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In Runde 2 war Rosemarie von Kocemba kurzzeitig etwas irritiert: Sollte sie wirklich zwischen den Kamelen vor uns hindurch laufen oder doch lieber ausweichen? Wie verhalten sich überhaupt Kamele mitten auf der Marathonstrecke? Wie nah kann man sich ihnen gefahrlos nähern? Rosi entschied sich sicherheitshalber für „Ausweichen“…
Am Samstag, dem 15.09.2012, erlebten 300 Läufer – zwei Schweden, fünf Deutsche sowie 293 Dänen – einen ganz außergewöhnlichen und bislang einzigartigen Marathon bzw. Halbmarathon: Sie liefen quasi auf Tuchfühlung mit Kamelen, Watussi- und anderen Wildrindern, Pferden, Lamas, Antilopen und weiteren halbwilden Tieren, vorbei am Hochsicherheitsgehege für Tiger, außerdem in Sichtweite von Zebras, Gnus, Straußen und anderen. Ort des Geschehens war der Knuthenborg Safaripark zwischen Maribo und Bandholm auf der dänischen Insel Lolland. Veranstalterin war Annette Fredskov Jensen aus Naestved.
Die Geschichte Knuthenborgs geht zurück bis ins Jahr 1328. Damals wird der Herrensitz erstmals unter dem Namen Årsmarke erwähnt. Bis 1662 gehörte er alten dänischen Adelsfamilien, die als Mitglieder im dänischen Reichsrat zu den wahren Machthabern des Landes zählten. Nach Einführung des Absolutismus gelangt das Gut 1667 in den Besitz des Karrierediplomaten Cornelius Pedersen Lerche, dessen Tochter den mecklenburgischen Adligen Eggert Christoffer von Knuth heiratete. 1714 wurde ihr Sohn Adam Christoffer Knuth der erste Lehnsgraf und aus Årsmarke die Grafschaft Knuthenborg.
Auch nach der Aufhebung des Absolutismus gelang es den Lehngrafen Knuth, ihre Grafschaft weiter zusammen zu halten und als Einheit zu bewahren. Lehnsgraf Eggert Christoffer Knuth (1838-1874) schuf dann aus den umgebenden Ländereien einen Schlosspark bzw. Landschaftsgarten im englischen Stil, der ab 1860 gegen Bezahlung zu Fuß, zu Pferde, per Wagen oder Fahrrad und später auch per Auto besichtigt werden konnte. Ab 1930 gab es auch ein geschlossenes Areal mit 70 Stück Damwild.
Als 1969 ein Tierhändler vorübergehend einige Zebras, Strauße und Antilopen im Schlosspark Knuthenborg „unterstellte“ und daraufhin die Besucherzahlen rapide anstiegen, reagierte der damalige Lehnsgraf Adam W. Knuth prompt und schuf die Anfänge des Safariparks Knuthenborg, der sich seither zum größten Safaripark Nordeuropas mit bis zu 400.000 Besuchern jährlich entwickelt hat. Auf fast 600 Hektar Fläche, umgeben von einer 7 Kilometer langen und 2,5 Meter hohen Steinmauer, durchzogen von 15 km Wegen, leben heutzutage 900 Tiere. Vielfach können Besucher in den Freigehegen ihre Autos verlassen und die Tiere aus nächster Nähe ohne Zäune oder Gitter erleben.
So viel zur Vorgeschichte des Ortes.
Zur Vorgeschichte der Veranstalterin gehört das Projekt 366/365. Das soll heißen, dass Annette Fredskov Jensen vom 15. Juli 2012 bis zum 14. Juli 2013 innerhalb von 365 Tagen 366 Marathonläufe absolvieren will, und zwar nicht wie der Belgier Stefaan Engels vor ein paar Jahren als Soloprojekt 365 Marathondistanzen, sondern wirklich 366 öffentlich ausgeschriebene, korrekte Marathonveranstaltungen auf vermessenen Strecken und mit jeweils mindestens drei Teilnehmern. Zählordnungskonform also mit den Statuten sowohl des 100 Marathon Club Deutschland als auch des Klub 100 Marathon Danmark.
