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OKWie jedes Jahr finde ich mich am Karsamstag an einem Vereinsheim in einer Kleingartensiedlung am Hohenzollernkanal im Berliner Bezirk Tegel ein. Die unscheinbare Hütte ist heute das Mekka der „Freunde der Vollmondläufe“. Der Name des veranstaltenden Vereines um Jörn Küstner und Kristin Drechsler ist Programm, viele der Teilnehmer sind Stammgäste, kennen sich und begrüßen sich herzlich.
Die Bezeichnung „Vollmondläufe“ leitet sich übrigens vom großen Bruder der Veranstaltung ab, dem „Berliner Vollmondmarathon“, einem Abendlauf am oder kurz nach einem Sommervollmond. Eine ganz besondere Laufatmosphäre finde ich, unbedingt zu empfehlen. Und auch Ostern fällt bekanntlich auf das erste Wochenende nach einem Vollmond, nämlich dem ersten im Frühjahr. Aber vom Vollmond sehen wir heute nichts, denn wir starten morgens um 10 Uhr.
Ich bin seit 2016 dabei, und habe damit nur die erste Veranstaltung mangels Kenntnis verpasst. Somit feiert der „Berliner Ostermarathon“ nun seinen 10. Geburtstag. Daher werden auch „Etze“, Frank-Ulrich Etzrodt, und seine Frau Evi, die die Veranstaltung gegründet und bisher geleitet hatten, gebührend gefeiert. Ganz herzlichen Dank, Etze und Evi.
Heute verzeichnen wir einen Teilnehmerrekord mit über 100 Anmeldungen. Dies freut die „fLotte Berlin“ (einer Hilfsorganisation für die Bereitstellung kostenfrei ausleibarer Lastenräder) und die „Schutzgemeinschaft deutscher Wald“. Denn an diese Organisationen fließen die Überschüsse der Veranstaltung (Teilnahmegebühr günstige 40€ in der ersten Preisstufe), ergänzt um Spenden am Veranstaltungstag.
Die Anmeldeformalitäten sind schnell erledigt, auch Nachmeldungen sind noch möglich. Zeitnahme nicht mit Chip, sondern mit Stoppuhr im Ziel. Aufgrund der Größe des Teilnehmerfeldes ist die Differenz zwischen Brutto- und Nettozeit auch überschaubar.
Bis zum Start verbleibt mir noch Zeit, gute alte Bekannte zu begrüßen, unter anderem Andreas und Judith, beide auch von M4You, heute aber „dienstfrei“. Göran ist nach überstandener Verletzung noch nicht ausreichend für einen Marathon vorbereitet und stellt sich in den Dienst der Veranstaltung, übernimmt das Führungsrad. Katrin und ihr Andreas laufen heute ebenfalls nicht, sondern werden sich auf dem Besenrad abwechseln. Und schließlich Hans-Joachim, der nicht nur mitläuft, sondern auch bei der Streckenmarkierung mitgeholfen hat. So wird die Veranstaltung wie auch an allen Verpflegungsstellen von Freunden und Bekannten getragen, sehr familiär. Und genau das gefällt mir am Ostermarathon.
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Natürlich darf ich Günter nicht vergessen zu erwähnen. Günter Hallas ist der Sieger des ersten Berlin-Marathons 1974 und quasi eine Legende. Aber eine fröhliche und sehr lebendige. Obwohl schon über 80 Jahre, hat er es sich letztes Jahr nicht nehmen lassen und ist bei der 50. Ausgabe des Berlin-Marathons mitgelaufen. Ich traf ihn bei Km 20, und er sah gut aus, wie meinem Bericht auf M4You zu entnehmen ist. Auf meine heutige nachträgliche Gratulation zum Finish meint er nur bescheiden, dass seine Zeit ja nicht so doll war. Günter! Wer ist mit 80 überhaupt noch in der Lage zu laufen? Geschweige denn einen Marathon zu finishen?
Apropos Finish. Dana hat sich heute für den Halbmarathon angemeldet. Es gibt nur ein Problem. Heute findet hier kein Halbmarathon statt. Da hat wohl eine Verwechselung stattgefunden, denn einen Halbmarathon gibt es nur im Rahmen der Sommeredition. Nun ist guter Rat teuer, denn Dana ist noch nie mehr als 16 Km gelaufen. Was nun? Soll sie es wagen?
Langsam finden sich die Läufer an der Startlinie ein. Letzte Erläuterungen noch von Jörn zum Verlauf der Strecke. Eigentlich ganz einfach, links ist immer das Wasser, denn wir laufen an der Havel und ihren Seebuchten entlang, immer entgegen dem Uhrzeigersinn. Bruno, Etzes Hund, schaut derweil noch gelangweilt zu, das wird sich erfahrungsgemäß spätestens mit dem Start ändern, nicht selten ging das Startkommando in seinem Gebell unter. Günter macht sich nun mit einer Startklappe bereit, das Zeichen zu Start geben.
