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Laufberichte

Trotz Regen wird`s ganz warm ums Herz

10.08.08

Prolog

Samstagnachmittag: Der kleine Ort Konzen und sein Monschau-Marathon empfangen mich mit Sonnenschein und fröhlichen Gesichtern. Mountainbiker kommen gerade von ihrer Tour auf der Marathonstrecke zurück und mischen sich unter die Läufer und Einheimischen, die sich auf dem Dorfplatz tummeln. Ich hole meine Startunterlagen, stelle meinen Rucksack unter, gehe ein bisschen spazieren und schaue mir das Treiben erstmal aus der Entfernung an. Kleines hübsches Dorf mit ordentlich viel Grün drum herum.


Zurück zum Tatort: Draußen sind einige Messestände, es gibt Bier und Bratwurst, Kinder hüpfen auf Burgen und drehen sich im Karussell, im vollen Festzelt wünscht der Veranstalter Udo Schmitz den Läufern und Zuschauern viel Spaß. Den haben sie jetzt erstmal beim Nudel- und Salatessen. Mir ist es hier zu warm, ich nehme mir meinen Teller und setze mich nach Draußen. Am Nachbartisch unterhalten sich gerade drei Kerle darüber, das sie jetzt gleich noch laufen. So acht Kilometer. Ich halte das für einen Scherz. Wir kommen ins Gespräch. Lustig die drei, so fleißig wie die sind, machen sie morgen das Rennen. Ich laufe nie vor einem Marathon! Meine Beine bekommen vorher Freiheitsentzug, damit sie den Tag X herbeisehnen und die ganzen 42,195 Kilometer genießen.

Der Start und die ersten 10 Kilometer

Man trifft sich um 7:50 Uhr auf dem Dorfplatz und geht gemeinsam oder kleckerweise zum Start am Dorfausgang. Es fängt an zu regnen. Neben mir steht einer, der mich an Obelix erinnert: „Ist ja ganz angenehm, oder?“ Hä? Also mir ist saukalt, aber ich nicke vorsichtig und murmele ein „na ja“. Endlich geht’s los. Ich freu mich auf die wärmende Bewegung. Vorbei geht’s an Kuhweiden und Pferdekoppeln in den Wald hinein. Hier ist es wärmer und der Regen spielt keine Rolle mehr.


Nach etwa vier Kilometern erreichen wir Monschau. Jetzt weiß ich, warum amerikanische Touristen Monschau für eine Filmkulisse halten. Die Häuser sehen aus wie bei Modelleisenbahnen und alles passt perfekt zueinander. Häuschen, Blümchen, Flüsschen… Einige Zuschauer stehen nass am Marktplatz und sind enorm wach für einen Sonntagmorgen.

Nach Monschau geht es eine Weile an der Rur entlang. Die Läufer finden langsam ihren Rhythmus. Und kommen bei Kilometer 7 abrupt wieder heraus aus selbigen. Eine kurze, steile Passage führt nach der ersten Verpflegungsstation hoch in den Wald. Kaum vorstellbar, dass die Ersten hier im Laufschritt hochgekommen sind. Danach wird es wieder ruhig.

Das zweite Viertel

Ruhig ist hier aber nur die Strecke. Zwei Läuferinnen unterhalten sich unaufhörlich. Die Vorstellung, dass sie vermutlich noch weitere 30 Kilometer schwatzend um mich herum verbringen, treibt mich nach vorn. Ich muss mich für diese etwas feindliche Haltung entschuldigen, ich habe gar nichts gegen einen kurzen Plausch, aber ich liebe Landschaftsläufe auch deswegen, weil man der Natur lauschen kann. Heute vorwiegend den Regentropfen. Zwischen zwölf und vierzehn Kilometern soll die Strecke fies ansteigend sein – habe ich mir extra gemerkt. So schlimm ist es aber nicht. Einige gehen, andere laufen langsam hinauf.


Ab Kilometer 17 wird es schnatterkalt. Auf den nächsten fünf Kilometern laufen wir auf freiem Feld und es ist fies windig. Wie ich später erfahre, haben auch die ganz Schnellen hier gefroren. Und ich dachte, dass man bei dem Tempo gar nicht frieren kann. Ein Mitläufer brummelt zu mir hinüber: „Na wenigstens hat der Regen aufgehört.“ Hm. „Und was sind das für Tropfen, die da vom Himmel fallen?“ „Habe ich gar nicht mehr gemerkt“, sagt er und ich beneide ihn.

„Schreibst du für marathon4you?“ spricht mich eine Läuferin an und ich stelle fest, dass ich sie schon oft auf Fotos gesehen habe. Es ist Renate (in der AK W60 sehr erfolgreich und Vielläuferin, heute: 3. Platz). Leider geht sie gerade ein Stück. Wir plaudern ein wenig, aber mir ist es zum Gehen viel zu kalt. Schade. Nass und fröhlich verabschieden wir uns.

