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Laufberichte

Sturm im Bienwald

 

Regen und Sturm, das sind die Aussichten der Meteorologen für den Sonntag. Wir Outdoor-Sportler sind Kummer gewöhnt, denn irgendwie stimmt das Wetter ja nie. Deshalb ist das eigentlich nichts besonderes, wenn das nicht der Termin des Bienwald-Marathon wäre.

Wer den schnellen Lauf in dem kleinen südpfälzischen Städtchen Kandel kennt, weiß, dass es hier viel Wald gibt. Sturm im Wald ist gefährlich, vor allem, wenn es sich wie hierbei um ein großes bewaldetes Landschaftsschutzgebiet handelt. Die flache Rheinebene macht es nicht besser, denn der Wind kann hier ungehindert durch pfeifen.

Norbert und ich sind gespannt, was uns erwartet und hoffen im Stillen, dass sich das eine oder andere Weichei vom Start abschrecken lässt. Dem ist wohl nicht so, denn wir stehen in der gewohnten Parkschlange, mit Ziel letzter Parkplatz am Schwimmbad.

Auch in der Bienwald-Halle ist es voll. Sogar der Nachmeldeschalter ist belagert. Trotzdem erhalten wir zügig Startnummer, Startertasche mit kleinen Geschenken und ein leuchtend gelbes Funktions-Shirt. Eine schöne Medaille hätte man für 5 Euro dazu buchen können.

Obwohl es gerade nicht regnet, versuchen wir so lange wie möglich in der Halle zu bleiben. Kurz vor 10 Uhr erst gehen wir nach draußen und schon beginnt der Lauf. Es müssen an die 2000 Starter sein; zwei Drittel davon sind für den Halbmarathon gemeldet. Zuschauer verabschieden uns mit überschwänglichem Applaus. Norbert und ich bleiben erst mal hinten und können so die lange Schlange der vor uns Laufenden betrachten. Gerade im tristen Wintergrau sind die vielen bunten Shirts ein richtiger Blickfang. Es geht nach Kandel hinein. Hier stehen einige Schlachtenbummler und zollen bewundernden Beifall.

 

 

Wir biegen auf die gesperrte B427 ein. Wie auf Kommando beginnt es zu regnen. Schlimmer ist aber der Sturm, der auf der freien Fläche mit voller Kraft auf die Läufer trifft. Ich suche Deckung hinter meinen Mitstreitern. Das funktioniert nur mäßig; der Wind kommt mal von rechts und mal von links. Schutz bieten erst die Häuser von Minefeld wo uns die Zuschauer gerne anfeuern.

An der ersten VP erkennen wir ein weiteres Problem. Die weggeworfenen Becher bleiben nicht in den Mülleimern, sondern verteilen sich gleichmäßig in der Umgebung. Das wird für die Helfer kein Spaß werden.

Es geht wieder auf freies Feld. Ich laufe Schlangenlinien, weil immer wieder eine Böe mit Kraft von der Seite angreift. Wenigstens hört der Regen auf. Bald erreichen wir den Wald. Schlagartig ist es windstill. Über einen schmaleren asphaltierten Weg erreichen wir die K16. Am Naturfreundehaus stehen heute deutlich weniger Fans als sonst. Kein Wunder, für Zuschauer ist die Lage ja noch ungemütlicher.

Wir laufen jetzt auf der rechten Straßenseite, denn links werden die ersten Halbmarathonläufer erwartet. Und tatsächlich: Ein Polizeimotorrad eskortiert den Führenden. Bald folgen die nächsten, so dass wir immer etwas zu sehen haben.

Die K16 biegt auf die deutlich breitere K15 ein. Im Läufrfeld wird erzählt, dass beim Start vor einem möglichen Rennabbruch gewarnt wurde. Das habe ich nicht mitbekommen, kann es aber nachvollziehen. Der eigentliche Sturm wird erst ab 12 Uhr erwartet. Die Verhältnisse im Moment sind also nur ein Vorgeschmack.

 

 

Wobei - gerade ist vorm Sturm nicht zu spüren. Es gib immer wieder kleinere Böen, aber weiter nichts Dramatisches. Wind von vorne lässt darauf hoffen, dass er nachher, wenn wir zurücklaufen von hinten kommen wird. Es regnet wieder. Für mich kein Problem, ich bin gut angezogen. Viele der mir entgegenkommenden Halbmarathonis haben sich dagegen für kurzes Outfit entschieden. Aber die laufen ja auch viel schneller.