Neben fünf eigenen Strecken auf der Insel Seeland nutzt sie dabei zahlreiche weitere Marathons, die andere Läufer in großer Zahl für sie arrangieren. Tag 63 dieser Serie brachte nun dieses besondere Highlight, an dessen Organisation sich Ehemann, Eltern, Schwiegereltern sowie weitere Familienmitglieder und Freunde Annettes beteiligten. Die Resonanz bei den dänischen Läufer/innen war ganz außerordentlich: Schon bevor die offizielle Ausschreibung erschien, hatten sich im Mai 2012 mehr als 300, je 150 für Marathon und Halbmarathon, registrieren lassen…
Dank guter Vernetzung in der dänischen Marathonszene war unsere Laufgruppe frühzeitig im Bilde, und so hatten sich sieben von uns ihre Startplätze gesichert. Zwei sprangen später wieder ab, so dass fünf übrig blieben. Die Kosten waren überaus moderat: Das Startgeld betrug ganze 30 Euro, wovon allein rund 22 Euro als Eintrittsgeld an den Safaripark gingen. Dafür bekamen die Läufer pro 7,1-km-Runde eine Wasserstelle sowie einen üppigst ausgestatteten Verpflegungspunkt, Medaille und Soforturkunde sowie eine Tüte mit diversen praktischen Utensilien geboten.
© marathon4you.de | 4 Bilder |
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Wir – das waren Christine Schroeder, Joachim Neuhaus und ich aus Hamburg sowie Peter Wieneke aus Hamfelde – starteten morgens gegen 5.45 Uhr ab Hamburg-Sasel. Gegen 7.20 Uhr trafen wir in Puttgarden ein und stiegen zu Rosemarie von Kocemba, die kurz zuvor aus Kiel herübergekommen war, ins Auto um. Das Fährticket Puttgarden – Rødby Faerge und zurück kostete als Tageskarte für ein Auto und bis zu 5 Personen 79 Euro, hinzu kamen noch jeweils 25 km Fahrtstrecke auf Lolland. Alles in allem ergaben sich so Reisekosten in Höhe von 21 Euro ab/bis Hamburg für jeden von uns vier…
Wir trafen kurz nach 9 Uhr in Knuthenborg ein, wo wir von Annette Fredskov Jensen sehr nett begrüßt wurden. Die Organisationszelte standen bereits; aktuell erfolgte die Vorbereitung der Finishertüten und der Aufbau des Verpflegungsstands. Knapp 100 Meter weiter befand sich ein Gebäude mit Souvenirshop, aber auch (für uns viel wichtiger) sehr gepflegten Toiletten.
© marathon4you.de | 21 Bilder |
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Die Streckenführung war bereits am Vortag mit Pfeilen und Flatterbändern erstklassig markiert worden, und ganz offenkundig befand sich bereits ein Läufer auf der Strecke. Er hatte gerade seine zweite Runde begonnen, als auch Christine, Rosi, Peter und ich um 10 Uhr unseren offiziellen Frühstart wahrnahmen. Wir folgten unserem Vorläufer in Sichtweite, konzentrierten uns ansonsten auf die Parklandschaft und die Freigehege, durch die wir liefen. Unvermeidlich waren dabei die Viehgitter auf den Wegen, die natürlich jeweils Zeit und Konzentration kosteten.
Während die Antilopen gleich in sicheren Abstand entschwunden waren, stellte sich eine Herde Wildrinder erst einmal in sicherer Kreisformation auf, die Jungtiere in der Mitte, die Alttiere uns zugewandt.
Weniger scheu waren dagegen die Kamele, genauer: die Trampeltiere. Sie blieben direkt neben unserer Strecke stehen und beobachteten uns eher neugierig und interessiert als irritiert. In unserer zweiten und vierten Runde standen sogar einige mitten auf dem Weg, so dass wir ihnen ausweichen mussten und nicht umgekehrt. Auch einige schwarze halbwilde Rinder mit beeindruckenden Hörnern, die sich in der fünften Runde am einzigen Wendepunkt der Laufstrecke postiert hatten, wichen erst aus, als ich mich ihnen schwungvoll auf weniger als zwei Meter näherte.