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„Entweder es regnet oder es läuten die Glocken. Wenn beides zusammen fällt, dann ist Sonntag“, sagt man in Münster und spielt darauf an, dass es ziemlich oft regnet. „Aber nicht, wenn Marathon ist,“ wissen andere zu berichten und bekommen es diesen Sonntag wieder bestätigt. Nicht nur, dass es nicht regnet, es ist Sommer.
Schon am Samstag ist die Sonne nicht zu bremsen. Die Innenstadt ist sehr belebt und die vielen Straßencafés am Prinzipalmarkt sind gut besucht. Unter den Passanten sind viele, die morgen beim Marathon mitmachen. Man erkennt sie gleich an den stolz getragenen Finisher-Shirts aus aller Herren Länder und den bunten Laufschuhen. Man grüßt sich, manche kennt man, macht einen Schwatz und freut sich gemeinsam auf das Ereignis.
Die Läuferinnen und Läufer sind mit ihrer Vorfreude nicht alleine. Die Bevölkerung und die Stadtverwaltung stehen voll hinter „ihrem Marathon“. Die vielen tausend bunten Fähnchen, die über dem Prinzipalmarkt angebracht sind und dem Platz mit seinen historischen Gebäuden, vielen Geschäften, Cafés und Restaurants ein einmaliges Ambiente verleihen, sind da nur äußeres Zeichen.
Seit dem 15. Jahrhundert sind am Prinzipalmarkt in den Häuserzeilen mit den typischen Bogengängen hauptsächlich Krämer und Kaufleute ansässig. Sehenswert sind in jedem Fall auch das gotische Rathaus, wo seinerzeit der Westfälische Frieden ausgehandelt wurde, der zum Ende des Dreißigjährigen Krieges führte und die Lambertikirche, die mit ihrem 99 Meter hohen Turm (eine Kopie übrigens des 116 Meter hohen Turmes des Freiburger Münsters) den Prinzipalmarkt nach Norden hin begrenzt. Die aus Sandstein ab 1375 erbaute Kirche wurde von Kaufleuten finanziert und war als „Gegenkirche“ zum bischöflichen Dom gedacht.
Die Startunterlagen gibt es im Freiherr-vom-Stein-Gymnasium am Hindenburgplatz. Von den großen Parkplätzen dort kommt man bequem überall hin: der Start ist direkt hier, das Ziel am Prinzipalmarkt erreicht man in ein paar Minuten. Und zum Schauen gibt es auch noch einiges. Das Fürstbischöfliche Schloss, das 1767 bis 1787 erbaute Residenzschloss für Münsters vorletzten Fürstbischof Maximilian Friedrich von Königsegg-Rothenfels, ist heute Sitz und Wahrzeichen der Westfälischen Wilhelms-Universität.
Über die Lautsprecher kommt der übliche Mix aus lauter Musik und Informationen für Läufer und Zuschauer. Langsam füllen sich die Startblocks und als alle 5.354 Läuferinnen und Läufer versammelt sind, geht es pünktlich um 9.00 Uhr los. Die erstmals ausgeschriebene Marathonstaffel ist ein riesiger Erfolg. Über 400 4er Teams haben sich angemeldet. Sie starten etwas später, damit nicht etwa einer von ihnen als Erster auf dem Prinzipalmarkt einläuft. Dieses Vergnügen soll einem „echten“ Marathoni vorbehalten sein.
Für ein Foto dränge ich mich rechts in die Zuschauermenge. „Hey Klaus, lauf weiter, das holst Du sonst nicht wieder rein,“ sagt einer und klopft mir auf die Schulter. Ich dreh mich um und sehe, dass ich mich genau vor Peter Vetter (Chef der Grosse-Coosmann-Sportreisen) aufgebaut habe. So ein Zufall.
Am WDR-Power-Point am Aegiiditor tanzen Cheers zu den Rhythmen der „Marathon“-Band, wir laufen entsprechend schwungvoll links zum Aegidiimarkt und kommen auf der Neubrückenstraße ins Kreuzviertel. Der Läufer vor mir, Joachim Clerc, sucht wohl noch einen Schuhsponsor. Bis er den gefunden hat, läuft er barfuss. „Nein, so ist das nicht“, widerspricht er mir. „Ich laufe aus Überzeugung barfuss.“
Die Strecke hat schon am Anfang viele enge Kurven, was die Eliteläufer gar nicht freuen wird, am wenigsten die, die heute den Streckenrekord knacken und die Prämie dafür einsacken wollen. Die Breitensportler weiter hinten haben damit keine Probleme, sie genießen das tolle Wetter und die phantastische Stimmung, die sich von den Zuschauern auf die Läuferinnen und Läufer überträgt.
Die sonst eher störenden Staffelläufer fallen hier kaum auf. Die meisten haben auch nur Spaß im Sinn und wollen einmal Marathonluft schnuppern. Und davon gibt es in Münster reichlich, das kann ich jetzt schon sagen. Bei km 7,5 haben wir schon den dritten Power-Point, es spielen „Fisherman’s friends“ und am Mikrofon kommentiert Werner Driese das Geschehen.
Mit dem Aushub des Sees wurde vor dem ersten Weltkrieg begonnen, um die Hochwassergefahr für die Stadt zu reduzieren. In den 1970er Jahren wurde der Aasee, so genannt nach dem Flüsschen Aa (Kreuzworträtsellöser wissen Bescheid) wesentlich erweitert, der Allwetterzoo, verschiedene Museen und Sport- und Freizeitanlagen errichtet.