Bei km 10 erfolgt eine Zwischenzeitmessung. Nach dem Wendepunkt für den Halbmarathon bei km 12 wird es schlagartig ruhig. Ich habe die große Straße fast für mich allein. An der VP gibt es neben Wasser und Iso, auch Tee; genau mein Ding. Ich erreiche den Abzweig, wo es nachher in den Schonwald geht. Vereinzelt sind bereits Marathonläufer unterwegs, die hier abbiegen dürfen, die Führenden müssen aber schon länger durch sein. Der Regen hat inzwischen aufgehört.

Gerhard Petermann, Organisator des Bottwartal Marathon, macht Zugläufer für 3:29 und kommt mit einer kleinen Gruppe und viel guter Laune entgegen. Auch die nächsten Pacer der verschiedenen Zielzeiten haben Gruppen dabei. Heute läuft es sich einfach leichter, wenn man nicht alleine auf der Strecke ist.

Am Ortseingang von Schaidt fehlt die Musikkapelle, die hier sonst für Stimmung sorgt. Kein Wunder, mit ihren großen Instrumenten würden sie dem Wind eine optimale Angriffsfläche bieten. Auch das sonst zahlreiche Publikum ist nur spärlich vertreten.

Bis zur Wende zieht es sich ein wenig. Norbert kommt mir mit dem 4:29 Pacer entgegen, das sieht gut aus. Nach Krankheit und Verletzung ist einfach noch nicht mehr drin. Ich bin gespannt, wer noch alles hinter mir ist - nicht mehr viele. Kein Wunder, ich laufe auf Zielzeit 5 Stunden und das ist ja auch eigentlich der Zielschluss. Ein Besenfahrzeug gibt es scheinbar dieses Jahr nicht.

 

 

 

Auf dem Rückweg hat sich der Wind tatsächlich beruhigt. Ich behalte die Vorauslaufenden im Blick. Irgendwann müssen sie doch nach rechts in den Wald verschwinden. Hinter km 20 steht eine VP. Das Angebot ist schon übersichtlich, für mich reicht es aber.

Km 21: endlich habe ich den Abzweig in den Wald erreicht. Halbzeit. Über zwei Zeitmessmatten wird die Zwischenzeit gemessen, außerdem erfasst zusätzlich ein Helfer von Hand meine Startnummer. Jetzt kommt für mich das schönste Stück der Strecke. Die Straße ist schmal, vielleicht ein wenig ungepflegt, wie es sich für einen Naturpark gehört. Der Wald rückt näher heran und zeigt sich von seiner urwüchsigen Seite. Erstaunlicherweise hält sich der Wind hier in Grenzen.

Viele Läufer kommen mir jetzt entgegen. Trotz oder gerade wegen des miesen Wetters machen wir uns gegenseitig Mut. Kommt da tatsächlich die Sonne hervor? Sofort zeigt sich der Wald von seiner schönsten Seite. Das braune Laub beginnt richtig zu leuchten. An der nächsten VP gibt es Butterhörnchen. Lecker.

 

 

Bei km 25 steht, wie auch in den Vorjahren ein Helfer, der die Durchgangszeiten ansagt. Ich bin bei 3 Stunden (brutto), das könnte für die 5 Stunden knapp reichen. Insgesamt geht es ungefähr 5 km lang bis zum nächsten Wendepunkt. Hinter mir sind noch die gleichen Läufer wie vorhin. An der nächsten VP gibt es zum ersten Mal Cola.

Beim km 30 Schild krampft unvermutet mein rechter Oberschenkel. Mit einem Aufschrei bleibe ich stehen. So ein Mist, gerade lief es so gut. Nach kurzer Steh- und dann Gehpause laufe ich vorsichtig wieder an. Es funktioniert. Hinter mir kommt ein Polizeibus angefahren. Er hält an und öffnet das Fenster: man sagt mir, das Rennen sei abgebrochen und man würde mich nun ins Ziel mitnehmen. Alternativ könne ich weiterlaufen, allerdings auf eigene Gefahr.