Knapp einem Kilometer geht es zu Beginn auf einem Rad- und Fußweg am Hohenzollernkanal entlang, dies reicht aus, um das Teilnehmerfeld zu entzerren, bevor wir auf Waldwegen durch den Tegeler Forst laufen. Bis dahin begleitet uns Günter noch ein Stück auf dem Rad, um uns anzufeuern.
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Im Wald sehen wir überall frisches Grün, die Natur ist schon weit fortgeschritten, da Ostern dieses Jahr sehr spät liegt. Nicht frühlingshaft sind die Temperaturen mit 10 Grad bei trübem Wetter. Daher verwundert es auch nicht, dass die Badebuchten, die wir heute passieren, allesamt menschenleer sind. Segelyachten und -clubs wie der SC Odin sind das erste Indiz, dass wir uns bald bei Km 5 (alle 5 Kilometer sind ausgeschildert) dem Stadtteil Tegel nähern.
In Tegel angekommen, erreichen wir die Greenwich-Promenade, an der auch das Kreuzfahrtterminal der Binnenschifffahrt liegt. Schon von weitem erkenne ich den Raddampfer „Havelqueen“, wie jedes Jahr um diese Zeit auf Fahrgäste wartend. Ebenso wie jedes Jahr erfreue ich mich an der Tulpenwiese, dank des späten Datums blüht alles in schönster Farbenpracht. Das finden auch zwei Mitläuferinnen, die hier ebenfalls einen Foto-Stopp einlegen.
Weiter geht es an der Promenade, zu meiner Überraschung legt die Havelqueen schon ab. Bin ich später als in den Vorjahren oder hat die Reederei den Fahrplan verändert? Ich hoffe letzteres. So gibt die Havelqueen den Blick auf die „Moby Dick“ frei, ein Ausflugsdampfer im „Kostüm“ eines Wales. Weiter geht’s über die rote „Sechser-Brücke“, benannt nach der Gebühr von 6 Pfennigen, die früher zu errichten war. Die nassen Holzbohlen auf der Brücke zeugen noch vom Regen, der uns heute leider einen größeren Teil des Weges begleiten wird.
Wir passieren weitere Yachthäfen, natürlich linkerhand, bevor wir uns ein wenig vom Wasser trennen müssen. Das Bundesgästehaus in der Borsigvilla (der ehemalige Wohnsitz der Unternehmerfamilie Borsig) liegt abgeschirmt am Wasser und erfordert einen kleinen Umweg. Ein weiterer Abstecher durch den Wald ist am Strandbad Tegelsee notwendig, natürlich ruht auch hier noch der Badebetrieb.
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Nicht mehr lang und wir erreichen Tegelort, wo nach knapp 11 Km der erste von vier Verpflegungspunkten eingerichtet ist. Dies ist angekündigt und im Frühjahr ausreichend, zumal viele Teilnehmer mit Trinkrucksäcken oder Soft Flaks ausgestattet sind. Die Verpflegungsstationen sind sehr gut ausgestattet, Wasser, Iso, Apfelschorle, Cola, Melone, Banane, Salziges, Schokolade und Weingummi stehen bereit und ich verliere viel Zeit an den Stationen. Übrigens wird mit der Bitte um Mitführung von Faltbechern auch dem Umweltschutz genüge getan.
Die nächsten 4 Kilometer mag ich sehr, rechts schmucke Einfamilienhäuser, links – natürlich - die Havel. Kurz nach der Badestelle erreichen wir Km 15, und die Havelqueen grüßt wieder herüber. Dort am anderen Ufer hätten wir nun schon 27 Km hinter uns, aber wir müssen noch ca. 6 Km nordwärts dem Fluss folgen, bevor wir über eine Brücke ans andere Ufer gelangen.
Die ersten 4 Km davon geht es an der Straße lang, da von nun an die Ufergrundstücke bebaut sind. Bald erreichen wir Alt-Heiligensee mit seinem typischem Brandenburgischen Ortskern, inmitten gelegen sind Dorfanger, Gaststätte und Dorfkirche. Eine schöne Abwechselung nach Wald und Wasser. Kurz darauf entdecke ich auf einer Wandmalerei an einem Trafohäuschen, wie es hier im Sommer an den Stränden aussieht. Dagegen fängt es heute an zu nieseln. So ist es mir sehr willkommen, dass die nächste Versorgung unter einer Brücke aufgebaut ist. 19 Kilometer haben wir nun hinter uns.
Kurz darauf kommen wir an der Informationstafel zum Ende der Teilung Deutschlands vorbei, betreten das Land Brandenburg und erreichen bei km 20 Hennigsdorf. Davon sehen wir allerdings nicht viel, denn hinter der ersehnten Havelbrücke kehren wir der Stadt den Rücken. Waren wir bisher vornehmlich nordwärts unterwegs, geht es nun Richtung Süden. Also auf der Landkarte zuerst rauf und jetzt runter. Für das Höhenprofil gilt das nicht, ganze 40 Höhenmeter kommen zusammen, bedingt durch die zahlreichen Brücken über die Seitengewässer der Havel.
