Plan B am Walchensee
Premiere feiert heuer der Marathon des Walchensee-Lauf. Im Vorjahr wurden auf der Langstrecke noch 34 km absolviert, aber auf Wunsch diverser Beteiligter entschloss man sich zu einer vollen Marathondistanz. Im Rahmenprogramm gibt es auch noch eine Crosslaufstrecke über 12 km. Versprochen wird uns eine der schwierigsten Berg- und Crosslaufstrecken Deutschlands. Grober Streckenverlauf: Startort in Wallgau, von dort ins Eschenlainetal, dann über 1700 Höhenmeter hinauf zu einer alpinen Gratwanderung über die Gipfel des Heimgarten und Herzogstand und wieder runter ins Tal nach Urfeld. Weiter geht es am Seeufer entlang bis zum Ort Walchensee.
Geografisch liegt der Walchensee ca. 75 km von München und 25 km von Garmisch-Partenkirchen in den Bayerischen Voralpen. Der Herzogstand mit 1.731 m und Heimgarten mit 1.790 m ü. NN zählen bei der Nähe zur Großstadt dann auch zu den Münchener Hausbergen, sind von Wanderern immer gut besucht und auch mit einer Seilbahn zu erreichen.
Am Samstagmorgen um 8 Uhr mache ich mich mit Magic und Hans auf den Weg zum Dorfplatz im Zentrum von Wallgau. Hier ist der Startplatz und hier gibt’s auch die Startnummer und noch ein Hammergel mit auf den Weg. Im Vorjahr waren es 15 Läufer, heute stehen 37 Teilnehmer/innen für den Marathon bereit. Paul Wolf von Walchensee-Touren, Mitorganisator und Erfinder dieses Laufes, gibt uns 10 Minuten vor dem Start noch eine kurze Einweisung und weißt uns darauf hin, dass der Grat oben zwischen den Gipfeln in Wolken gehüllt ist und es mit 8 Grad relativ frisch und zugig ist. Eine Windstopperjacke wäre auf alle Fälle empfehlenswert. Unten am Start hat es eigentlich optimale Lauftemperaturen, so dass es mir schwer fällt, die richtige Kleidung auszuwählen.
Nach ein paar hundert Metern durch Wallgau geht es schon links weg, auf einem Forstweg den Wallgauer Berg hoch. Die ersten drei Kilometer führen noch gemächlich und gut zu laufen leicht berauf, aber dann geht es gleich richtig zur Sache. Bis km 7 müssen wir 350 Höhenmeter erklimmen. Mir ist es jetzt mit meinem Langarm-Shirt schon viel zu warm, darum ziehe ich es aus und hänge es um die Hüften. Von Thomas habe ich mich abgesetzt und bin jetzt nur mehr Vorletzter. An diesem steilen Aufstieg kann ich mich noch an einen weiteren Läufer vor mir ranarbeiten. Da ich auch gerne mal einen Läufer auf dem Foto haben will und sonst wahrscheinlich keine Gelegenheit mehr finden werden, lichte ich ihn auch gleich mehrmals ab und wir ratschen etwas. 72 Jahre ist er alt und er stellt sich mir als der Opa aus Berne vor. Er kommt bis aus Hamburg hierher in die Bayerischen Berge, die er als Flachländer so schätzt. Mir ist sein Bergauf-Tempo dann doch etwas zu langsam, darum setzte ich mich ab und kann dadurch sogar noch einen Platz gut machen.
Am höchsten Punkt dieses ersten Anstieges angelangt, hat man einen herrlichen Blick auf den in der Sonne liegenden Walchensee, einem der wenigen, noch unberührten Seen in den bayerischen Alpen und mit 16,4 km² der größte deutsche Gebirgssee. Sein Ufer ist überall frei zugänglich und so gut wie unverbaut. Für Wanderer und Läufer ist er daher rundum begehbar. Hätte ich Augen wie ein Adler, könnte ich jetzt irgendwo am gegenüberliegenden Seeufer die Filmkulisse des Dörfchens Flake entdecken. Ab nächster Woche drehen hier Bully Herbig und seine Crew Teile seines neuesten Filmprojekts „Wickie und die starken Männer“.
An der Station erwartet uns die Bergwacht mit Wasser, Eistee, Kuchen und Bananen und wir werden auf einer Starterliste abgehakt. Jeder der durchkommt wird notiert, so soll wahrscheinlich keiner verloren gehen. Ich schau mir mal interessanterweise die Liste der Namen an und will auch wissen, wie der Opa aus Berne wirklich heißt. Es ist Horst Preisler, der Weltrekordler im Marathonlauf. Ich hatte mir doch noch extra im Internet ein Bild von ihm angesehen um ihn zu erkennen, seinen Namen hatte ich schon vorab auf der Starterliste gelesen. Dieser hier soll sein 1.571 Marathon werden, seit 1974 hat er damit ungefähr 5 Weltumrundungen hinter sich, erzählt er mir und den Bergwachtlern stolz.