 

 

Nach einer kurzen Schockstarre entscheide ich mich für Weiterlaufen. Ich kann vorne schon die breite K15 erkennen. Das größte Risiko scheint mir dort vorbei. Und 11 Kilometer sind nun wahrlich keine Hexenwerk. Der Polizist ist zufrieden und fährt weiter. Kurze Zeit später das selbe Spiel. Wieder werde ich auf die Situation aufmerksam gemacht. Inzwischen ist Beate, erfahrene Ultraläuferin, aufgelaufen und gemeinsam beschließen wir, weiter zu machen.

An der Einbiegung zur K15 wird bereits die Zeitmessung abgebaut. Es wird uns viel Glück gewünscht und natürlich zu Vorsicht ermahnt. Vor uns in weiter Entfernung ist ein Läufer in grün. Ansonsten sind wir wohl die Letzten. Wegen drohender Krampfgefahr muss ich langsam laufen. Trotzdem werden die Kilometer weniger. Die Helfer an den VPs kümmern sich rührend um uns und sprechen uns Mut zu. Vor kurzem scheint ein Baum in der Nähe umgestürzt zu sein. Daher bauen sie jetzt schnell ihre VP ab.

Mittlerweile scheint nun dauerhaft die Sonne. Über uns hören wir die Bäume ächzen, mit gemischten Gefühlen beobachten wir die schwankenden Kronen. Der offizielle Fotograf hält auch noch die Stellung. Hinter km 35 geht es auf die kleine asphaltierte Straße zum Naturfreundehaus. Der Boden ist voll mit kleinen Ästchen und allerlei abgeworfenen Waldfrüchten. Als wir den Forst verlassen, trifft uns nun die volle Wucht des Sturmes. Obwohl ich mich gegen den Wind stemme, komme ich nicht voran. Immer wieder müssen wir kurz anhalten; an Laufen ist gar nicht zu denken.

Die Helfer an der letzten VP im kleinen Wäldchen sind sicher auch froh, dass sie nun zusammen packen können. Mit vielen guten Wünschen werden wir auf die letzten Kilometer geschickt. Bei km 39 verlassen wir endgültig den Wald. Es geht über weitläufige Wiesen. Die ersten Häuser von Kandel sind in Sicht.

Wir biegen nun rechts zwischen dem wasserführenden Hintergraben und dem Floßgraben ein und laufen an der Häuserzeile entlang. Rückenwind, herrlich! Noch rechts auf die kleine Allee am Hubhofweg zum Sportzentrum bei km 40. Dann nur noch links, schon geht es am Stadion entlang. Ein Helfer weist uns den Weg. Norbert kommt entgegen, dreht aber schnell um, als er mich sieht. Wir biegen jetzt ins Stadion ein und müssen noch eine knappe Runde auf der Bahn laufen.

Das ist noch einmal spannend, weil der Wind uns nicht weiter lassen will. Dann ist endlich doch das Ziel noch erreicht. Beate und ich beglückwünschen uns gegenseitig, Norbert freut sich ebenfalls, denn er war über eine Stunde schneller als letzte Woche. Obwohl wir die Zielzeit bereits überschritten haben, gibt es noch alkoholfreies Bier im Überfluss.

Fazit: Wir kommen immer wieder gerne in den Bienwald. Der Lauf lebt von den tollen Helfern, die hier ihre Zeit für die Läufer opfern und immer für eine Aufmunterung gut sind. Trotz der familiären Atmosphere wird aber auch großer Sport betrieben. Die 1:06,18 h von Simon Stützel beim Halbmarathon sind sicher nur für ihn eine Enttäuschung, und die versehentlichen 1:20,43 h von Sabrina Mockenhaupt, die eigentlich Pacer für eine Freundin machen wollte, sieht man auch nicht überall. Beim Marathon Siegten Jochen Uhrig in 2:28,08 h und Eva Katz in 3:02,33 h.

Ich mag die schöne Schleife durch den urwüchsigen Wald, bin aber auch froh wenn wir wieder auf die Straße einbiegen. Die langen Geraden sind nicht jedermanns Sache, dafür ist es halt flach. Als Standortbestimmung für das Laufjahr ist der Bienwaldmarathon unbezahlbar.

 

Informationen: Bienwald-Marathon
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