger defekt war und es offenbar keinen Ersatz gab – machten wir uns auf zur Marathonmesse, um unsere Startunterlagen abzuholen.

Auf dem Rückweg von der Marathonmesse lief jemand mit einer roten Jacke mit der Aufschrift „marathon4you“ auf dem Rücken vor mir her. Naja, kann es ja viele geben… In der S-Bahn stand der Herr neben mir und ich konnte einen Blick auf das umhängende Namensschild werfen: Klaus Duwe. Also doch! Ich sprach ihn an und wir unterhielten uns kurz. Jetzt kannte ich den „großen Meister“ dieser Seite auch mal persönlich…

Zurück von der Messe, war dann nur noch Abendessen angesagt.

Am Samstag traf ich die Steirer und wir schauten uns gemeinsam den Start- und Zielbereich an, besichtigten den Berliner Dom und setzten uns dann gemütlich zuerst auf ein Schiff zu einer Rundtour auf der Spree und dann in ein Café. Nur nicht mehr überanstrengen.

Am Sonntag war’s dann soweit, der Marathon! Im Frühstücksraum des Hotels gab’s um 6 Uhr kaum einen Platz, und so lernte ich einen netten Franzosen kennen, mit dem ich mir einen Tisch teilte und der heute in Berlin seinen ersten Marathon laufen wollte.

Michi – einer der Wiener – wartete vor dem Hauptbahnhof auf mich, und dafür war ich ihm sehr dankbar, weil ich den Startbereich sehr groß und unübersichtlich fand und mich alleine wohl nur schwer zurechtgefunden hätte. Wir zogen unsere warmen Sachen aus, packten uns in die ausgeteilten Wärmefolien, brachten unsere Kleiderbeutel weg und marschierten zum Start. Ich hatte bei der Anmeldung meine bisherige Bestzeit angegeben und landete damit im letzten Startblock. Michi hätte einen Block vor mir starten können, tat er aber nicht. Hätte er im Nachhinein aber vielleicht doch lieber gemacht, ich quasselte ihn vor lauter Nervosität dermaßen zu, dass er mir irgendwann spaßeshalber Redeverbot erteilte…

Und dann fiel der Startschuss für unseren Block, wir marschierten los und liefen dann kurz vor der Startlinie an, direkt auf die „Gold-Else“, die Siegessäule, zu. Das Läufergewühl war schon dicht und wir mussten uns irgendwie durchschlängeln, um überhaupt laufen zu können. Nach einem Kilometer verabschiedete sich Michi, ich schaltete meinen iPod ein und lief alleine weiter. Meine Musik in den Ohren spielte aber so leise, dass ich am Rand alles mitbekam. Und das war eine Menge… Samba- und Trommlergruppen, Blasorchester, Jazzbands, Popbands, Cheerleader, Sambatänzer – hier war alles vertreten…

Aus meiner Studienzeit in Berlin hatte ich die Berliner eigentlich als ruhig und eher unfreundlich in Erinnerung, aber heute zeigten sie sich von einer ganz anderen Seite. Die Leute tobten teilweise am Rand, schlugen auf Topfdeckeln herum, schrien durch Megaphone und peitschten die Läufer durch die Straßen.
Überhaupt hätte ich soviel Party während des Laufs nur dem karnevalsnahen Köln-Marathon zugetraut, aber so kann man sich täuschen. Ich sah unterwegs eine Menge origineller Verkleidungen. Eine Ente, drei Jungs als vollbusige Mädels verkleidet, Batman war unterwegs, drei gefährliche Raubritter bahnten sich ihren Weg durch die Läufermassen und gleich mehrmals Asterix und Obelix, ein Obelix trug sogar einen dicken Hinkelstein auf dem Rücken. Und Pumuckl trieb auch irgendwo seine Streiche.

Nach der Siegessäule ging’s in Richtung Ernst-Reuter-Platz und dann in einer Schleife zurück Richtung Reichstag. Wir passierten wieder den Hauptbahnhof und den Reichstag. Hier sah ich zum einzigen Mal für heute zwei Bekannte am Rand stehen, zwei Mädels aus der Steirer Gruppe, die nicht mitliefen.

Von weitem konnten wir nun den Fernsehturm auf dem Alexanderplatz sehen, danach ging’s durch Friedrichshain und Neukölln, vorbei an Schöneberg und Wilmersdorf. Meine Fachhochschule war damals in Wilmersdorf, aber ich erkannte leider nichts mehr. Längst hatte ich die Halbmarathonmarke hinter mir und war für meine Verhältnisse eigentlich zu schnell, aber es ging prima, ich fühlte mich gut und ließ mich einfach treiben.

Nach dem Wilden Eber ging’s in Richtung Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche, die ich schon von weitem sehen konnte. Jetzt wusste ich auch wieder genau, wo ich war – auf dem Ku’damm. Aber bummeln und shoppen stand heute nicht auf dem Programm. Ich war bei km 33 angelangt, und mir ging’s immer noch gut. Sehr verdächtig!

Bei km 34 sah ich ein bekanntes T-Shirt am Rand entlang spazieren – Michi! Ich rief nach ihm und er lief nun neben mir her und meinte, er hätte auf mich gewartet und würde jetzt bis zum Ziel bei mir bleiben. Ich freute mich wie ein Schneekönig! Wie bitter nötig ich das auch hatte, stellte sich aber erst später heraus…

Einträchtig liefen wir nebeneinander her und spekulierten, wie es den anderen wohl gehen würde und wer vielleicht schon im Ziel war und wer nicht.

Neben uns über den Bürgersteig radelte eine Frau mit ihrem Kind, und als wir vorbeiliefen, hörten wir, wie das Kind zu seiner Mutter sagte „Mama, da hat doch schon längst einer gewonnen, wieso laufen die denn alle immer noch weiter?“ Und die Mutter erklärte dem Kleinen, dass es nicht ums Gewinnen ging, sondern ums Durchhalten. Wir drehten uns beide um und hielten der Mutter den Daumen hoch für diese tolle Erklärung! Aber süß fanden wir den Fratz trotzdem…

Ab km 38 hätten tausend kleine süße Fratze witzige Fragen stellen können, es interessierte mich nicht mehr. Ich begann immer mehr zu kämpfen, meine Beine wollten einfach nicht mehr und ich bekam immer schlechter Luft. Aber Michi zog mich mit motivierenden Sprüchen immer weiter und versorgte mich an den Verpflegungsstellen mit Wasser, Tee und Banane. Und er zählte die Kilometer  runter.

Bei km 41 war das aber schon wieder fast vergessen, weil man ab dort schon das Brandenburger Tor sehen konnte. Sehr motivierend! Ich sammelte die letzte Energie zusammen und wir liefen zusammen aufs Ziel zu. Durchs Brandenburger Tor durch und dann Hand in Hand über die Ziellinie! Meine angestrebte Zielzeit hatte ich knapp geschafft, nur 18 Sekunden drunter. Egal, geschafft! Ob ich das ohne Michi geschafft hätte, wage ich zu bezweifeln. Mir tat zwar jetzt nach wie vor alles weh, aber das Strahlen war in mein Gesicht zurückgekehrt! Ich war beim Berlin-Marathon im Ziel angekommen!

Hier gab’s nun Wasser und Tee und eine Tüte mit allerhand Verpflegung wie Schokobrötchen, Obst, einen Keks und ein Getränk. Die Sonne schien vom wolkenlos-blauen Himmel, wir bekamen unsere Medaille, wurden nochmal fotografiert und waren uns nun einig: es war ein tolles Erlebnis!

 


 
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