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Laufberichte

Journey of Joy

 

Eine Reise der Freude soll es werden, für alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer beim goldenen Jubiläum der größten deutschen Marathonveranstaltung. Viele wollen dabei sein, doch am Ende schaffen es nur etwas über 58.000 Glückliche,  einen Startplatz zu ergattern. Zusammen mit den Handbikern, Inlineskatern und den Teilnehmern am 5 Kilometerlauf und dem Minimarathon bewegt Berlin an diesem Wochenende über 80.000 Menschen.

Dem Anlass angemessen gibt es bereits in der Vorwoche zahlreiche Veranstaltungen. Die Startnummernausgabe öffnet von Donnerstag bis Samstag, um die Massen zu bewältigen. Silke und ich reisen bereits am Freitag an, es bleibt sogar noch Zeit, meine Startnummer abzuholen. Der frühere Flughafen Tempelhof ist dafür das geeignete und passende Ambiente. Alles ist klar ausgeschildert und so werden wir sicher zur Ausgabe geleitet. Trotz kleiner technischer Probleme und Eingangskontrolle halte ich sie bald in Händen. So bleibt der Samstag für eine kleine Sightseeingtour in der Innenstadt.

Früh morgens begeben wir uns erst einmal zum Brandenburger Tor und zum Reichstag. Eine Vorbesichtigung ist hilfreich und auch ein ausgemachter Treffpunkt für nach dem Rennen ist hilfreich, denn der sogar schon jetzt sehr belebte Platz wird am Sonntag total unübersichtlich sein. Einen ersten Eindruck bekommen wir beim 5 Kilometerlauf, dessen Teilnehmer sich gerne bejubeln lassen. Ein kleiner Vorgeschmack, der die Vorfreude noch einmal steigert. Dann noch ein kurzer Rundgang über den Alexanderplatz durch das gemütliche Nikolaiviertel und dann zurück ins Hotel, um für den Renntag ordentlich auszuruhen.

 

 

Frisch aus den Federn gibt es noch ein kleines Frühstück, ehe ich mich auf den Weg zum Start mache. Geöffnet ist es für die Läufer bereits ab 7 Uhr. Es ist kühl, weshalb ich nicht ganz so zeitig erscheinen möchte. Die S-Bahn ist pünktlich, gefüllt mit Läuferinnen und Läufern, und bringt uns problemlos zum Brandenburger Tor. Es liegt schon in der Sonne und jetzt ist auch noch Zeit, sich davor ablichten zu lassen. Dann geht es weiter zum Reichstag. Vor dem Bundestag befindet sich der Eingang zum großen Start- und Zielgelände. Ich bin mit Thomas verabredet, der mich mit seiner Erfahrung bei seiner 28. Teilnahme locker ausmachen kann.

Bis zum Start um 9.15 Uhr haben wir noch eine Stunde. Zeit genug, um die Starts der Handbiker und Inlineskater auf den großen Leinwänden zu verfolgen. Im Schatten der Bäume im Tiergarten bleibt es noch kühl. Viele sind noch dick eingepackt in Plastikfolien und alten Sportjacken. Vor dem Start werden die meisten davon noch an der Seite abgeben, als willkommene Spende für die Obdachlosen.

 

 

Der Start erfolgt pünktlich, für die Spitzenläufer. Mit unserer Einordnung in Block E starten Thomas und ich erst mit der zweiten von insgesamt vier Wellen um 9.50 Uhr. Noch vor dem Start trennen sich unsere Wege, denn in der großen Menge und bei der unterschiedlichen Herangehensweise an den heutigen Marathon hätten wir uns eh schnell aus den Augen verloren.

Nach dem Start der ersten Welle werden wir zu Startlinie geführt. Gebannt wartet die Läuferschar auf den Start. Dazu Hände in die Höhe, schwingen im Takt der Musik und Klatschen. Da verfliegt langsam die Kälte. Nur noch wenige Minuten verbleiben, bis wir auf die Strecke gelassen werden. Vor mir die Pacemaker für 3 Stunden 15, an denen ich mich nicht orientieren werde.

Der Countdown beginnt, die Stimmung steigt und endlich dürfen wir uns in Bewegung setzen. Auf der Straße des 17. Juni geht es erst einmal Richtung Westen. Gleich bin ich mittendrin im Geschehen und der abwechslungsreichen Geschichte Berlins. Erinnert die Straße doch an den 17. Juni 1953, an dem in der ehemaligen DDR ein Arbeiteraufstand mit Gewalt beendet wurde. Ein Tag der in der Bundesrepublik deshalb bis 1990 zum Tag der Deutschen Einheit erkoren wurde.

