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OK„Ich will mein’n Spoaß ham, weiter nischt, und das sollten Se ooch tun!“
Im Zug saß ein Professor der Universität Magdeburg.Ich fragte ihn, was denn einen Magdeburger ausmachen würde. Er sagte: „Vogelgesang in Magdeburg".
Er genoß die folgenden Sekunden, während mein Gehirn im Takt der Eisenbahnreifen ratterte. Als ich dann so tat, als würde mich das Faltblatt der DB brennend interessieren, sprach er triumphierend: „Der Magdeburger spricht das G auf 5 verschiedene Weisen aus, aber ein G ist nicht dabei: Voreljesank in Machteburch. Das r wird nicht "gerollt", das erste ch ist im Rachen, das zweite "vorn" zu sprechen“. Das Interesse an diesem Faltblatt stieg ins Unermeßliche.
Tatsächlich gibt es in Magdeburg den Vogelsang-Park, und als ob die Magdeburger sich ständig selbst finden und deshalb dauernd „Voreljesank in Machteburch“ plappern müssten, gibt es eine Vogelsang-Straße, einen Kinderhort, einen Kleingartenverein, ein Krankenhaus, eine Haltestelle, ein Seniorenheim, eine Schule, eine Kneipe und und und, alle mit Voreljesank. Schwer beeindruckt von der Einzigartigkeit der Machteburcher, grummelte ich ein Zitat von Asterix und wendete mich wieder diesem Faltblatt zu.
Früher, als die Elbe noch durfte wie sie wollte, tat sie auch wie sie wollte. Geblieben ist innerhalb des Stadtgebietes ein östlicher Arm, die „Alte Elbe“ und einen westlichen Arm, die „Stromelbe“, dazwischen gibt´s noch die „Zollelbe“, die aus der „Tauben Elbe“ kommt. Alle Flußläufe bilden die Rotehorninsel und vereinen sich noch im Stadtgebiet wieder. Die Alte Elbe ist für den Schiffsverkehr nicht befahrbar, sie wird von einem Wehr, dem „Cracauer Wasserfall“ gesperrt.
© marathon4you.de | 20 Bilder |
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Hauptbahnhof und Altstadt liegen westlich, am Bogen der Stromelbe. Das Veranstaltungszentrum des Marathons, das Messegelände liegt nordöstlich, wo Stromelbe und Alte Elbe zusammenfließen. Vom HBF gibt es für die Läufer einen kostenlosen Bustransfer zum Messegelände. Wer mag, kauft sich für 3,40 eine Tageskarte für alle Linien, für alle Richtungen. Die Fahrkarten sind an den Fahrkartenautomaten in den Fahrzeugen erhältlich. Die Straßenbahn 6 geht direkt zum Messegelände. Am Rathaus unterbreche ich meine Fahrt, um im offiziellen Marathonhotel „Hotel Ratswaage“ einzuchecken. Das Hotel ist genial gelegen und im Ratskeller, welcher nie in all den Kriegen zerstört wurde, gibts Rinderroulade mit Rotkraut und Klößen.
Der Frühstücksraum des Hotels ist fest in Läuferhand. Da der Start erst um 10 Uhr sein wird, lässt es hier jeder beim üppigen Frühstücksbuffet gemütlich angehen. Vom Hotel sind es zwar etwa 3 Kilometer bis zum Start, aber trotz Marathonschmerzen vom Vortag gehe ich zu Fuß.
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10 Uhr Start in der Herrenkrugstraße, direkt vor dem Messegelände. In der Messehalle 1 sind Kleiderabgabe und Duschen, in der Halle 2 die Messe und dazwischen der Zieleinlauf.
Die Laufstrecke führt durch das Stadtzentrum Magdeburgs zunächst über die Friedens- (Alte Elbe) und über die Jerusalembrücke (Stromelbe), von jeder Brücke gibt es eine südliche und eine nördliche. Bei km 2 passieren wir schon das Opernhaus.
Der Breite Weg führt uns direkt in die Altstadt, am Alten Markt mit dem Rathaus vorbei. Vor dem Rathaus steht der Magdeburger Roland. Der Roland symbolisiert die Freiheit und Unabhängigkeit der Stadt. Dieser Roland hier wurde 2005 geschaffen. Auf der Rückseite befindet sich eine kleine Figur Till Eugenspiegels, sie konterkariert das militärische Auftreten des Schwertträgers.
Auf dem Alten Markt steht auch der Magdeburger Reiter in einem barocken Baldachin. Er stellt Otto den Großen dar. Ohne Baldachin kennt ihn jeder: Er ist einer der begehrtesten Figuren im Playmobilsortiment.