Nach einer Stärkung macht sich Horst zügig vom Acker und ich komme jetzt leider nur mehr mit Walken weiter. Bis km 17 geht es durch das herrliche Eschenlainetal, an vielen Bachläufen entlang bis zur Gachentodklamm, meistens leicht abwärts. Es wäre ein wahrer Genuss hier zu laufen, doch leider muss ich mich zurückhalten, aber so kann ich mir wenigsten was von der wunderschönen Gegend anschauen. Dann geht es rechts ab auf die Strecke zum Heimgarten. Auf den nächsten 10 Kilometern sind jetzt über 1.000 Höhenmeter zurückzulegen. Bis etwa zur Halbmarathondistanz führt mich der gepflegte Maximiliansweg in Serpentinen nach oben. Bei km 20 steht der Andi Bayer von den Walchensee-Touren und hakt mich wieder von der Liste ab. Die ersten werden jetzt nach ca. 3 Stunden den Gipfel erreichen, erzählt er mir. Prima - und ich bin erst am Anfang des Aufstieges. Aber bis jetzt habe ich wenigstens noch nicht Besenläufer Thomas in Genick, das macht mir Hoffnung, nicht als Letzter oben anzukommen. Horst soll sich ca. 15 Minuten vor mir befinden. Meine Wade verhält sich auch einigermaßen anständig, das beruhigt mich. Auf diesem steilen Anstieg ist für nicht ausgesprochene Bergläufer ein Laufen eh kaum oder nur sehr beschwerlich möglich.
Nach ca. 22 km geht es über einen Bachlauf rein in die Pampa des Hirschbergs. Ich muss mir schon genau überlegen, wie rüberkommen ohne nasse Füße. Immer wieder gibt es auf dem folgenden Abschnitt Wasserläufe zu durchqueren, aber immer ist es gerade noch möglich, trockenen Fußes durchzukommen. Hier kann ich auch wieder zu Horst aufschließen. Die Bergaufstrecken setzen ihm deutlich zu und als nicht mehr ganz so junger Flachlandtiroler teilt er es sich lieber etwas ein. Aber für mich gibt es wieder ein paar Minuten Unterhaltung. Horst beklagt sich etwas, weil es auf der kompletten Strecke keine Kilometerangaben gibt. Da hat er nicht unrecht. Ich habe glücklicherweise meine Uhr mit Sensor an, die mir die Kilometer relativ genau anzeigt. So kann ich ihm wenigstens mal wieder den Kilometerstand durchgeben.
Wir befinden uns jetzt auf alpinem Gelände, die Wege sind bestenfalls noch Trampelpfade. Die komplette Strecke ist aber mit pinkfarbenen Punkten und Pfeilen bestens markiert wie ich meine und problemlos zu finden. Kurz darauf kommt die zweite Verpflegungsstelle. Die Bergwacht freut sich, endlich wieder mal jemanden zu sehen. Für mich wurde es auch höchste Zeit, meine Wasserflasche wieder aufzufüllen. Die letzte Getränkeaufnahme liegt über zwei Stunden zurück. Die Hälfte des Aufstiegs bis zum Heimgartengipfelkreuz ist hier in etwa erreicht.
Nach 4:20 Std. erreiche ich das Gipfelkreuz des Heimgarten. Ein Mann von der Bergwacht zeigt mir sicherheitshalber den richtigen Weg im Nebel und fragt, ob alles o.k. ist. Mir geht es bestens und bin schon gespannt auf die erwartete, nicht ganz leichte Gratwanderung. Ziemlich nass, frisch und neblig ist es hier oben am höchsten Punkt der Strecke auf 1.790 m ü. NN – wie in London. Glücklicherweise bin ich gut ausgerüstet und packe mir auch gleich noch meine Handschuhe, aus bevor ich mich in die Felsen stürze.
Gleich nach ein paar Metern rutsche ich bei einem kurzen Felsabstieg leicht aus. Dank meiner Handschuhe komme ich aber ohne Schramme noch einmal glimpflich davon und kann mich an der Felswand abfangen. Hier heißt es aber wirklich äußerst vorsichtig agieren, bei den feuchten Felsen. Und dann habe ich erneut Glück. Nach vielleicht 200 Meter auf dem Steig reißt der Himmel auf und ich kann weit unter mir, auf der linken Seite den Kochelsee erkennen. Er ist das untere natürliche Becken des Walchensee-Kraftwerks, das zu den größten Hochdruck-Speicher-Kraftwerken Deutschlands gehört. Das obere Becken bildet der Walchensee, dazwischen ist eine Rohrverbindung und an deren Ende die Generatoren eines Wasserkraftwerks. Das Walchenseewasser strömt durch sechs Rohre 200 Meter tief zu den Turbinen. Wenn das Wasser seine Arbeit getan hat, fließt es in den Kochelsee. Jährlich liefern die 8 Turbinen etwa 320 Millionen Kilowattstunden umweltfreundliche Energie.