Voraus grüßt schon der große Stern mit der Siegessäule. Symbol für die Einigungskriege im 19. Jahrhundert, nach deren Ende 1871 Deutschland erstmals vereint war. Gekrönt mit der Victoria, auch Goldelse genannt, die den Blick dem ehemaligen Erbfeind Frankreich entgegen gerichtet hat. Gut, dass diese Zeit vorbei ist und ich hier heute friedlich mit Läuferinnen und Läufern aus 161 Ländern unterwegs sei darf. Und das bei perfektem Laufwetter in der Sonne.

 

 

Gerne lasse ich mich mit der Läuferschar treiben. Immer angefeuert von den Zuschauern, die schon jetzt zahlreich die Strecke säumen. Am Ernst-Reuter-Platz werden wir nach in Richtung Moabit geführt. Benannt ist der Platz nach dem früheren Regierenden Bürgermeister, der in der Zeit, als die Sowjets den Westteil der Stadt abriegelten und die Luftbrücke zur Versorgung der Westberliner notwendig machte, den berühmten Satz aussprach: „Ihr Völker der Welt, schaut auf diese Stadt“.

Links kommen die Ziegelmauern der Justizvollzugsanstalt Moabit in den Blick. Eine Litfaßsäule erinnert an die Show „Berlin, Berlin“ und an die wilden 20er Jahre des 20. Jahrhunderts.

KM 7, rechts voraus das Kanzleramt. Die Sonne wärmt, ich freue ich mich auf die Schatten, die die Gebäude der Reinhardtstraße spenden. Voraus der Friedrichstadt-Palast mit der größten Theaterbühne der Welt. Bei KM 9 wartet bereits der 2. von insgesamt 15 Erfrischungs- und Verpflegungspunkten. Neben Wasser werden immer wieder Tee, Elektrolyte, Bananen und Äpfel angeboten, die bewährte Marathonverpflegung. Trinken ist heute durchaus angesagt, weshalb ich gerne zugreife.

Die nächsten Kilometer führen durch Mitte und Friedrichshain über breite Fahrstraßen. Trotz des großen Teilnehmerfeldes kann man problemlos sei eigenes Tempo laufen. Gerade deshalb versuche ich, es langsam angehen zu lassen. Ich genieße vielmehr die Ausblicke, wie kurz hinter KM 11 auf den Fernsehturm am Alexanderplatz.

 

 

Teilnehmer aus aller Herrenländer haben ihre Fans dabei, die den Läufern eine bunte Kulisse bieten. Bereits jetzt habe ich es aufgegeben, jedes einzelne Land zu identifizieren. Dafür fallen mir die zahlreichen Jubileeläufer auf, die mit einem Schild auf dem Rücken unterwegs sind. Jubileeläufer wird, wer 10mal gefinisht hat. Über 6.000 sind es bereit, darunter Sergio aus Mexiko, der gerade vor mir läuft.

Schon liegen 13 KM hinter mir, als ich ein weiteres Mal die Spree überquere. Ich folge der Strecke weiter Richtung Moritzplatz. Baulücken lassen die Sonne durch, die Wohnblöcke spenden Schatten. Immer wieder säumen auch Bäume die Straßen. So grün hätte ich mir Berlin nicht vorgestellt. Da lässt es sich weiter flott laufen auf dem Weg über den Kottbusser Damm. Voraus grüßt die Kirche am Südstern,. Ursprünglich als evangelische Garnisonskirche gegen Ende des 19. Jahrhunderts errichtet. Hinter der Kirche geht die Straße in eine schöne, abwechslungsreiche Allee über. Die Bäume bieten faszinierende Schattenspiele. Nicht gerade günstig für Fotos.

Vor mir taucht ein Radfahrer auf, über dessen Anwesenheit ich mich zuerst wundere. Doch dann erkenne ich ihn an seinem Outfit als radelnden Rennarzt. Es ist Frank, mit dem ich kurz ins Gespräch komme. Er ist mit 28. Teilnahmen bereits ein Veteran und nur einer von 10 Rennärzten, die begleitend das Wohl der Läuferinnen und Läufer im Blick haben. Danke dafür, auch wenn ich die angebotene Hilfe nicht in Anspruch nehmen muss.

Kurz darauf erreiche ich den Verpflegungspunkt bei KM 20. Frisch gestärkt strebe ich der Halbmarathonmarke entgegen. Zeit, mein Tempo zu kontrollieren. Alles im grünen Bereich, auch wenn ich davon ausgehe, etwas länger für die zweite Hälfte zu brauchen. Unter beobachtung der vielen Zuschauer bleibe ich am Laufen. Zudem wird auch musikalisch viel geboten. Gerade laufe ich an einer Alphornbläsergruppe vorbei. Wenige Meter erfrischt die Feuerwehr die erhitzten Läufer. Heruntergekühlt laufe ich weiter.