Gleich darauf hört es tatsächlich auf zu regnen. Vor der Verpflegungsstelle „Gut Heistert“ gibt es nochmals ein kurzes, steiles Stück zu bewältigen. Vor mir saust einer im irren Tempo den Berg hoch und bekommt einen Wahnsinnsjubel. Lokalpatriotismus pur. Hermann-Josef kommt aus Konzen, den kennt hier jeder. Wir laufen ein paar Meter gemeinsam. Er läuft heute seinen ersten Marathon, hat prima Laune und hofft, dass er so mit 4:45 ins Ziel kommt. Das wird er: mit 4:44! Tolle Leistung beim ersten Mal und so einem Profil! Glückwunsch!

Der Konzener zieht weiter und ich laufe einen Kilometer mit Didi. Didi ist blind und sein „Guide“ muss mal pinkeln. Er erzählt von den Schwierigkeiten, die er mitunter hat, jemanden zu finden, der mit ihm läuft. Ich wundere mich, dass es im Netz noch keine Seiten gibt, in denen man sich zum Suchen und Finden eintragen kann. Didi läuft heute seinen 80. Marathon. An der nächsten Verpflegungsstelle wartet er auf seinen Mitläufer und für mich geht’s weiter nach Kalterherberg.

Kilometer 30 bis 40

Von weitem sieht man schon den imposanten Eifeldom. Einige Kinder bieten Gummibärchen und Schokolade an. Mmmm, ich liebe Schokolade, aber lieber gemütlich, so auf dem Sofa. Glücklicherweise steht hier keins – ich würde einfach sitzen bleiben. Danach kommt die offizielle Verpflegungsstelle vor dem Dom. Ich nehme mir ein Stück Müsliriegel und ein bisschen Applaus mit auf den Weg und freue mich auf das nächste Stück. Ich mag diese Kilometer sehr. Alles wird ganz ruhig um einen herum und in einem drin. Jeder besinnt sich auf sich selbst und kaum jemand spricht. Zunächst gibt es noch ein sehr schönes Stück durch den Wald, an einem Fluss entlang, dann an einem See vorbei. Es folgt eine lange, stetige Steigung auf einer Straße. Viele gehen hier, ruhen sich ein bisschen aus. Ich auch. Das tut gut.


Etwa bei Kilometer 36 passiere ich Mützenich. Hier wird einem Honig ums Maul geschmiert! Es gibt einen irren Applaus, Anfeuerungen vom Feinsten, aufmunternde Blicke, Worte und Gebrüll – ich fühl mich wie ne echte Heldin. Nebenbei wird mir ein Löffel gereicht. Am Abend vorher wurde soviel über den Monschauer Senf geredet, daher probiere ich zunächst zögerlich. Ich muss daran denken, dass mir am Rennsteig mal Banane mit Salz schmecken musste, daher kann ich mir alles vorstellen. Aber nein, es ist wirklich Honig.
Recht flach geht es weiter.

Das Ziel

Kurz vor dem Ziel ist noch etwas, das meine Beine nun eigentlich nicht mehr brauchen. Aber die Qual hat schnell ein Ende. Danach erblicke ich den Kirchturm von Konzen und vorbei an beglückwünschenden Zuschauern geht’s hinein in den Ort, den ich vor einigen Stunden verlassen habe. Hier im Ziel steht manch einer wohl schon sehr lange. Irgendjemand spricht die Namen der Finisher müde in den Lautsprecher. Mich wundert es gar nicht. Ist auch gar nicht schlimm. Ich war in Mützenich schon eine Heldin, zweimal am Tag wäre nun echt zuviel. 


Ich freue mich. Ich bin wieder da. Es gibt ne Medaille und sogar ne Rose, ich treffe auf die drei vom Vorabend, die mich herzlich aufnehmen. Sind natürlich längst geduscht, die schnellen Jungs. Danach folgt die Siegerehrung. Bier schlürfend schauen wir uns das an, zwischendurch geht immer einer von ihnen aufs Treppchen und kommt wieder herunter. Wir quatschen noch ein bisschen und dann geht’s heimwärts.

Eine Frage…

…nehme ich mit nach Hause: Warum heißt dieser Marathon eigentlich Monschau-Marathon? Konzen-Marathon wäre doch auch okay. Der Ort hat auf jeden Fall einen Titel verdient!

Marathonsiegerinnen:

1. Birgit Lennartz LLG St. Augustin 3:12:02 Stunden
2. Monica Barchetti Italien, Atl. Melito Bologna 3:16:11 Stunden
3. Ursula Schulz  Jülich 3:24:21 Stunden


Marathonsieger:

1. Andre Collet DJK Armada Würselen  2:35:45 Stunden
2. Olivier Pierron Olne  2:36:53 Stunden
3. Ulf Sengenberger LG Würzburg  2:43:54 Stunden

 

Informationen: Monschau-Marathon
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