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Laufberichte

Chiemsee-Ultra-Marathon: Renate oder Mückenmilch

30.06.13
Autor: Joe Kelbel

Die spiegelglatte Oberfläche des Chiemsees erinnert mich unweigerlich an meine  Schulfreundin. Da die meisten Renate kaum und wenn, dann nur oberflächig kennen, wissen sie auch nicht, dass der Chiemsee im Dreieck zwischen Fraueninsel, Herreninsel und Chieming doch eine Tiefe aufweist, in die - wie die Übersee`er sagen - der Übersee`er Kirchturm reinpassen würde. Stimmt zwar nicht ganz, denn die Tiroler Achen bringt so viel Geröll mit, dass der See immer mehr verflacht. Wie Renate. 

Dieser Bericht wird also lustig, so wie die Leute hier, machen sie doch aus einer Ache gleich ne Achen. Bayerischer Plural nennt man das grammatikalisch und wirkt sich auf das hiesige Laufverhalten aus, wie Ofenwärme auf Salzburger Nockerln: Der Uferweg rund um den Chiemsee wird länger. Wenn man einmal so rum, ein anderes Mal so rum läuft, ergibt das 108 km und nennt sich dann CUM, Chiemsee Ultra Marathon. Also auch ziemlich lustig für Leute, die heimlich englischsprachige Filme schauen.

Wie Renate heute ausschaut, wissen wir nicht. Der Chiemsee hat jedenfalls auch ein  Ringsystem, um die enorme Überdüngung abzuleiten. 68 Kilometer lang sind die Ringe, die nun das Oberflächenwasser über eine Kläranlage weiter in den Inn befördern.

Seitdem ist das Wasser wieder klar und zumindest der Chiemgau frei von Mücken. Der ganze Chiemgau? Nein! Ein von unbeugsamen Mücken bevölkertes Dorf namens Kerchdorf hört nicht auf, Widerstand zu leisten. Hier wird alles getrunken, außer Mückenmilch. Das macht das Leben leicht für die Ultraläufer, die allmonatlich bei Evi und Dietmar Mücke einfallen, um den Chiemsee einzukreisen.

Richtig verstanden, der Chiemsee-Ultra findet einmal im Monat statt, DUV-gelistet, organisiert von Dietmar Mücke, dem 24 Std Meister, besser bekannt als der barfusslaufende Pumuckl und seinem Organisationspartner André Lange, der Trans Gaule-Läufer, der seinen Namen vom Übersee´er Kirchturm hat.

 

Hier die nächsten Termine


Die Versorgung wird von Evi, Lisl und Hans mit ihrem feuergelben Spielmobil sichergestellt, in dem sich die Produkte der Sponsoren befinden. Nein, Autan ist nicht dabei. Die Flötzingerbrauerei jedenfalls ist happy, denn unter ihrem Biergarten wurde vor einigen Tagen der “Flezi”, ein 1000 Jahre alter Ultraläufer und Verwandter des Özis ausgegraben. Zurzeit werden seine Zähne analysiert. Ich wette, seine Hauptnahrung bestand aus Weizen.

Der Lauf beginnt am Samstag, 9 Uhr in Schafwaschen (sprich Schafffaschen). Auch wieder lustig, denn ich habe kein einziges Schaf gesehen und kaum Schlaf gehabt.  

Das feuergelbe Spielmobil hat man dagegen alle 8 Kilometer, es beinhaltet unser Gepäck, Wechselklamotten, auch Fahrräder, falls jemand nicht (mehr) laufen will, denn es steht das entspannte Miteinander im Vordergrund des Wochenendes. Die Verpflegung ist einmalig, es gibt alles außer Mückenmilch, man muss sich nur bedienen lassen. Verpflegungsstation mit Bringservice!

Die Startertüte kann mit der vom Frankfurt Marathon mithalten, es fehlen nur die hartgekochten Eier und der Ladyshave.

6 Läufer sind wir, 10 bis 20 Läufer sind es durchschnittlich. Das ist das Limit, wegen der intensiven, äußerst familiären Versorgung. Es wird zusammen gelaufen, die Laufzeit richtet sich nach dem Schwächsten. Und schwach werden alle auf dem Hof von Katharina, weswegen wir für die ersten 15 Kilometer 5 Stunden brauchen. Es hätte auch Erdinger gegeben, die blauen Flaschen, nur helfen die nicht gegen Mücken.

Vielen Dank an Katharina, wir werden demnächst die flugfähigen Elekroartikel wieder aus dem Seerosenteich entfernen. Hauptsache wir haben die Sonnenstunden genossen, die restlichen 30 Kilometer hat´s nämlich ziemlich geschüttet und die Erinnerung ist verwischt wie die Fotos. 

Übernachtet wird im Gasthof Schmidt. Aha! Zwischenstopp auf den 108 km! Ja, der Spaß darf nicht zu kurz kommen, jedoch finde ich den Weg nach unserer Laufbesprechung nicht und stehe in einem der zahllosen Kuhställe und versuche im schwachen Licht des Handys einen Ausweg zu finden. Milchproduzenten sind erschreckend im fahlen Licht. OMG !

