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Laufberichte

Stabiler Kreislauf

 
Autor: Joe Kelbel

Zum 16. Mal wird der 6 Std- Lauf Waldhessen im Stadtpark von Rotenburg an der Fulda ausgetragen. Gerade mal 300 Meter lang ist der Stadtpark, der ehemalige Schlosspark des Landgrafenschlosses. Mit ein bisschen Hin-und-Her bekommt man eine Laufrunde von 1145 Metern zusammen, die wir 6 Stunden lang abgrasen werden. Ja, der Rasen ist gepflegt, die ersten Blümchen zeigen sich. Es gibt unterschiedliche Bäume, die alle ein Namensschild tragen. Das Schild der „Pimpernuss“ ist verschollen. Anpflanzungen, Wege, Bänke, Infotafeln, ein richtiger englischer Landschaftgarten halt.

Im Zentrum gibt es einen Brunnen, auf dessen Rand ein fetter Frosch sitzt. Die Prinzessin in der Brunnenmitte versucht ihn zu küssen, dazu müsste sie sich aber bewegen. Das geht nicht, also streckt das dicke Monster ihr die Zunge raus.

Außerhalb der Schlossgartenmauer geht unser Weg entlang der Fulda.  Hier ist es ruhig und beschaulich, der Blick hinüber auf das andere Ufer lässt wegen des zarten Grüns der Trauerweiden den Frühling erahnen.Während unseres Laufes beobachte ich einen Fotografen, der etwa  zwei Stunden auf einen Sonnenstrahl, einen Schwan oder auf sonst etwas wartet. Er wird erfolglos bleiben, weil er mit uns nichts anfangen kann.

Das Schloss liess Landgraf Ludwig II 1470 erbauen. „Landgraf“ klingt bäuerlich, ist aber ein Titel des Hochadels. Ein Landgraf war ein Fürst, also der Erste (First)  seines Staates. 1803 wurde Hessen sogar Kurfürstentum, war also zur Kaiserwahl berechtigt. Der Name Kurhessen bestand bis zur Annektion durch Preusen (1866) und lebt noch in verschiedenen Bezeichnungen weiter.

Die Bezeichnung „Waldhessen“ endstand aus touristischen Gründen. Im Wald oberhalb von Rotenburg befindet sich das Herz-Kreislaufzentrum, dessen 70er Jahre-Türme nicht zu der hübschen Fachwerkstadt passen. 600 Betten, 900 Arbeitsplätze, mich interessiert eher das Schlaflabor als die Herzchirugie.

Viele Läufer haben in der Jugendherberge übernachtet, hier ist die Startnummernausgabe, Umkleiden, Duschen etc. Kaum komme ich nach Rotenburg, fängt es an zu schneien, von der fiesen, nassen Sorte. Darauf war ich nicht eingestellt. Über 70 Läufer drücken sich in den warmen Räumen der Jugendherberge rum und warten, dass der Kreislauf endlich beginnt.
Zwar würde der Park mehr Läufer vertragen, aber die computergestützte Rundenzählung ist  von der Aufmerksamkeit der Helfer abhängig. Deshalb wurde die Startanmeldung frühzeitig geschlossen.

Die IT-Kenntnis des Marathon-Teams-Waldhessen ermöglicht das angenehme Startgeld von 25 Euro. Davon gegen 10 Euro an die Jugendherberge für das Gulaschmenu mit Klössen, was es nach dem Kreislauf zur Siegerehrung gibt. Auch während des Laufes gibt es eine super ausgestattete Verpflegungsstelle (Qualitätsgetränke, frischen Kuchen und Brezel und Obst), die man alle 1,145 Kilometer passiert..

Die Verpflegungsstation ist eingerahmt von privaten Verpflegungsdepots, deren Vielfalt und Ideenreichtum nicht zu toppen ist. Auffallend sind. Mit dem Sortiment hartgekochter Eier des Stammgastes Lauftreff Butzbach ließe sich ein vorgezogener Osterbrunch veranstalten. An meinem Verpflegungsstand ist eher Herrenabend.

10 Uhr ist Start, der nasse Schneeregen lässt auf grausige 6 Stunden schließen. Zwei Runden lang, also 14 Minuten schiesse ich Fotos, dann stopfe ich mir die Musik ins Ohr und lege mich zurück. Den Rest erledigen die Beine mit ihrer automatischen Kenntnis eines fortwährenden Kreislaufes.

Die Runden selbst zu zählen, macht keinen Sinn. Du kannst nicht 7 Minuten lang „ 21,21,21“ murmeln.

Bei diesem Sauwetter gibt es keine Spaziergänger im Park, Abwechslung und Behinderungen gibt es also nicht. Mein Blick bleibt stur 2 Meter vor meine Füsse gerichtet. Die Ohrstöpsel signalisieren jedem Mitläufer meine nicht vorhandene Gesprächsbereitschaft.

In der 36ten Runde, weit nach 14 Uhr, unterbricht ein Helfer meine läuferische Fernsehsesselhaltung, drückt mir ein Fähnchen in die Hand, darauf steht „Marathon“, was sonst. Interessieren dürfte das niemanden, denn die meisten Läufer trugen das Fähnchen des „Triumphes“ schon vor mir im Kreis.

Die letzte Stunde vergeht wieder träumerisch. Kurz vor 16 Uhr bekomme ich das Schlußfähnchen mit meiner Startnummer 87 in die Hand gedrückt. Musik raus und auf das Schlusssignal achten. Sofort ramme ich das Fähnchen in einen Maulwürfshügel, um die Untergrundtätigkeit des laufunfähigen Tierchens zu beenden. Schluß aus, vorbei.

Der Veranstalter Harald Heyde, Ultraläufer und Gleitschirmflieger, ist vielen Marathonis und Ultras ein Begriff.  Wie seine ruhige Art sind auch seine stressfreien Läufe, hier einzusehen: www.waldhessenlauf.de

Harald plant übrigens einen privaten Deutschlandlauf. Im Mai soll die Nordhälfte, im August die Südhälfte gelaufen werden. Wer mit ihm läuft, erlebt bestimmt ein entspanntes Laufjahr.

In Haralds Erzählungen kommen immer wieder Geschichten vor von Läufen, bei denen er zu spät zum Start kam. Urängste eines jeden Marathonläufers. Beim Kassel Marathon wurde ihm einmal die Startnummer hinterhergebracht.

Seinen größten Triumph erlebte Harald, als er Björn Grass versägte. Björn hat in 1725 Wettkämpfen 1467 mal gesiegt. Harald hat also 1468 verhindert.

Danke an Harald und das Team Marathon Waldhessen: Ihr habt das marathonale Herz-Kreislauf-Zentrum in den Schlosspark gebracht. Operation geglückt!

 

Informationen: 6-Stundenlauf Waldhessen
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