Die nächsten 6 Kilometer laufen wir auf dem Berliner Mauerweg. Die Havel war in diesem Bereich Grenze zwischen den beiden Teilen Deutschlands, Wachtürme und Stelen in Gedenken an die Maueropfer erinnern daran. Auf der rechten Seite folgen nun die ausgedehnten Werksanlagen von Alstom, einem Hersteller von Bahntechnik. Kurz nach passieren des Wachturms von Nieder-Neuendorf erreichen wir nach Durchqueren eines Waldgebietes wieder Berliner Territorium, nun den Bezirk Spandau.
Das Jagdhaus lockt mit einem leckeren Speiseangebot, aber dort ist heute wetterbedingt wenig los, auch nicht an der Bürgerablage davor. Dort legen sich im Sommer am Strand Bürger ab, die Bezeichnung kommt allerdings daher, dass früher das Holz für die Bürger von Spandau auf der Havel als Floss transportiert und dort abgelegt wurde. Das Wetter wird immer ungemütlicher, das Nieseln stärker und so ist die Besetzung von VP 3 in Regenjacken eingehüllt. Wolfgang verliert trotzdem nicht die gute Laune, seit Jahren besetzt er diesen VP und macht nebenbei Werbung für den von ihm veranstalteten Müggelseelauf im Oktober. Übrigens sehr zu empfehlen!
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Weiter geht’s und die nächste Brücke, der Oberhavelsteg über den Teufelsseekanal erwartet uns. Eine schöne Brückenkonstruktion mit hellblauen Stahlträgern und Holzboden, aufgrund des Regens leider mit Rutschgefahr. Ich komme heile rüber und schon, kurz nach Km 30, stellt sich uns der nächste Kanal in den Weg, der Aalemannkanal. Hier wird uns die Überquerung auf der Brücke verwehrt, und wir müssen dem Kanal bis zum Ende folgen und auf der anderen Seite zurück. Umweg 1 km, notwendig um die Marathondistanz zusammenzubekommen. Vom Kanal sehen wir wenig, außer einem großen Hebezeug, um Yachten ins oder aus dem Wasser zu hieven.
Dann erreichen wir den Stadtteil Spandau, hier im nördlichen Teil befanden sich aufgrund der Mündung der Spree in die Havel viele Hafenanlagen. Davon ist nicht mehr viel zu sehen, nur noch kleine Yachtwerften sind übriggeblieben. In einer dümpelt gerade ein großer Katamaran. Meist sind auf den alten Hafenflächen neue Wohnkomplexe entstanden, hohe Wohntürme oder auch Einfamilienhäuser. Dass es sich um ehemalige Hafenanlagen handelt, erkennt man nur noch an den Spundwänden und an Anlegepollern.
Dem aufmerksamen Beobachter entgehen auch nicht die alten Speicherhäuser bei Km 37, die zu modernen Wohnungen umgebaut sind. Über Jahre hinweg konnte ich am Karsamstag die Entkernung und Sanierung verfolgen, würde ich die Fotos zusammenstellen, ergäbe das eine schöne Langzeitstudie.
Kurz darauf die nächste Versorgung mit dem VP 4. Vielen Dank, dass Ihr dem Wetter trotzt. Über die Eiswerderbrücke, eine schöne genietete Stahlbogenbrücke, gelangen wir auf die gleichnamige Insel, die wir bald darauf über die kleine Eiswerderbrücke wieder verlassen. Auf den letzten 2 Kilometern lassen wir das Stadtgebiet Spandau hinter uns und erreichen wieder die Kleingartenkolonien am idyllischen Hohenzollernkanal. Diesen überqueren wir auf dem Saatwinkler Steg, die letzte Brücke für heute.
Kurz vor dem Ziel hockt auf einem Stein ein überlebensgroßer Frosch, Sonjas Maskottchen. Ihm macht sicher Regen nichts aus…
Direkt am Vereinsheim ist heute das Ziel, so können wir die verdiente Finishermedaille im Trockenen empfangen. Schnell wird noch die Zeit notiert und dann geht es erst einmal zur üppigen Verpflegung, neben dem Angebot von unterwegs hier noch ergänzt durch Äpfel, Ostereier, Schmalzstullen…
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Herzlichen Dank an Euch, lieber Etze und liebe Evi für all die Jahre Laufspaß an der Havel. Nächstes Jahr bin ich wieder dabei, ich bin sicher, Jörn und Kristin werden Eure Tradition einer familiären Veranstaltung fortsetzen.
Ach ja, und Dana? Sie wollte ja eigentlichen einen Halbmarathon laufen, den es aber heute nicht gibt. Sie ist trotzdem gestartet und hat grandios stattdessen ihren ersten Marathon gefinisht – quasi aus Versehen.