Der Sonntag sieht schon anders aus. Heute wird anders herum gelaufen, zwar vorwärts aber halt andersrum. Und heute können wir im Sonnenlicht die Stelle betrachten, an der König Ludwig II. ertrank, direkt daneben dem Eisberg, der die Stelle markiert, an der eine Möwe der Kate Winslet bei Probeaufnahmen zum Film “Titanic” …Naja, man stellt sich nicht so exponiert hin, da muss es ja einen treffen. Ja, liebe Kate, so ein CUM ist nicht von der Hand zu weisen.

Wer will, der darf auch mal mit den Naked Shoes vom Pumukl laufen, notfalls bis zum nächsten Verpflegungspunkt, denn für Ungeübte sind die Minimalschuhe zunächst schmerzhaft, für den Barfussläufer notwendig, denn die Laufstrecke ist nicht einfach.

Schmerzhaft sind auch die Stiche die man erhält, wenn man sich in die Büsche schlägt. Ich wurde nicht erstochen, entweder weil ich schneller war, da ich nicht so lange suchen muss wie ein “Kurz”läufer, oder weil die Parasiten doch eher auf gesunde Ernährung achten.

Mückenplage. Natürlich schlüpfen die Viecher jedes Jahr, aber durch das Hochwasser wurden Gelege aktiviert, die seit 10 Jahren auf dem Trockenen lagen. Zwei dicke Blutsauger sitzen beim Bertram auf der Wade. Ich könnte ihn ja darauf aufmerksam machen, aber mir ist langweilig und so bin ich ein Kameradenschwein und fertige eine Studie über den Ablauf der Vampir-Attacke an, denn der Leser will ja informiert sein:

Zunächst macht Bertram undefinierte, nicht sehr zielgerichtete Bewegungen in Richtung der beiden Einstichstellen, an denen im Takt seiner Füße die Hinterleiber der weiblichen Insekten anschwellen. Ich finde das ganz lustig, denn seine Hände finden einfach nicht die richtige Stelle, um eines der beiden Monster zu erschlagen. Er hat zu kurze Arme. Es ist auch nicht so, dass Mücken, wenn sie einmal sitzen, die Wade eines Läufers loslassen, obwohl ich seine Wade nicht sehr sexy finde. Meine Studie wird nach 15 Minuten jäh unterbrochen. Seine Arme sind doch lang genug und die fetten Blutklatscher bringen mich zum Grinsen.

Kurzer Blick auf die Inseln des Chiemsees. Links die Fraueninsel, in der Mitte die  Kraut-und-Rüben-Insel, rechts die Herreninsel. Die Nonnen der Fraueninsel bauen auf der mittleren Insel Steckrüben oder so was an und die Mönche der Herreninsel rudern dort rüber, um Kräuter, wie z. B. Liebstöckel anzubieten. Deshalb nennt man die mittlere Insel Kraut-und-Rüben-Insel. Bertrams Mücken sind tot. Ich finde das unverantwortlich, ich hatte eine persönliche Beziehung zu den Biestern.

Der Weg ist abgesperrt. Lustig, denn wir kommen rechtzeitig zum  Chiemsee-Triathlon, (olympische Distanz und  Halb-Ironman).  Dietmar (mehr als 200 Seeumrundungen) und André (knapp 100) sind natürlich bekannt. Aber als auch ich frenetisch von einigen Läufern erkannt werde, bin ich doch erstaunt ob der Reichweite meiner Berichte, da der nahe Watzmann das Internet vom Chiemsee weitgehend fernhält. (War jetzt ein Witz, der Berg heisst Buzelmann.)

Manchmal lasse ich mich zurückfallen, genieße die Ruhe, dann schließe ich wieder auf und bringe meine in diesen Stunden gesammelten Sprüche ans dankbare Publikum, die mir ihrerseits wertvolles Material liefern. Vor allem André trägt mit seinen Trans-Gaule-Erlebnissen zu meiner Weiterbildung bei.

Es liegt in der Natur der beiden Organisatoren, dass dieser Ultra extrem lustig ist, dennoch sollte man nicht vergessen, dass 108 km kein Pappenstil sind. Auch der Shuttle-Service sowie die Anfahrten mit dem prallen Verpflegungswagen erfordern einiges an Organisationstalent. Der CUM ist ein Spendenlauf, sagt ja schon der Name.

Ideal ist der CUM für Leute, die auf der A8 in Richtung Urlaub sind. Für die gibt es auch den CUMI, den Chiemsee Ultra Marathon Individuell. Einfach mal anfragen. Nichtläufer dürfen mit dem Radl fahren.

Ich CUM jedenfalls wieder, aber nicht am 09.-10.11.2013. Da findet nämlich der  Single-CUM statt und Renate hat ihr Kommen nicht zugesagt, was ich ihr verzeihe, denn alles wird schwerer, sie auch.

 


 
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