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OKErstes verlängertes Wochenende im schönen Mai – was liegt also näher als einen Marathon im benachbarten Ausland zu laufen? Triest, altehrwürdige Hafenstadt in der italienischen Region Friaul-Julisch-Venetien, steht auf meiner Liste. Der Maratona d’ Europa wird dort zum 10. Mal veranstaltet und zwar im Rahmen der bunten Sportwoche „Bavisela“ mit Segelregatta, Schwimmbewerb, Triathlon, Ski-Roller-Rennen und eben am Schlusstag dem Marathonbewerb inklusive Halbmarathon und 8-km–Rennen.
Also, Kind und Kegel eingepackt und auf geht’s Richtung Süden. Nach knapp sechsstündiger Autofahrt erreichen wir unsere Herberge im Küstenstädtchen Duino, ein Mini-Bungalow am örtlichen Campingplatz in Sistiana wird bezogen – klein, aber fein. Hinter den Pinien offenbart sich ein herrlicher Meerblick über den Golf von Triest. Eine kurze Laufrunde für die letzte entspannte Trainingseinheit ist schnell gefunden.
Am nächsten Tag, es ist Samstag der 2. Mai, fahren wir in die Citta’ und ich hole in der Marathon-Expo an der Molo dei Bersaglieri, wenige hundert Meter vom Hauptbahnhof entfernt, meine Startunterlagen ab, ein feines Funktions-T-Shirt inbegriffen. Alles ist bestens organisiert, viele sind der deutschen, pardon österreichischen, Sprache mächtig, mein Italienisch ist (fast) überflüssig.
Die liebe Familie möchte ein Eis und wir starten einen kleinen Rundgang. Die Stadt kennen wir bereits von früheren Begegnungen. Üppiges K. u. K. Flair allerorts, Wien und seine Habsburger lassen mächtig grüßen. Das waren noch Zeiten! Österreich mit eigenem Seehafen. Die Piazza d’ Unita, der einzige Stadtplatz der Welt mit direktem Meeranschluss, wird bereits auf die morgigen Ereignisse getrimmt. Bunte Sponsorplakate unter edlen Palazzis. Hier werden sich in wenigen Stunden wieder dramatische Szenen abspielen - hoffentlich nicht mit mir, den meine Aufmerksamkeit gilt vornehmlich der steigenden Tagestemperatur. Für den Rennsonntag prophezeit mir der Wetterbericht stolze 23 Grad (im Schatten), wolkenlos – mamma mia! Ich kenn’ das bereits von anderen Läufen im Süden, wie Pisa oder Padua, üblicherweise gibt’s kaum schattige Streckenabschnitte - nur nicht zu schnell verglühen, lautet daher meine geheime Devise und ich nehme noch schnell einen großer Schluck aus der Mineralwasserflasche.
Rückfahrt zum Campingplatz, Abendessen, kleiner Fussballkick mit den Kindern, ab in die Schlafkoje. Tagwache, Camperfrühstück, der Caffe’ duftet.
Die Marathonstrecke selbst ist ein Punkt zu Punkt–Kurs mit Start im historischen Städtchen Gradisca (Provinz Gorizia) mit sehenswerter Wehranlage. Startzeit 9 Uhr 15, um 9 Uhr 12 Uhr werden die wenigen Rollbikes abgeschickt. Buntes Treiben empfängt mich auf der Startgeraden, als ich gegen 8.20 eintreffe. Ich bin kein Freund endloser Startrituale, komme daher eher ziemlich knapp, trabe einige wenige Meter zum Aufwärmen, es wird ja noch lang genug. Die Temperatur noch angenehm kühl, einige Wölkchen am Himmel – eigentlich ideal. Mir gegenüber wärmt sich ein sportlicher Herr mit einem kleinen, blauen Luftballon mit der Aufschrift 3:00 auf – er wird mir noch wertvolle Dienste erweisen.
Kappe, dunkle Sonnenbrille, Aufstellung möglichst weit vorne, die Kenianer in Reichweite, Startschuss und ab geht’s. Zu Beginn ist vornehme Zurückhaltung angesagt, um meine Zielvorgabe „knapp unter 3 Stunden“ nicht unnötig zu gefährden. „Laufe ja nicht schneller als 4:10 per Kilometer“ hämmere ich mir ein - schließlich kenn’ ich mich ja und meine übereifrigen Startkilometer. In der Euphorie zu schnell angehen und dann bitteres Lehrgeld bezahlen – kennen wir schon, heute aber nicht. Nach einer Ehrenrunde in der Stadt Gradisca laufen wir weiter Richtung Trieste.
Erster Getränkestand bei Chilometro Cinque, ein voller Becher bestes Acqua, viel trinken. Meinen Schnitt halte ich diszipliniert. Ich habe mich bereits gruppenmäßig eingeordnet und trabe brav mit ca. 10 anderen LäuferInnen hinter dem Mann mit dem blauen Ballon. Ringsum viel Grün, Buschwerk, grober Asphalt, flacher Kurs, eine Eisenbahnbrücke als einzige Steigung. Die Orte Redipuglia und Ronchi die Legionari werden durchlaufen. Der Isonzo wird überquert. Vorbei geht’s am monumentalen Friedhofsdenkmal für die Gefallenen des 1. Weltkrieges, Uniformierte im historischem Outfit stehen für uns am Straßenrand. Italien mag’s gern heldenhaft. Applaus der (spärlichen) Zuseher. Kilometer 10, 15 – die Industrie- und Hafenstadt Monfalcone wird erreicht, Stadtplatz, dann eher triste Gewerbezone. Gleichmäßiges Tempo.