Auch hier wird kräftig gefeiert. Cheerleaders und Samba-Tänzerinnen wechseln sich ab. Die Verkäufer am Weinstand machen offensichtlich ein gutes Geschäft. Peter weist sich per T-Shirt-Aufdruck als Vater und Helen als Tochter aus. Beide liefen im letzten Jahr hier ihren ersten Marathon und waren so begeistert, dass der erneute Start geradezu Verpflichtung ist.
Eine besondere Attraktion sind die Stelzenläufer. War eben noch ein Paradiesvogel zu bewundern, zeigt sich jetzt der Künstler Nikhil in einem wunderbaren Schmetterlings-Kostüm. Musikalisch werden wir hier von einer "teuflisch" guten Sambagruppe begrüßt.
Ungefähr 3 Kilometer laufen wir jetzt durch Außenbezirke nach Gievenbeck. Gleich bei den ersten Häusern ist die Verpflegungsstelle eingerichtet. Wasser, Iso, Bananen und Orangen gibt es wie zuvor auch an jeweils separaten Tischen, alle ausreichend weit auseinander postiert, damit es kein Gedränge gibt.
Nur 2 Kilometer weiter, gleich nachdem wir rechts auf die Roxeler Straße einbiegen, kriege ich „Zombie“ auf die Ohren. Ich glaube, das Original mit Dolores O’Riordan von den Cranberries zu hören, so perfekt interpretiert die Coverband das Stück. Kompliment die Dame und die Herren.
Thomas Wenning reißt mich mit lauten Rufen aus meinen Erinnerungen. Er kommt mir auf der Gegenbahn mit einer Gruppe von Läufern entgegen, die er als Pacemaker zu einer Zielzeit von 3:30 Stunden führen will. Thomas ist ein ganz extremer Läufer und ein Beispiel dafür, was man mit gezieltem Training alles erreichen kann. Ich kenne ihn schon eine ganze Weile und erinnere mich noch, wie schwer ihm ein „Doppeldecker“ mit jeweils einem Marathon am Samstag und Sonntag gefallen ist. Heute macht er extreme Etappenläufe und ist als Mitglied der Deutschen Nationalmannschaft für 24-Stunden-Läufer demnächst bei der Europameisterschaft in Verona dabei, nachdem er bereits bei der WM in Taipeh gut abgeschnitten hat. Seine Claudia ist übrigens etwas hinter mir, sie macht das Tempo für die 4:30-Läufer.
Als die Begegnungspassage zu Ende ist und uns die Straße alleine gehört, rennt alles sofort auf die rechte Seite, wo Bäume und Sträucher etwas Schatten bieten. Es geht über die A 1 (Hansalinie) und dann in den Stadtteil Roxel, der wie Gievenbeck fast nur aus Wohngebieten besteht, aber mit seinen 8.000 Einwohnern viel kleiner ist.
Aber auch die verstehen es zu feiern. Auf der Bühne am Power Point auf dem Pantaleonplatz tobt sich gerade der Rock ‚n’ Roll Club Münster aus und die vielen Zuschauer wissen gar nicht, wo sie zuerst hinschauen sollen. Die vier kurvigen Kilometer durch den Ort sind äußerst kurzweilig und von vielen Zuschauern begleitet. Im kleinen Gewerbegebiet hat der Dorfmetzger seinen Betrieb und veranstaltet dort ein gut besuchtes Grillfest.
Gleich darauf überqueren wir wieder die A 1 (km 33,5) und laufen auf der Roxeler Straße diesmal leicht abwärts. Auf der Gegenbahn sind immer noch Läuferinnen und Läufer in Richtung Roxel unterwegs. Ihr Rückstand beträgt hier gut 6 Kilometer. Uwe Schmidt-Hagemann muss Nerven haben. Als Letzter läuft er unmittelbar vor dem Besenwagen, hier ist es ein großer Linienbus, dem ein Polizei- und ein Saniwagen folgen. Seinem zufriedenen Gesichtsausdruck entnehme ich, diese Rolle ist ihm nicht neu.
Ab Kilometer 41 stehen die Menschen rechts und links der Straße fast ununterbrochen in mehreren Reihen. Ein drittes Mal passieren wir den PowerPoint des WDR, Mathias Bongard hat noch immer nicht das Mikrofon aus der Hand gelegt und die Cheerleaders sind auch noch kein bisschen müde.
Trommler sorgen für eine weitere Steigerung der Stimmung und wem die Beine schmerzen, vergisst es spätestens hier. Die letzten 500 meter werden nicht gelaufen, man schwebt, getragen auf einer Welle der Begeisterung von tausenden Zuschauern, die den Prinzipalmarkt in eine einzige Jubelarena verwandeln. Die Marathonis hören ihre Namen und genießen den Applaus. Es ist phantastisch hier, „einfach geil“, sagt der Finisher neben mir mit Tränen in den Augen.
Rundkurs ohne größere Steigungen, alles gute Teerstraßen, viele grüne Abschnitte
Champion-Chip
Marathonmesse mit Startunterlagenausgabe, Pasta-Party, Andacht, After-Run-Party
Medaille, Schönes Funktions-Finisher-Shirt, Urkunde.
Start- und Zielgelände nicht weit vom Bahnhof und von den Parkplätzen entfernt. Duschen und Kleiderdepot in Zielnähe.
Verpflegungs- und Erfrischungsstände ab KM 5 alle 2,5 Km. Üppige Zielverpflegung.
100.000 Zuschauer sollen an den Straßen gewesen sein. Ich habe sie nicht gezählt, ich habe sie genossen. Die Stimmung unterwegs und vor allem im Ziel ist phantastisch.