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Da die Magdeburger kein „G“ sprechen können, raffen die wohl auch nicht, daß das Hundertwasserhaus, welches „Grüne Zitadelle“ genannt wird, komplett rosa ist. Die Mieter haben das Recht, die Fassade um ihre Fenster herum zu gestalten, soweit Arm und Pinsel reichen. Aber entweder haben die früheren Plattenbaubewohner keinen Bock dazu, oder sie sind bei solchen Versuchen aus dem Fenster gefallen - jedenfalls ist die Fassade immer noch rosa.
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Der gesamte Domplatz ist ein fragiles Gelände. Als jüngst beim Verlegen einer Wasserleitung eine Gruft angeschnitten wurde, fand man die Überreste eines Menschen, der Otto den Großen gesehen haben wird, jedenfalls wurden seine Knochen auf diese Zeit datiert. Unter der Nord-LB wird immer noch gegraben, man fand karolingische und ottonische Befestigungsgräben, hier war schließlich die Kaiserpfalz Ottos I .
Laut Reiseführer sind am Dom die Figuren „der klugen und törichten Jungfrauen“ besonders sehenswert. Das erinnert mich an die gestrige Begegnung mit den Jungfrauen beim Schlaubetalmarathon, und während ich so laufe, sinniere ich darüber, ob eine Jungfräuliche eher klug oder töricht ist. Da ich zu keinem eindeutigen Ergebnis komme, beschließe ich, nach dem Lauf mir die Figuren am Dom doch genauer anzuschauen. Aber eins war sicher: hier in den Städten und Wäldern der neuen Länder gibt es anscheinend jede Menge von diesen Jungfrauen.
Die Hegelstraße ist eine repräsentative Allee, die nach dem Vorbild von Paris Ende des 19. Jahrh. angelegt wurde. Herrschaftliche Gründerzeithäuser mit kleinen Vorgärten säumen die teilweise ornamental gepflasterten Fußwege, die aber ziemlich schmerzen mit ihrem Kopfsteinpflaster. Auffällig ist das Palais am Fürstenwall, ein repräsentatives Gästehaus der kaiserlichen Familie, 1893 erbaut.
Mit der Sternbrücke bei km 5 überqueren wir die Stromelbe und gelangen auf die Insel Rotehorn. Auch diese Brücke steht nicht solo da, sondern hier gibt es noch die Elbbahnhofsbrücke, den Elbdamm, die Treppenanlagen und die Flutbrücken. Als die Sternbrücke 2002 wieder aufgebaut wurde, gab es eine mittelschwere Katastrophe: Das Grundwasser des Gebietes um die Südspitze der Insel steht nämlich unter enormen Druck. Als die Fundamente gegraben wurden, hatte man plötzlich einen gewaltigen Whirlpool. Dabei ist das Vorhandensein von artesischen Quellen bekannt gewesen, denn auf der Rotehorninsel gibt es immer noch die eingefasste Salzquelle, die bis 1933 kräfig sprudelte.
Am Elbufer geht es entlang zurück zum Herrenkrugpark. Der Magistrat der Stadt nutzte früher selbst das Gelände für sein Vieh und zur Holzgewinnung. Aufgrund häufiger Diebstähle beschloss der Rat 1676 die Errichtung eines Wärterhauses. Das Haus wurde jedoch zu einem Wirtshaus, welches Neuer Krug, oder, da es sich im Besitz der Ratsherren befand, Herrenkrug genannt wurde - ohne „G“, aber vorne und weich gesprochen.
Die Halbmarathonläufer verlassen jetzt die Strecke und laufen zurück zum Messegelände. Ich bekomme einen Riesenschreck und denke, ich hätte mich verlaufen! Ich bin total alleine auf der Strecke. Ja sagt mal, bin ich der einzige Marathonläufer? Tatsächlich sind von 5100 Läufern insgesamt nur knapp 600 für den Marathon angetreten.
Nun laufen wir den Elberadweg lang. Wie ein Band zieht sich dieser durch die Flussebene. Über Lostau und Hohenwarthe geht es zum Wasserstraßenkreuz ("Blaues Kreuz"). Die Verpflegungsstationen haben alles, was das Herz begehrt, auch warmen Tee. Bei Kilometer 18 mache ich mir einen Turbodrink: Kaffee mit Haferschleim, das gibt richtig Power.
Bei Kilometer 21 geht es den berüchtigten Weinberg hoch. Dort haben Dominikanermönche im 12.Jahrhundert noch Wein angebaut, nun quälen wir uns in einer langen Reihe den schmalen Pfad nach oben. Zwischen den Sträuchern hat man einen herrlichen Blick über die Ebene nach Magdeburg.
Wieder zurück am Elbeufer, geht es erst unter der Autobahnbrücke hindurch und dann sehe ich vor mir diese gewaltige Brücke: Hier kreuzt der Mittellandkanal die Elbe.