Des Öfteren gibt es hier zwischen den Felsen 20 – 30 m lange Wegabschnitte, die man im lockeren Lauftempo zurücklegen kann. Das gefällt mir und auch meiner Wade recht gut. Ich nütze das auch aus, um mal meine Beine etwas zu lockern. Insgesamt sind auf dem Grat ca. 2 km zurückzulegen. Erst geht es fast 200 Höhenmeter abwärts und ab der Mitte kraxelt man wieder 150 Hm mit vollem Körpereinsatz, aber immer auch abgesichert mit Stahlseilen, wieder hoch. 45 Minuten habe ich hinüber bis etwas unterhalb des Gipfelkreuzes des Herzogstandes gebraucht. Den Abstecher rauf zum Kreuz erspare ich mir, gehört auch nicht zur Laufstrecke. Mein Laufsensor zeigt hier km 29 an.
Jetzt kommt der ziemlich steile Abstieg bis nach Urfeld. Der Forstweg ist breit und wirklich gut zu laufen, aber für die 750 Höhenmeter auf den folgenden 6 km braucht es wirklich gute Bremsbacken. Das Einbremsen beim Laufen verlangt einen hohen Kraftaufwand, daher verlege ich mich lieber wieder auf einen schnellen Gehschritt. Und zu guter Letzt fängt es bereits eine Viertelstunde nach dem VP3 – da habe ich meine Regenjacke abgegeben – auch noch richtig zu schütten an. Nach 55 Minuten bin ich in Urfeld am Ufer des Walchensee – etwa bei km 37 – hier ist die 4. Verpflegungsstelle aufgebaut. Sehnsüchtig werde ich schon erwartet. Wieder kann ich über die noch hinter mir liegenden keine Auskunft geben. Des Öfteren habe ich mich umgedreht und geschaut ob evtl. Horst nachkommt, weil ich ja schon gesehen habe wie er bei den Flach- und Bergabstücken Gas geben kann. Aber er ist nicht in Sichtweite.
Dann hab auch ich es geschafft. Der letzte Kilometer geht wieder leicht bergab in den Ort und bis zum Ziel am Feuerwehrhaus Walchensee. Ein schönes Funktions-Finisher Shirt und einen Gutschein für einen Teller Nudeln wird mir direkt von den Damen der Zeitmessung ausgehändigt. Gleich 15 m weiter steht das Festzelt, wo jetzt gerade die Siegerehrung statt findet. Der Sieger war über 3 Stunden vor mir im Ziel. Dahinter ist Magic auf den 2. und Hans auf dem 12. Platz gelaufen, auch mit einer super Zeit.
Am Start hätte ich nicht damit gerechnet, das Ziel dieser äußerst anspruchsvollen Strecke zu erreichen. Daher bin ich mehr als nur zufrieden. Wer an diesem Lauf teilnimmt, sollte aber auf alle Fälle ein Herz für alpines Gelände und etwas Kletterei mitbringen. Mir hat es ausgesprochen gut gefallen. Ein normaler, flacher Marathon wäre mit meinen Muskelproblemen nicht zu bewältigen gewesen.
Männer
1. Stephinger Gernot, 4:01:00
2. Schöll Martin, 4:07:08
3. Betzler Jürgen, 4:13:08
Frauen
1. Glaser Gabi, 5:14:25
2. Reiser Ingrid, 6:10:10
Streckenbeschreibung:
Punkt-zu-Punkt-Strecke, Startort Wallgau und Zielort Walchensee liegen aber nur ca. 4 km voneinander entfernt. Ein Busshuttle bringt die Läufer aber ggf. zum Startort zurück. Landschaftlich wunderschöne aber sehr anspruchsvolle Strecke in alpinem Gelände über die Gipfel des Heimgarten und Herzogstand.
Höhenmeter Aufwärts über 1700, Hm Abwärts über 1700.
Der Veranstalter wirbt mit einer der schwersten Berg- und Crosslaufstrecken Deutschlands. Da kann man wenig entgegensetzen.
Zeitnahme:
Manuell
Weitere Veranstaltungen:
12 km Crosslauf
Starterpaket:
Funkions-T-Shirt, Gutschein zur Pastaparty
Verpflegung und Versorgung:
4 Verpflegungsstationen besetzt mit Bergwachtleuten. Es gab Wasser, Eistee, Bananen, Energieriegel und Kuchen.
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08.07.09 | Absage für 2009 |