23 KM sind geschafft. Rechts grüßt das Schöneberger Rathaus. Hier hielt J. F. Kennedy seine berühmte Rede mit dem Ausspruch: „Ich bin ein Berliner“. In Richtung Innsbrucker Platz geht es weiter. In den 70er Jahren war hier irgendwo für längere Zeit Heimat von David Bowie. Vor mir zwei Läuferinnen aus Brooklyn. Wenn die sich nicht auf der Strecke des NYC-Marathon auskennen, wer dann? Da muss ich auch noch hin.

 

 

Steglitz, der südlichste Teil der Strecke ist erreicht. Bunte Shirts sehe ich viele, auch solche, mit ihren Nationalflaggen, wie gerade der Däne vor mir. Links und rechts säumen Wohnblocks die Strecke. Sehen nach Gründerzeit aus und bieten dem Auge willkommene Abwechslung. Der Strom der Läufer reißt nicht ab. Die Blicke wirken zunehmend angespannter. Langsam wird es anstrengend. Am liebsten von den Zuschauern ablenken lassen. Das funktioniert hervorragend.


Eine schattenspendende Allee bringt uns zum legendären Wilden Eber. Was hier bei KM 28 abgeht, ist nicht zu toppen. Zuschauer in mehreren Reihen, Musik, Moderation und Cheerleader. Eine Stimmung, wie man sie nicht bei jedem City Marathon im Ziel erlebt. Wahnsinn.

4 Stunden nach dem Start liegen 30 Kilometer hinter mir. Der Sieger Milkesa Mengesha und die vier Folgenden sind jetzt bereits über 2 Stunden im Ziel. Ich habe Zeit und genieße die Ausblicke, wie rechts die Kreuzkirche. Erbaut in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts ist sie einer der wenigen expressionistischen Sakralbauten. Mit der Kathedrale der russisch-orthodoxen Kirche lässt das nächste Gotteshaus nicht lange auf sich warten. Ab hier sind die Restkilometer einstellig. An den Verpflegungsständen werden die Berge der Trinkbecher größer. Aufmerksamkeit bleibt gefragt. Augen auf nach vorne und hinten zum Überholen und überholt werden.

 

 

Keine 9 Kilometer sind es mehr, als ich dem Kurfürstendamm folge. Ich laufe den nächsten Abschnitt in angenehm kühlem Schatten. Passend zu meiner Gefühlslage ist an der Strecke gerade „Paradise“ von George Ezra zu hören. Berlin ist heute ein Läuferparadies. Kurz darauf die nächste musikalische Darbietung, diesmal Marschmusik eines Spielmannszuges in preußischer Uniform. Kontrastprogramm. Kurz vor KM 35 kommt die in den 1890er Jahren erbaute Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche in den Blick. Nachdem sie im 2. Weltkrieg schwere Schäden erlitten hat, steht heute nur noch ihr Turm als Mahnmal gegen den Krieg, heute wichtiger denn je.

Die Zuschauer werden immer enthusiastischer: „Don`t stop, People are watching“ lese ich und gebe Gas. Der Bahnhof am Wittenbergplatz lässt mich noch einmal gedanklich innehalten. Von hier wurden zahlreiche Menschen in die verschiedensten Konzentrationslager deportiert. Ich folge der Bülowstraße zum Potsdamer Platz. Wo einst Mauer und Todessteifen waren, sehen wir heute unter anderem das Sony Center, Atrium-, Kollhoff- und BahnTower und etliche Shopping Malls. Links, nicht weit entfernt, das Brandenburger. Wie von selbst beschleunige ich.

Lang zieht sich jetzt die Leipziger Straße. Rechts der Bundesrat, die Vertretung der Länder und zuständig für EU-Angelegenheiten. Nicht weit ist es zum Gendarmenmarkt mit dem Deutschen und Französischen Dom, in Auftrag gegeben von Friedrich II., dem alten Fritz, als Zeichen seiner Wertschätzung gegenüber allem Französischen. Dazwischen das Schauspielhaus.

 

 

KM 41, wir sind auf die Straße Unter den Linden, voraus das Brandenburger Tor, rechts und links unzählige lärmende Zuschauer, Gänsehautfeeling pur. Je näher wir dem Tor kommen, umso dichter sind die Zuschauerreihen. Pariser Platz, links das noble Hotel Adlon. Für jeden Läufer ist das Brandenburger Tor das Ziel, durch das beim Berlin Marathon 1990 erstmals gelaufen wurde. Sind es noch 300 oder 400 Meter? Egal, die Stimmung ist fantastisch. Mit persönlicher Jahresbestzeit erreiche emotional geflasht über den blauen Teppich die Ziellinie.

Um mich herum sehe nur glückliche Gesichter. Mir wird die Medaille umgehängt, sie ist eine besondere für mich. Hervorragend wie alles ist auch die Verpflegungsausgabe organisiert.

Kein Marathon in Berlin ohne Rekorde. Diesmal sorgen nicht neue Bestzeiten für Aufsehen, sondern die Anzahl der Finisher: 54.280 sind Weltrekord! Der Berlin Marathon ist der größte der Welt

 


 
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