40.945 angemeldete Läuferinnen und Läufer aus 122 Nationen (ausgebucht seit Juni), 35.227 davon am Start (von der Differenz könnte so mancher Veranstalter gut leben) und 34.225 Finisher (Frauenanteil ca. 22 %) - das ist der Berlin Marathon 2010.
Von kurzen Wegen kann man bei einer solchen Mammut-Veranstaltung natürlich nicht reden. Aber von perfekten Lösungen. Die Messe (Berlin-Vital) darf man mit keiner Marathonmesse irgendwo vergleichen. Sie ist, was die Lokation (Flughafen Tempelhof, U 6, Platz der Luftbrücke) und Größe (170 Aussteller, 120.000 Besucher) anbelangt, das Maß der Dinge.
Der Startplatz auf der Straße des 17. Juni ist ideal, weil er nur ein paar 100 Meter vom Ziel entfernt liegt. Kommt man vom Hauptbahnhof her, ist man schnell bei den Kleiderdepots und von dort in den sehr gut ausgeschilderten Startblocks. Der Rückweg ist dann genauso unproblematisch. Besser geht es nicht.
Ich war schon oft in Berlin dabei, aber noch nie beim Frühstückslauf. Das will ich heute nachholen. Start ist vor dem Charlottenburger Schloss, 5000 Läuferinnen und Läufer können die rund 6 km zum Olympiastadion mitlaufen. Trommler und Tänzerinnen heizen vor der Traumkulisse den meist kostümierten Aktiven ein. Tausende Berlin-Marathon-Buff’s werden kostenlos unters Läufervolk verteilt und dann geht es in geschlossener Formation zum Stadion. Die Stimmung ist hammermäßig und wenn es mal zu ruhig wird, machen die in Gelb gekleideten Pacemaker die Welle. Alleine das ist schon ein Erlebnis.
Aber das Beste kommt noch. Das Berliner Olympiastadion ist ja nicht irgendeine Sportarena. Das für die 1936er Olympischen Spiele gebaute Stadion wurde für die Fußball-WM 1974 teilweise überdacht und 2006, wieder für die Fußball WM, grundlegend umgebaut und modernisiert. Heute ist es geöffnet, um die Frühstückläufer auf das morgige Großereignis einzustimmen. Durch das Marathontor kommt man ins Innere des Stadions, läuft eine Runde auf der blauen Bahn und kommt über die Tribünenaufgänge endlich zu den üppig mit Getränken, Kaffee, Gebäck und Obst bestückten Ständen. Es wird gefeiert, als hätte man den Marathon bereits beendet – als Sieger.
In der Nacht erreicht das avisierte Regentief Berlin, die Temperaturen sind gerade noch zweistellig. Ich glaube, es gibt an diesem Morgen kein Hotel in Berlin, das nicht läuferfreundlich fast noch in der Nacht ein Frühstück anbietet. Der Marathon ist für das ständige klagende Gewerbe eine alljährliche Konjunkturspritze. Bis auf die „paar“ Einheimischen kommt ja niemand an ein, zwei Übernachtungen vorbei. Man spricht von 60 Mio. „Marathon-Umsatz“ bei Hotelerie und Einzelhandel.
Besondere Berlin-Fans sind ganz offenbar die Dänen. Jedes Jahr stellen sie die größte ausländische Gruppe. Manche sprechen schon davon, dass Berlin der größte Marathon Dänemarks sei, weil hier mehr Dänen am Start sind als in Kopenhagen. Wahrscheinlich ist in Berlin halt mehr los.
Vom Hauptbahnhof zieht bereits im Morgengrauen eine schier endlose Karawane hinüber zum Kanzleramt. Praktisch noch in Angelas Garten stehen die ersten Kleider-Depots. Ich empfehle, sich rechtzeitig des Beutels zu entledigen, auch wenn es wie heute Morgen nass und recht frisch ist. Gegen Regen und Kälte helfen die Wärmefolien, die zu tausenden verteilt werden. Die Zugänge zu den Startblocks werden streng kontrolliert, Verhandlungen sind zwecklos.
Der Start selbst ist für einen Marathon dieser Kategorie geradezu unspektakulär. Dass vorne die Topathleten präsentiert werden, bekommt man über die Lautsprecher noch mit. Aber das von Simon Marlow live gesungene „This is the moment“ ist alles andere als eine Hymne für einen solchen Lauf und wird schon im Block D überhaupt nicht mehr wahrgenommen. Ich habe die TV-Übertragung mitgeschnitten, deshalb weiß ich Bescheid. So sind die aufsteigenden grünen Luftballons dann irgendwann das Signal, dass es losgeht.
Trotzdem ist der Start des Berlin-Marathons natürlich ein absoluter Höhepunkt für die Läufer. Hat man die Zeitmatten überquert und läuft auf der breiten Straße in Richtung der Siegessäule, kann man sich nicht vorstellen, dass das erst der Anfang ist. Tausende Zuschauer jubeln dem Läufervolk zu. Nicht das blöde Wetter, Gold-Else erweist sich hier als Spielverderber. Statt golden zu glänzen versteckt sich die Skulptur samt Säule wegen Renovierung hinter Gerüsten und Planen. Die sonst scharenweise hier lauernden Fotografen haben sich deshalb andere Plätze gesucht. Das Charlottenburger Tor nach zwei Kilometern zum Beispiel gibt heute optisch mehr her.