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Die Rampen sind gewaltig steil, da müssen wir hoch, das kesselt. Aber oben am Kanal angekommen, da haut es mich aus den Laufsocken! Das ist ein absolut grandioser Anblick hier! Diese Anlage ist so gewaltig, daß ich den Turbo einlegen muss. Links ein Frachter aus Stettin. Ich bin plötzlich hellwach und hole den Frachter ein. Ich rufe ein fröhliches „Djen Dobre“ hinüber. Der Käpt´n winkt mir zu, sowas hat der auch noch nie erlebt: Links Läufer, rechts Läufer und er mittendrin in seiner Badewanne. Der Kanal fließt in einer sogenannten Trogbrücke. An den Seiten der Brücke steigt Luft auf, das verhindert Eisbildung, welches die Trogwände auseinanderdrücken würde.
Die Sonne wärmt zwar im Moment, aber heute morgen war es doch empfindlich kalt gewesen. Die Elbe ist überquert, nun geht abwärts durch eine Unterführung des Kanals und wieder hinauf auf die andere Kanalseite. Von hier aus sieht man das Schiffshebewerk (gebaut 1938), welches innerhalb von 20 Minuten den wassergefüllten Aufzug (Trog) mit schwimmendem Schiff um 18,5 Meter anheben bzw. absenken kann. Ich bin in einer außergewöhnlich aufbrausenden Laufstimmung, stürme die Rampe hoch und winke hinüber. Dort sind Hajo, Sigrid und Christine, unter mir am Ufer noch Bernd, ich bin laufgeil.
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Wieder am Elbufer, heißt es Gas geben. Ich bin erstaunt, wie einfach das Laufen sein kann, obwohl es gestern im Schlaubetal richtig weh tat. Läufer um Läufer sammel ich in der folgenden Stunde auf der schnurgeraden Strecke Richtung Magdeburg ein, es macht richtig Spaß.
Bei Kilometer 41,5 gibt es erneut Kopfsteinpflaster. Es sind zwar nur etwa 30 Zentimeter, aber die reißen mich von den Füßen! Mein Fotoapparat fliegt durch die Luft, während ich gekonnt die Magdeburger Kugel mache. So wie Otto-von Guericke lasse ich die Luft raus und liege geschlagen auf der Laufstrecke, Knie und Ferse haben ordentlich was abbekommen. Doch wie Dorando Petri, der 1908 bei den olympischen Spielen auf den letzten 355 Metern fünfmal hinfiel und schließlich über die Ziellinie getragen wurde, wollte ich jetzt nicht enden. So raffe ich mich im Zeitlupentempo auf und hinke Richtung Ziel.
Das Blut tropft von meinen Händen, da sehe ich Rudolf Knapp, der mit seinem Akkordeon unter der Brücke sitzt. Der 71jährige hilft seit Bestehen des Magdeburgmarathons, also nun zu sechsten Mal, den Läufern auf den letzten Metern. Danke Rudolf!
Ich schleppe mich irgendwie durch den Zielbogen, und muss dabei an die Worte des Professors denken, der mir zum Abschied sagte: „Ich soare immer, nehm Se alles nich janz so ernst.“
Im Zielbereich treffe ich Irina, die heutige Siegerin. Voll bepackt mit Blumen, muß ihre Freundin den Riesenpokal tragen. Ich opfere mich, greife diesen funkelnden Eifelturm mit meiner blutenden Hand und helfe den Beiden einige Meter Richtung Parkplatz.
Siegrid, die am Vortag den Schlaubetalmarathon lief, hatte heute von Anfang an mit Krämpfen zu kämpfen. Sie finisht ihren 1447ten Marathon in sagenhaften 4:49 und ist überglücklich, daß der Sturmvogel, wie sie genannt wird, wieder kraftvoll fliegen kann.
Im Ziel erkenne ich Jerzy Bednarz aus Polen (Stnr. 411) er ist nach 5:49 letzter im Ziel. Der 63jährige ist Polens Rekordhalter mit weit über 400 Marathons. Auch er war, wie viele Mitglieder des 100 MC, gestern in Eisenhüttenstadt. Somit waren wir heute insgesamt 8 Läufer, die den Doppler Schlaubetal/Magdeburg finishten.
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Es war ein herrliches Wochenende. Ich laufe sehr gerne hier in den neuen Ländern. Nicht nur der Voreljesank ist einmalig in Machteburch, auch Organisation, Helfer und Zuschauer sind spitze. Ich sage ja: „Ich will mein’n Spoaß ham, weiter nischt, und das sollten Se ooch tun!“
Marathonsieger
Männer
1 Richter, Jörg (GER) LG exa Leipzig 02:32:51
2 Löbel, Yves (GER) TSV Niederndodeleben 02:35:56
3 Preibisch, Ralf (GER) 02:36:36
Frauen
1 Olbrich, Irina (GER) Fit&Run Weimar 03:21:59
2 Immendorff, Gabriele (GER) 03:30:33
3 Kretzer, Uta (GER) Fit&Run Weimar 03:33:26
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