Halt, nein - ein ungeplanter Stopp in den Büschen lässt mich aus meiner Gruppe herausfallen und ich kämpfe dann gut und gerne dreihundert Meter hinter „meinen Leuten“ alleine weiter. Gerade jetzt, wo es - wie versprochen - erstmals bergauf geht. Drei knackige, langgezogene Steigungen weist das Höhenprofil auf. Ich muss unbedingt wieder aufschließen und versuche mein Tempo leicht zu steigern, was auch gelingt. Wir laufen in das Örtchen Duino mit seinem berühmten Dichtergast Rainer Maria Rilke und sieh da, das Meer empfängt uns mit traumhafter, fast kitschiger Aussicht. Segelboote schaukeln am Wasser. Der Blick (fast) bis zu den Stränden Istriens, Postkartenidylle. Hier startet auch der Halbmarathon. Meine Durchgangszeit knapp 1:31. Erste Zweifel kommen auf. Die letzten Starter dieser Disziplin sind bereits in Sichtweite. Der Campingplatz Sistiana mit seinen Hüttchen ist erkennbar. Die dritte und letzte Steigung ist ganz besonders giftig, wellenartig, ca. 2 Kilometer lang, nur nicht überdrehen.
Ziemlich exakt bei Kilometer 25 erreicht man den Gipfel (der Genüsse) und ich habe auch meinen Luftballonmann wieder eingeholt. Grazie, vielen Dank. Ab jetzt ist die Strecke leicht abfallend, Schnellstraße SS 14, Meerblick, mit Buschwerk versetzt, eine leichte Brise verschafft zudem angenehme Kühle. Die Temperatur ist durchaus erträglich – momentan kein erkennbares Risiko zum Verglühen in der mediterranen Sonne. Ich laufe im Windschatten. Die Halbmarathonteilnehmer werden immer mehr. Was folgt, ist ein kleiner Spießrutenlauf für die schnelleren Läufer. Ungläubige Blicke, als wir an Ihnen vorbeiziehen, ein respektvolles „tre ore“ vernehmen meine Ohren.
Mein italienischer Pacemaker sieht dauernd auf seine Uhr, versucht sein konstantes Tempo beizubehalten. Viele Athleten hat er nicht mehr im Schlepptau! Das Puppenschloß Miramare glänzt in der Sonne, einst Heimstatt Kaiser Maximilian I. von Mexiko, dem einzigen Kaiser, den Mexiko je hatte. Von hier aus startet das 8- Kilometer-Rennen, eigentlich eher ein Fit-Marsch, halb Triest ist auf den Beinen, Kinderwägen und Rollstühle werden geschoben, Hunde mit Startnummern an der Leine geführt, alle im rosaroten T-Shirt. Ein tolles Bild, echte Begeisterung. Bei Kilometer 38 löse ich mich ungestüm vom Luftballonmann und forciere mein Tempo ein wenig – es geht noch.
Die Vorstadt von Triest wird erreicht. Eher marode Bahnhofs- und Fabriksanlagen. Erste Villen tauchen auf. Der Hauptbahnhof auf der rechten Seite. Die Zuseher werden immer mehr und werden auch akustisch wahrgenommen, bravo, brava, vai, vai - der Zielbereich scheint nur mehr wenige hundert Meter entfernt. Volksfeststimmung kommt auf. Links einbiegen und die Piazza d’ Unita mit ihren prächtigen „Ringstraßenpalais“ empfängt mich mit Gänsehautfeeling, unter dem Zielbogen durch, Stoppuhr drücken, knapp unter 2 Stunden 58 – tadellos, bin zufrieden, Schnitt prima gehalten, keine Magenprobleme, keine ungestümen Aktionen in der ersten Rennhälfte. Die Finishermedaille kann sich sehen lassen. Der Pacemaker kommt eine knappe halbe Minute nach mir ins Ziel. Ich bedanke mich herzlichst für seine perfekte Assistenzleistung. Grazie mille. Meine Familie wartet im Schatten des imposanten Generali-Hauptgebäudes, freudiger Empfang, ich lebe noch.
Der angebrochene Nachmittag wird mit einem kurzen Stadtbummel verbracht, auf den leicht hinkenden Papa muß öfters gewartet werden. Relaxing an der Hafenmole. Morgen am Vormittag steht noch der wunderschöne „Rilke Wanderweg“ hoch über den Karstklippen auf dem Programm. Meine Beinchen freuen sich schon.
Beschreibung: Punkt zu Punkt-Kurs von Gradisca nach Trieste, Autobustransfer, üppiges Pacco di Gara mit Funktionsshirt, Pasta, Caffe etc., Pastaparty nach dem Rennen, erster Streckenteil mit 7-8 km langer Steigung, bei Hitze wohl sehr anstrengend, Meerblick, fantastische Stimmung auf den letzten Kilometern, imposanter Zieleinlauf